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Sonntag, 3. Oktober 2021, 19:17

Seefahrtshistorischer Reisebericht - Nord-Holland

Nordholland. Ein seefahrtsgeschichtlicher Reisebericht. Teil eins.



Wir saßen im Hafen von Hoorn am Ijsselmeer, meine Frau und ich, und eigentlich war ich auf nautische Entdeckungen gar nicht aus. Wir wollten vielmehr das Museum in Hoorn besuchen, das dem 17. Jahrhundert als dem goldenen Jahrhundert in der Geschichte der Niederlande gewidmet ist. Da fährt in relativ kurzer Entfernung ein sehr authentisch wirkendes holländisches Segelboot vorbei. Der Hafen von Hoorn ist je nach Jahreszeit gesteckt voll mit zum Teil erstaunlich großen Schiffen, die aus einer Zeit stammen, in der der Frachtverkehr im Küstenbereich noch mit Segelschiffen bewältigt wurde. Heute gehen diese Schiffe, deren Frachträume für Passagiere umgebaut wurden, auf Tagestouren mit Gruppen von Touristen, vielfach auch mit Schülerinnen und Schülern. An diesen letzten Zeugen der großen Segelschiffsära hatte ich mich in den letzten Jahren einigermaßen satt gesehen, umso überraschender war ich von dem eher kleinen Fahrzeug, das sich aus dem Wald der Masten heraus schob. „Ein Botter“, sagte ich im Brustton des Kenners zu meiner Frau, obwohl ich wusste, dass es sich dabei eher um einen „educated guess“ handelte. Wer außer eingefleischten Fachleuten ist schon in der Lage, alle holländischen Küstensegler voneinander zu unterscheiden und korrekt zu benennen?
Doch ich hatte Recht. Die Nummer auf dem Segel, MK 63, ließ mich das Fahrzeug per Smartphone rasch identifizieren. Es handelt sich um ein Museumsschiff, 1912 gebaut, seit den 1960er Jahren restauriert und fahrtüchtig gehalten. Mehr muss ich darüber gar nicht sagen; eine Webseite informiert (auch auf Deutsch) über das Fahrzeug, das zum „Fahrenden Erbe“ der Niederlande gehört und sich seit einigen Jahren im Besitz einer Stiftung befindet.

https://www.bottermk63hoorn.nl/mk-63/

Die Webseite hatte aber noch eine ganz besondere Information für uns, nämlich die, dass das gerade auslaufende Fahrzeug in einer Dreiviertelstunde zurückkehren würde, um dann zu einer weiteren einstündigen Fahrt mit Passagieren auszulaufen. Die Anlegestelle befinde sich im inneren Teil des Hafens, vor einem Restaurant. Besagte 45 Minuten später waren wir an diesem überraschend sonnigen Mittseptembertag die einzigen Passagiere der Tour, und ich konnte ungestört dem Kapitän und dem Steuermann Löcher in den Bauch fragen, je nach Präsenz der Fachbegriffe auf Deutsch, Niederländisch oder Englisch. Der Kapitän, momentan Chef der besagten Stiftung, erwies sich als ehemaliger IT- Manager, der offenbar nach der Pensionierung zu den Wurzeln der niederländischen Ökonomie zurückgefunden hatte und ein glänzender Auskunftsgeber war.
Vor drei Jahren war ich von Hoorn aus zu einer der letzten Passagierfahrten des Nachbaus der „Halve Maen“ aufgebrochen. Das hübsche kleine Schiffchen muss man wohl eher als historische Attrappe denn als Nachbau bezeichnen, aber sieht man über die historischen Ungereimtheiten auf und unter Deck hinweg und durch die Takelage hindurch auf die Hafensilhouette von Hoorn oder auf die Kimm des Ijsselmeeres, kommt einen doch ordentlich der Eindruck an, man fahre zurück durch die Geschichte in die Zeiten von Hudson und Barentz.
Auf dem Botter MK 63 muss man nicht durch die Finger schauen. Bis auf die Existenz des Motors befindet sich das Fahrzeug in dem Zustand, in dem es ein halbes Jahrhundert lang Menschen als Existenzgrundlage gedient hat. Lässt man sich erklären, dass das Geschäft des Fahrens ebenso wie das des Fischens von nur zwei Männern geleistet wurde, bekommt man eine Ahnung von der Härte der Arbeit, die noch zu Zeiten unserer Großeltern eher der Normalfall als die Ausnahme war.
Auf der Rückfahrt durfte ich für eine Viertelstunde an die Pinne, um dort festzustellen, was für eine körperliche Arbeit es schon bedeutet, das sehr luvgierige Schiff bei vier Windstärken auf Kurs zu halten. Jeder Wellenschlag traf über das Ruder mein Handgelenk, das den Rest des Tages ganz leicht vor sich hin zitterte. Der Botter MK 63 hat in der Saison einen engen Terminplan, es werden auch Rennen damit gefahren. Für größere Gruppen von Interessenten würde ich ihn nicht unbedingt empfehlen. Ein Botter ist keine Staatenjacht, es gibt nicht eine einzige Sitzgelegenheit. Aber wer wie meine Frau und ich das Glück hat, zu zweit mit der Mannschaft eine Stunde lang hinaus zu fahren, der macht eine authentische und beeindruckende Erfahrung.



Fortsetzung folgt
Restaurierung eines Werftmodells aus dem Jahre 1912 jetzt als Webseite: http://kaiserfranzjoseph.de/
Über das Bemalen mit Humbrol- und Ölfarben: http://www.wettringer-modellbauforum.de/…9193#post739193

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Montag, 4. Oktober 2021, 08:53

Danke!
"Kein Kommandant geht fehl, wenn er sein Schiff neben das des Feindes legt"
Lord Nelson


Liste meiner Modellbau-Projekte im Portfolio

3

Montag, 4. Oktober 2021, 09:13

Unterhaltend informativ :ok:

"Alles, was ein Mensch sich heute vorstellen kann, werden andere Menschen einst verwirklichen." - Jules Verne


Eine großartige Modellbauzeit wünscht
Ray

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