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Sonntag, 3. Januar 2021, 12:24

Taiping (Meng 1:150) literally oob

Es begab sich um das Jahr 2011 herum, dass ein Abgesandter der chinesischen Filmproduktionsfirma galoping horse unter geradezu konspirativen Umständen ein Treffen mit dem Chef einer chinesischen Modellbaufirma hatte. Wir nennen den Chef der Einfachheit halber Herrn Meng. Herr Meng hatte der Unterredung förmlich entgegengefiebert. Er glaubte nämlich aus sicherer Quelle zu wissen, dass die Produktionsfirma nicht nur gerade dabei war, den chinesischen Titanic-Film zu drehen, sondern dass man dort auch erwog, zum Filmstart ein Werbemodell anzubieten, dass das Filmschiff Taiping darstellen sollte, jene unglückliche Fähre, die 1947 sank und Hunderte Menschen in den Tod riss. Also gewissermaßen die chinesische Titanic. Kein Wunder also, dass Herr Meng sich einen grandiosen Deal versprach. Bei der Popularität, die der geplante Film – sicher auch dank staatlicher Protektion – haben würde, könnte man mit einigem Recht von Verkaufszahlen in schwindelerregender Höhe träumen.
Herr Meng hatte die Sache schon einige Male durchkalkuliert. Man würde ein handliches Modell im Maßstab 1:350 konstruieren und in die Produktion geben, als ein einfaches snap-kit, zu dessen Zusammenbau es weder Klebstoff noch Farbe brauchte. Die Bausätze würden natürlich auch in den Kinos ausliegen, und Tausende, ja Zehntausende, wenn nicht Hunderttausende von Kinogängern würden sie als Souvenir oder als Geschenk für ihre Kinder mitnehmen, was nicht nur Herrn Mengs Kasse füllen, sondern auch weitere Werbung für den Film machen würde.
Entsprechend freudig gestimmt, bot Herr Meng seinem Besucher Tee und Gebäck an. Allerdings wunderte er sich doch ein wenig über das etwas strenge Wesen seines Gastes. Und als er seine Pläne bezüglich des Taiping-
Modells darlegte, schon mit etwas brüchiger Stimme, verwandelte sich das sowieso schon verschlossene Gesicht seines Gegenübers in eine physiognomische Festung. Meng verstummte.
Sein Gegenüber gab zuerst einen Brummton ab, dann ließ er sich zu ein paar vollständigen Sätzen herab. „Hochgeschätzter Herr Meng, wir haben durchaus nicht an ein billiges Kinderspielzeug gedacht. Und wir würden es auch wirklich nicht gerne sehen, wenn irgendein billiger Plastikschrott im Zusammenhang mit dem epochalen Epos des glorreichen Regisseurs John Woo erscheinen würde. Selbstverständlich muss das Modell dieselben Qualitäten haben wie der von uns produzierte Film, der mit Leichtigkeit den Ruf eines Jahrhundertereignisses chinesischer Filmkunst erwerben wird.“
Herr Meng war lange genug Chinese (nämlich seit seiner Geburt), um zu wissen, wann er jemanden vor sich hatte, dem er nicht widersprechen sollte. „Aber selbstverständlich“, sagte er. „Dann werden wir natürlich eines unserer in aller Welt bestens beleumundeten Hightechmodelle herstellen, ich denke im Maßstab 1:150, das jedes Detail seines Vorbildes mit bestechender Genauigkeit reproduzieren wird.“
„Wir kommen der Sache näher“, sagte der Besucher, und seine Gesichtszüge entspannten sich ein wenig. „Wir wünschen uns nicht weniger als ein Modell, dass den durchschnittlichen Käufer ebenso wie den Fachmann nicht nur Erstaunen versetzen, sondern geradezu bezaubern wird. Genau deswegen wollen wir ja auch Ihr Unternehmen mit diesem patriotischen Auftrag betrauen.“
Herr Meng verbeugte sich so tief, wie das im Sitzen möglich ist. „Wir werden zu Ihrer Zufriedenheit handeln“, sagte er und überschlug dabei im Kopf, wie viel mehr er, verglichen zu einem kleinen snap-kit, an einem großen Profimodell verdienen würde.
Der Besucher wollte sich bereits ergeben, aber da hielt er noch einmal inne. „Ich muss ja wohl nicht besonders erwähnen, dass es sich bei dem besagten Modell um einen allegorischen Gegenstand unserer durch und durch demokratischen Volksrepublik handeln sollte.“
Herrn Meng war nicht klar, was damit gemeint war. Das sagte er allerdings nicht, sondern setzte nur ein chinesisches Lächeln auf, das ins Europäische übersetzt wohl am besten mit „hä?“ wiedergegeben würde.
„Das Modell“, sagte der Besucher, und seine Miene verfinsterte sich wieder ein wenig, „muss selbstverständlich von allen Volksgenossen ohne jede Vorkenntnis montierbar sein. Und mit „allen“ meine ich: vom einfachen Wasserverkäufer bis zum geliebten Parteivorsitzenden.“
Herr Meng vergaß für einen Moment, dass es in China nicht erlaubt ist, Gesprächspartnern zu widersprechen. „Unmöglich!“, entfuhr es ihm. Er wollte noch „entweder – oder“ sagen, aber im letzten Moment beherrschte er sich und sagte: „Ich meine: Unmöglich, eine solche Aufgabe nicht als große Herausforderung zu verstehen, der sich zu stellen eine besondere Ehre und Freude ist.“
Der Besucher lächelte, wie nur Chinesen in Führungspositionen lächeln können. „Genosse Xi Jinping hat bereits Interesse daran signalisiert, als erster ein Modell der Taiping zusammensetzen zu dürfen.“ Mit diesem schicksalsschweren Satz verabschiedete er sich.
Herr Meng erwog seine Möglichkeiten. Ein Cousin zweiten Grades von ihm lebte in Amerika. Bei ihm könnte er vielleicht Unterschlupf finden. Eine andere Option wäre Selbstmord unter Hinterlassung eines Abschiedsbriefes, in dem er sich als Hindernis für den Fortschritt der chinesischen Gesellschaft bezeichnete. Doch dann fiel ihm die dritte Möglichkeit ein: Er könnte den jungen Konstrukteur Hu, der erst seit kurzem in der Firma Meng arbeitete, mit der Konstruktion dieses unmöglichen Hybrids von einem Plastikmodell betrauen, dieser widernatürlichen eierlegenden Wollmilchsau, die man gerade von ihm verlangt hatte. So könnte er vielleicht irgendwann einmal alle Schuld auf Herrn Hu abwälzen und wenigstens mit dem Leben davonkommen.
Und so geschah es auch. Das heißt: Herr Hu wurde mit diesem besonders ehrenhaften Auftrag betraut.
Wollen wir mal sehen, was dabei herausgekommen ist?
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Über das Bemalen mit Humbrol- und Ölfarben: http://www.wettringer-modellbauforum.de/…9193#post739193

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2

Sonntag, 3. Januar 2021, 15:14

Gude Schmidt,

hmm, das macht doch sehr neugierig.
Da reservier ich mir doch gleich mal einen Platz und guck zu.

Gruß,
Björn
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3

Sonntag, 3. Januar 2021, 17:21

Hallo Schmidt!

Wollen wir mal sehen, was dabei herausgekommen ist?


Das ist ja wohl ein Spannungsbogen! :cracy:

(... konnte natürlich nicht länger warten und habs gegoogelt!)

Bis die Tage

Harald

4

Sonntag, 3. Januar 2021, 17:51

Mahlzeit!
Da bin ich ja mal gespannt! Habe ich das richtig gelesen, oob? Irgendwie schwer vorstellbar..
Ein guter Rat des Vaters an den Sohn:
Halte stets mit allem Maß-mit dem Essen,dem Trinken und dem Arbeiten.Vor allem mit dem Arbeiten.
-Otto von Bismarck

5

Montag, 4. Januar 2021, 09:26

Moin Moin,

Ich bin auch dabei, wobei für mich OOB und Schmidt nicht in Einklang zu bringen ist :nixweis:

Ingo
"Kein Kommandant geht fehl, wenn er sein Schiff neben das des Feindes legt"
Lord Nelson


Liste meiner Modellbau-Projekte im Portfolio

6

Montag, 4. Januar 2021, 10:38

Moin Schmidt

Na nun möchte ich auch mal sehen was Herr Hu da konstruiert hat . Ich nehme mir auch mal einen Stuhl

Heiko
Eine kleine Weisheit fürs Leben

--Pople niemals in der Nase wenn Du über Kopfsteinpflaster fährst --

7

Montag, 4. Januar 2021, 12:19

Moin Schmidt,

Das wird bestimmt interessant. Mich hat die Taiping von Meng ein wenig abgeschreckt, weil sie irgendwie unproportioniert wirkt und eher dem 1:1 Modell des Films als dem tatsächlichen Vorbild entspricht. Daher kann ich mir „oob“ bei Dir kaum vorstellen. :ahoi:

Viele Grüße
Lars

P.S.: Passt vom Maßstab prima zu Deiner Chih Yuen

8

Montag, 4. Januar 2021, 14:01

Um die Spannung nicht ohne Not ins Unerträgliche zu steigern, fasse ich mich ab jetzt etwas kürzer.
Warum dieses Modell?
1. Klingt vielleicht ein bisschen lachhaft, ist aber wahr: Ich wollte auch mal etwas in überschaubarer Zeit definitiv zu Ende bringen.
2. Seit meiner langwierigen Restaurierung der „Kaiser Franz Joseph“ in den Jahren 2006 bis 2013 habe ich ein gewisses Faible für alte Passagierschiffe.
3. Die Bausätze, mit denen ich seit Jahren arbeite, stammen überwiegend aus den 1960er Jahren, sind also über 50 Jahre alt. Da interessiert es mich seit langem schon, welche Fortschritte eigentlich der Plastikmodellbau gemacht hat.
4. Der Taiping Bausatz wird in der Regel für ca. 180 Euro angeboten. Das hätte ich nie und nimmer bezahlt. Vor über einem Jahr gab es ein Angebot (ich weiß nicht mehr wo) für ca. 70 Euro. Das war es mir dann wert.
5. Für ganz kleines Geld konnte ich einen angebastelten und, was den Rumpf anging, final ruinierten Bausatz erwerben. Für mich ist ein Zweitbausatz immer die Voraussetzung für einen Baubeginn, damit ich nie das Gefühl haben muss, ein zerstörtes oder verlorenes Bauteil könnte das ganze Unternehmen aufhalten oder gar ruinieren.

Zum Folgenden: es wird sich hier weniger um einen klassischen Baubericht und mehr um eine Mischung aus Bericht und Kritik handeln. Dieser Thread soll im Gegensatz zu meinen anderen kurz und überschaubar bleiben.
So schenke ich mir gleich die typische Bausatzvorstellung. Sie ist bereits, ausgezeichnet bebildert, auf Modellmarine.de erschienen:

http://www.modellmarine.de/index.php?opt…-1150&catid=533

Meine Anmerkungen dazu: Das Modell stellt das Schiff aus dem chinesischen Film dar. Es ist also das Modell eines Modells. Von daher erübrigt es sich meines Erachtens, irgendwelche Recherchen nach dem Vorbild anzustellen und das Modell dementsprechend zu modifizieren. So lautet meine knappe, aber wie ich finde nachvollziehbare Begründung für mein „out of the box“.
Wer im Netz ein bisschen recherchiert, findet (wenige) Diskussionen über das tatsächliche Aussehen des Vorbilds. Offenbar ist das Modell zwar auf den europäischen Markt gekommen, hat hier aber für wenig Furore gesorgt. Die Geschichte des Vorbilds und der Film sind im Westen immer noch weitgehend unbekannt.
Ich selbst habe lediglich ein bisschen mit Fotoshop gespielt und die Aufbauten des Bootsdecks reduziert sowie den Schornstein vergrößert. Das Resultat erscheint mir glaubwürdiger, aber wer bin ich, behaupten zu können, eine chinesische Fähre zur Bürgerkriegszeit habe so und nicht anders ausgesehen?




Die Verpackung ist in der Tat sehr schön. Aber ich kann mir lebhaft vorstellen, was Greta Thunberg (herzlichen Glückwunsch zum achtzehnten Geburtstag!) dazu sagen wird. Viel zu viel Pappe, Plastik und Chemie. Jeder einzelne Gussgrad ist noch einmal in Folie verpackt, obwohl alle Teile in ihren „Filzmulden“ liegen. Den großen Karton kann man nur mit geeignetem Werkzeug zerkleinern, meinen werde ich zum Entsorgungshof bringen müssen. Wie gesagt: sehr schön. Aber irgendwie auch gar nicht zeitgemäß. Keine Werbung für unser Hobby.
Keine Farbe nötig! Die Teile sind in schwarz, weiß, und braun gegossen. Es sind eine ganze Menge Teile. Der Übersicht halber habe ich sie einmal ausgebreitet, auf dem Foto fehlen allerdings vier braune Spritzlinge, die unter anderem die Handläufe tragen.



Nur der Rumpf ist zweifarbig, der Unterwasserrumpf ist rot lackiert. Man muss also tatsächlich gar nichts anmalen. Der große Vorsitzende kann das Modell zusammensetzen und danach in den Rat des Volkes gehen, ohne sich vorher die Hände waschen zu müssen.
Kleiner Exkurs: Mehrere Generationen von Plastikmodellbauern haben die Bausätze geliebt und tun das immer noch, weil sie eine Art dreidimensionalen Malgrund liefern, auf dem man alle seine Fähigkeiten im Umgang mit Farbe zeigen kann. Einfaches Lackieren, Übermalen mit wasserlöslichen oder mit Ölfarben, das ganze Spektrum von Airbrush-Techniken. Aber genau dieser Schrei nach Farbe, der von allen Plastikmodellen ausgeht, ist wohl auch der Schrei, mit dem seit einigen Jahrzehnten der (so sehr erwünschte) Nachwuchs für dieses Hobby verjagt wird. Von der Taiping geht dieser Schrei nicht aus, man kann sie zusammensetzen, ohne dass es irgendwo zu vollkommen sinnlosen Farben oder Farbkombinationen kommen würde.
Gerade wird im eBay ein (sauber!) zusammengesetztes und nicht weiter bemaltes Modell angeboten. Aus der Entfernung wirkt es erheblich kleiner, als es tatsächlich ist. Woran das wohl liegt?

https://www.ebay.de/itm/Passagierdampfer…GAAAOSwjyJdvDQS

denn was sind das für Farben? Nun – glänzende Plastikfarben. Das Weiß ist noch harmlos, nur eben Plastikweiß. Ebenso das Plastikschwarz. Das Braun hat nicht so viel von Holz und viel mehr von Plastikmilchschokolade. Zum Rot des Unterwasserrumpfes fallen mir nur nicht jugendfreie Vergleiche ein. Hier mein Zweitrumpf, an dem ich versucht habe, durch Schleifen (links) und Überlackieren ein angemesseneres Rot zu erreichen.



Natürlich funktioniert das Nicht-Anmalen nicht immer, denn alle Gussteile sind technikbedingt einfarbig. Wenn man also ein Deck komplett mit Schanzkleid und Rehling als Gussteil herstellt, muss eine Farbe falsch sein. Wäre das Teil braun, müsste man die Reling weiß streichen – aber das ist verboten. Also hat Herr Hu das Teil in Weiß spritzen lassen und einen Aufkleber beigelegt, der eine braune Plankenstruktur hat. Allerdings musste er bekanntlich im Hinterkopf die avancierten Modellbaufreaks haben, die beim Zwang zu einem solchen Aufkleber das kalte Grausen packen würde. Also haben die Decks (und es gibt viele davon) eine sehr respektabel filigrane Plankenstruktur.
Das Bild unten zeigt drei Möglichkeiten, wie der Modellbauer mit diesem Angebot umgehen kann. Er kann das Deck grau lackieren und die Plankenstruktur hervorheben (unten rechts), er kann den bausatzeigenen Aufkleber (oben) verwenden oder das Aufkleberholzdeck des Herstellers Artwox (links).



Ihr könnt euch wahrscheinlich denken, für welche Variante ich mich entschieden habe.
Soviel für heute. Fortsetzung folgt in Kürze
Schmidt
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9

Dienstag, 5. Januar 2021, 11:45

Da ein Teil der Decks in braunem, ein anderer in weißem Plastik gegossen ist, dauerte es mehrere (dünne!) Überzüge mit grauer Farbe (Humbrol Nr. 28, bei mir Standard), bis alle Teile etwa dieselbe Farbe zeigten. Anschließend habe ich - nein! - keine Ölfarbe aufgetragen. Ich habe damit experimentiert, aber die Ergebnisse hatten mir nicht gefallen. Das von Meng verwendete Plastik ist verglichen mit dem üblichen Material ziemlich flexibel und zäh, es reagiert unangenehm aufs Schleifen, neigt zum Fasern. Ein Anschliff hätte nicht funktioniert, ist aber m.E. für die Ölnummer unerlässlich. Also habe ich mein geliebtes Vandyckbraun in Form einer Gouache aufgebracht. Das ist wasserlösliche Farbe in Tuben. Aufgehellt mit Weiß und - wichtig!!- gestreckt mit Wasser und ziemlich viel Spülmittel, um die Fließfähigkeit und -bereitschaft stark zu erhöhen. Dieses Gemisch habe ich dann nur in die Fugen laufen lassen und ohne weitere Behandlung trocknen lassen. Das ergab nach allen Testvarianten die besten, weil auch sehr dezenten Ergebnisse. Hier ein Foto, aufgenommen während des Vorgangs.



Schmidt
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Realname: Johann

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10

Dienstag, 5. Januar 2021, 12:16

Ein sehr interessanter und kurzweiliger Einstieg in ein Modellbauprojekt, dass man nicht alle Tage zu Gesicht bekommt.
Bin sehr gespannt, was unser Schmid aus dem Plastikmodellbausatz wieder herausholt.
In jedem Fall werde ich das Projekt mit Aufmerksamkeit und Interesse verfolgen.

11

Mittwoch, 6. Januar 2021, 12:53

Waren schon die „Holz“decks der Taiping ein farbgestalterisches Problem, so noch mehr Bordwand und Aufbauten. Ich bin bislang schon mehrfach daran gescheitert, schwarze und weiße glatte Flächen zu meiner Zufriedenheit farblich zu gestalten. Mehrere Modelle befinden sich deshalb in einer Warteschleife. An der Taiping habe ich nun ausprobiert, was ich bislang noch nicht praktiziert habe, ein (im Grunde stinknormales) Draken!
Ich beginne mit den Aufbauten. Zunächst habe ich sie matt weiß gestrichen, um eine bessere Haftung zu erreichen. Dann habe ich sie mit der für die Decks verwendeten Gouache (plus Wasser plus Spüli) gestrichen, allerdings in einem stärker mit Weiß aufgehellten Farbton. Diesen Überzug habe ich verlaufen und antrocknen lassen. Und dann wurde es heikel. Nach mehreren Versuchen mit anderen Materialien habe ich schließlich die Farbe mit einem sehr groben Frotteehandtuch wieder abgewischt, immer von oben nach unten! Es kommt dabei sehr darauf an, wie feucht das Tuch ist. Stippt man es vorher ins Wasser, geht die (wasserlösliche) Farbe vollständig wieder runter. Nach meiner Erfahrung funktioniert das Verfahren am besten, wenn man das Frotteetuch nur leicht mit der Zunge anfeuchtet. Bei neuerlicher Anfeuchtung suche man sich dann allerdings eine „frische“ Stelle, sonst läuft man Gefahr, die Farbe vom Tuch zu lecken. (Soviel ich weiß, ist sie allerdings nicht toxisch.) Das Bild unten zeigt zwei Aufbauten im Zuge dieses Verfahrens. Oben vor und unten nach dem Abwischen.



So viel Aufwand ist nun auch durchaus gerechtfertigt. Die Gravuren sind an den Aufbauten (wie eigentlich an allen Teilen) hervorragend; und Türen und Fenster sowie Bullaugen und Regenabweiser treten erst hervor, wenn sie an ihren Kanten gewisse Schatten bilden. Ich weiß, über den Grad der „Alterung“ von Modellen kann man lange streiten. Da ist auch vieles Geschmackssache. Der Taiping aber nimmt man viel von ihrer Qualität, wenn man nichts tut, um die Details hervorzuheben.
Schmidt
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Realname: Harald

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12

Mittwoch, 6. Januar 2021, 14:56

Hallo Schmidt,

mir gefällt das Foto von den weißen Aufbauten schon gut. Ziemlich starker "used look", aber ich kann mir denken, dass die Taiping im tropischen Klima ziemlich rasch so aussah. Und wie gesagt, es betont schön die Details.

Das Altern des Decks mit wasserlöslichen Ölfarben dürfte auch gut werden.

Also - in Erwartung weiterer schöner Fortschritte_- mit bestem Gruß

Harald

13

Mittwoch, 6. Januar 2021, 17:00

Moin,

sehr schön erklärt. Mir gefällt die "ungewischte" Variante sogar einen Tick besser.

Ingo
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14

Mittwoch, 6. Januar 2021, 18:03

Mahlzeit!

Tatsächlich ein sehr interessanter Baubericht. Ich zähle ja auch zu den ignoranten Langnasen, denen Schiff, Film und dazugehörige Geschichte bislang unbekannt waren, bei "Taiping" denke ich nur an den Aufstand/Bürgerkrieg im Jahrhundert davor. Aber immerhin weiß ich über die Endphase des kaiserlichen China, dass Schlendrian, Schlamperei und Korruption allgegenwärtig und alltäglich waren, sicher erst recht im Bürgerkrieg. Auch wenn ich eigentlich kein Freund starker Alterung bin, meine ich daher doch, dass der Kahn gar nicht verranzt genug aussehen kann..
Kürzer gesagt: Sieht richtig gut aus!
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15

Mittwoch, 6. Januar 2021, 19:45

Die verschmutzte weiße Farbe der Aufbauten (und später nicht nur hier?) ist bei einem kohlebefeuerten Schiff das in Krisenzeiten operiert sicher anzutreffen. Die Passagiere oder besser
Flüchtlinge scherten sich bestimmt nicht drum.
Da gab es übrigens auch mal ein Spielfilm mit John Wayne als Captain :ahoi: eines solchen Flüchtlingsschiffes. Ob das allerdings auch so verdreckt war wie das Schiff aus The Crossing entzieht sich meiner Kenntnis

Wegen des Modells stellt sich allerdings eine viel wichtigere Frage. Nämlich ob die werte Gattin ein derart verdrecktes Modell im Wohnzimmer dulden wird. :pfeif:

16

Mittwoch, 6. Januar 2021, 22:06

Ne, ins Wohnzimmer kommt das Chinesenschiff wohl nicht. Obwohl es nächtens leuchtet. Aber dazu später mehr.
Schmidt
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Freitag, 8. Januar 2021, 13:18

Die Bordwände habe ich genau so behandelt wie die Aufbauten. Wichtig ist das gleichmäßig nebelfeuchte senkrechte Wischen. Zum Glück erlaubt die Arbeit mit wasserlöslichen Farben, den Vorgang beliebig oft zu wiederholen, bis das Ergebnis gefallen kann.



Eine Schwierigkeit beim Altern liegt darin, dass man vor dem endgültigen Zusammenbau nicht genau sagen kann, wie die Teile als Ganzes wirken. Es geht ja um das Zusammenspiel und immer auch um eine gewisse Täuschung des Betrachters. Als sehr positiv hat sich für mich immer die Verwendung EINER Farbe für das Altern erwiesen. Auf diese Art und Weise ist eine gewisse Harmonie der Gesamterscheinung garantiert.
Nun konnten die unteren Decks eingesetzt werden.




Schon beim Einsetzen der ersten Decks beschlich mich eine ziemlich böse Ahnung, die sich später als berechtigt erweisen sollte.
Denn: Was ist eigentlich ein snap-kit?
Da stellen wir uns einmal dumm. Bei einem snap-kit passen die Teile so genau zusammen, dass man keinen Klebstoff zu ihrer Verbindung verwenden muss. D.h. aber auch, dass die Teile nach dem Zusammenstecken eine gewisse Festigkeit haben müssen, damit sie nicht wieder auseinanderfallen. Folglich müssen Nuten und Federn, Pinne und Löcher so absolut genau aufeinander abgestimmt sein, dass man zwar etwas befestigen, aber nicht so leicht wieder los kriegen kann.
Gute Idee.
Schlechte Idee! Ich habe während der ganzen Bauzeit mit diesem Prinzip gehadert. Denn erstens hatte ich durch das Bemalen und das Altern den snap-kit als solchen eigentlich ruiniert. Das bisschen Farbe reichte vollkommen aus, praktisch alles nicht mehr funktionieren zu lassen. Ich musste an allen Verbindungsstellen schleifen, feilen und bohren. Einige der Teile besitzen allerdings nicht nur einen einfachen runden Pinn, sondern einen Pin mit einer „Ecke“, ähnlich wie die Deckel von Kaffeekannen. Das soll dem Modellbauer dabei helfen, sie richtig auszurichten. Dergleichen Superfeinheiten gingen bei meiner Schleiferei natürlich verloren.



Der Versuch, Pinne ohne Vorbereitung einzusetzen, scheitert übrigens mehrfach kläglich. Die Kraft, die ich dabei aufbringen musste, reichte aus, die filigranen Teile zu zerstören. Gut, dass ich einen Ersatzkit besaß; ich habe etliche Teile davon gebraucht.
Auch die (sehr vielen) Scheibeneinsätze ließen sich nicht so in die Aufbauten drücken, wie Herr Hu das sicher vorgesehen hatte. Ohne das unten gezeigte Werkzeug hätte ich kein einziges Bullauge verglasen können. Wobei besagtes Werkzeug immer sehr vorsichtig eingesetzt werden musste.



Das zweite große Problem bestand darin, dass man bei einem snap-kit nur einen einzigen Versuch frei hat, Teile zusammenzustecken. Probieren verboten! Unser "normaler" Modellbau besteht allerdings darin, Sachen immer wieder zu testen, bis man sich einigermaßen sicher ist, dass man jetzt zu einer festen Verbindung durch Kleben schreiben kann. Dagegen habe ich durch besagtes Schleifen und Bohren anzuarbeiten versucht, allerdings passen die großen Decks mit ihrer angespritzten (und sehr empfindlichen) Reling so super exakt auf die Aufbauten, dass man es tunlichst unterlassen sollte, sie nach der ersten Verbindung noch einmal zu trennen. Ich konnte das an den Teilen des verbastelten Bausatzes testen. Folglich war ich gewarnt.

Nun soll keineswegs der Eindruck entstehen, ich wollte über den Bausatz und die Teile meckern. Die folgenden beiden Bilder zeigen die große Ankerwinsch und den vollständig bestückten Bug des Schiffes. Damit bin ich vollkommen einverstanden und übermittle Herrn Hu ein Kompliment. Die Ankerwinsch besteht übrigens aus über 20 Einzelteilen. Auch hier hatte ich leider den Fehler begangen, die Teile vor dem Zusammenbau zu streichen, was die Passgenauigkeit dramatisch verminderte. An einigen Stellen musste ich Klebstoff zur Hilfe nehmen, weil nach einem Anschleifen an den Verbindungsstellen die Teile zu locker saßen.




Schmidt
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18

Samstag, 9. Januar 2021, 10:52

Hallo Schmidt,

sehr interessant bis jetzt und das Ergebnis kann sich sehen lassen! Ich werde dir hier folgen.

Grüße, Marcus

19

Sonntag, 10. Januar 2021, 15:28

Wer schon einmal das Modell eines älteren Passagierschiffs gebaut hat, der weiß, dass es hier eine besonders schwierige Region gibt: der Bereich der offenen Gänge zwischen Aufbauten und Bordwand. Auch bei der Taiping hat dieser Bereich die Konstrukteure an den Rand der Möglichkeiten eines snap-kits gebracht. Es müssen nämlich Dutzende Stützen eingesetzt werden, die nun wirklich nicht an die darüberliegenden oder die darunterliegenden Decks angespritzt werden können und die sowohl oben wie exakt passen müssen, damit die Decks montiert werden können. Ähnliches gilt für die Reling im unteren Bereich. Hier müssen nun tatsächlich wie bei einem „normalen“ Plastikmodell viele Teile separat eingesetzt werden. Doch die eigentliche Schwierigkeit zeigt sich, wenn das jeweils obere Deck aufgesetzt werden soll – ohne Kleber! Ich musste schließlich einen kleinen Hammer mit „Plastikdämmung“ einsetzen, um die Teile fest und glatt aufeinander zu bekommen. Mit dem Hammer konnte ich den Druck gut platzieren. Eine Arbeit mit Daumen und Fingern hätte wahrscheinlich zu Beschädigungen geführt, die kaum zu reparieren gewesen wären. Man muss die Bauanleitung wirklich ganz genau lesen, um die Teile in der einzig möglichen richtigen Reihenfolge zusammenzusetzen. Spätere Korrekturen sind weitestgehend ausgeschlossen.




So bastelt man sich die 3 Decks hoch. Am Ende der Bauanleitung gibt es einen diskreten Hinweis zur farblichen Gestaltung über die des Bausatzes hinaus. Sie besteht eigentlich nur darin, dass man die Handläufe der Reling braun und den Schornstein grau streichen soll.
Die Reling ist ganz ohne Zweifel eine Schwachstelle des Modells, wie sie es allerdings auch bei anderen Plastikmodellen in diesem Maßstab ist. Sie ist zu massiv. Eigentlich müsste man ein Ätzteil verwenden, aber den Aufwand stelle ich mir gigantisch vor. Ich habe stattdessen die Reling ebenfalls mit der bereits erwähnten Gouache bearbeitet. Dabei ging es weniger darum, den Farbton zu verändern (das allerdings auch) und mehr darum, durch Schattenbildungen in den Ecken und Kanten die Reling etwas filigraner aussehen zu lassen. Ich denke, das hat ganz gut funktioniert.



Schmidt
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20

Sonntag, 10. Januar 2021, 15:54

3. Die Bausätze, mit denen ich seit Jahren arbeite, stammen überwiegend aus den 1960er Jahren, sind also über 50 Jahre alt. Da interessiert es mich seit langem schon, welche Fortschritte eigentlich der Plastikmodellbau gemacht hat.


Ich schau auch mal zu.

Mittlerweile gehen gefühlt Wunderwerke in Spritzguss, vor allem mit mehrteiligen Formen. Hab mich mal überzeugen lassen, einen aktuellen Panzerkit zu bauen. Von der Formqualität war ich entzückt.

Ich bin auf dein Fazit gespannt.

Grüße

Rob

21

Dienstag, 19. Januar 2021, 15:25

Und – fertig. Ab einem gewissen Zeitpunkt vollzog sich die Montage wie' s Brezelbacken. Ab der nächste! Es folgen ein paar Fotos.















Ganz frisch sieht der Kasten nun wirklich nicht aus. Aber was er an Plastikstrahlkraft verloren hat, hat er vielleicht an Charakter gewonnen. Besonders den 4 (!) Rettungsbooten hat die Farbbehandlung einiges an Tiefenwirkung verpasst. Vorher sahen sie aus wie Pfefferminzbonbons.
Der kritische Zuschauer wird bemerken, dass die Masten und die Ladebäume praktisch ohne stehendes und laufendes Gut auskommen müssen. Zu solchen Anforderungen schweigt der snap-kit und stellt sich dumm. Es liegt auch kein entsprechendes Material bei, nur sieht man auf der Abbildung mit den ergänzenden Bemalungshinweisen ein paar verschämte Taue. Ich überlege jetzt, ob sich mit vertretbarem Aufwand hier noch ein bisschen was machen lässt.
Schmidt
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Realname: Harald

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22

Dienstag, 19. Januar 2021, 22:15

Der kritische Zuschauer wird bemerken, dass die Masten und die Ladebäume praktisch ohne stehendes und laufendes Gut auskommen müssen.


Das hätte dieses besondere Modell aber verdient! Und ein büschen an den Davits ...

Ich finde die Rumpflackierung sehr überzeugend!

Mit bestem Gruß

Harald

23

Mittwoch, 20. Januar 2021, 19:24

Mahlzeit!

Wirklich schön und überzeugend vergammelt, aber so ganz ohne Strippen sieht das doch sehr nackt aus.
Ein guter Rat des Vaters an den Sohn:
Halte stets mit allem Maß-mit dem Essen,dem Trinken und dem Arbeiten.Vor allem mit dem Arbeiten.
-Otto von Bismarck

24

Donnerstag, 21. Januar 2021, 11:46

Das ist eine sehr stimmungsvolle Interpretation dieses Bausatzes geworden.
Das Weathering steht dem Kit wirklich gut. Hoffentlich bekomme ich das irgendwann auch so gut hin.

Nachfolgend noch ein paar Infos, die vielleicht hinsichtlich diverser Details, zum Beispiel der Ausgestaltung der Kräne, helfen könnten.

Vorab: Mein Kit sieht mich seit Jahren eher vorwurfsvoll aus dem Regal an.
Hinsichtlich der Verpackung muß ich klar sagen, daß ich diese für eine der besten je gemachten Kit-Verpackungen aller Zeiten halte.
Kein Kit hat mir jemals mehr Freude beim Auspacken bereitet als dieser hier. Das war beim ersten Aufmachen ein Gefühl wie Weihnachten und Geburtstag zusammen.
Endlich mal keine schlappe Pappe sondern ein guter, hochwertig gestalteter Karton mit sorgfältig verpackten Teilen ... genau das was Modellbauer seit vielen Jahren immer wieder aus gutem Grund fordern.
Endlich mal wieder ein richtig gutes gestaltetes Deckelbild, dazu im Stil eines Ölgemäldes auf Leinwand.

Die Anleitung ist endlich mal keine Ansammlung billigster Kopien, mit Glück geklammert, sondern ein Handbuch, das diese Bezeichnung im wahrsten Sinne des Wortes tatsächlich verdient. Nicht am Rücken geklebt sondern echt gebunden ! .. mit Hardcover ! guter Farbdruck !... Welten besser als ein Taschenbuch mit Softcover.
Mag sein, daß es mir deshalb so gut gefällt weil ich Bücher generell nicht als Wegwerfartikel betrachte ... insbesondere wenn wie hier die Qualität stimmt.

Der Inhalt ist zwar auf Chinesisch, aber mit gut verständlichen Grafiken und Farbangaben zum Schluß für all diejenigen, die mehr als nur einen schnellen Steckbausatz mit Aufklebern wollen.
Der ganze Kit ist ja nicht nur als Steckkit gemacht sondern bietet fast durchwegs jedem klassischen Modellbauer die Möglichkeit sich nach Belieben durch Kleben, Supern und Bemalen auszutoben ... was dieser Baubericht ja mehr als eindrucksvoll beweist.

Wenn man es will kann man die Verpackung gut in die Hauptbestandteile zerlegen und "sortengerecht" entsorgen ... das Kunststoffinlay fällt einem geradezu entgegen ... aber wer macht schon sowas bei einer so gut gemachten Preziose, die ähnlich alten Märklin-Verpackungen auch noch 100 Jahre halten kann und sehr dekorativ auch noch bei unseren Urenkeln sein kann ? Ich sehe das weitaus mehr als nachhaltig gute Qualität, die man eben nicht entsorgt ... für mich nicht nur zeitgemäß sondern zukunftsweisend eben nicht alles gleich wegzuwerfen ... zudem wenn es so schön und sorgfältig gefertigt ist.

Der Kit:
Zu den meisten Bau- bzw Kitbeschreibungen auch auf anderen Websites sei gesagt, daß sich praktisch fast alle Rezensenten hinsichtlich der Beschreibung des Rumpfes gewaltig irren.
Dieser Rumpf ist NICHT aus rotem und schwarzen Plastik in einer Form gleichzeitig gefertigt.
Der Rumpf ist auch NICHT aus schwarzem Plastik und danach das Unterwasserschiff rot lackiert ... deswegen kann man diesen roten "Lack" auch nicht bearbeiten ... ist einfach keiner.

Tatsache ist, daß der Rumpf durchgehend aus dem zu sehenden dunkelroten Plastik gefertigt ist und alle Bereiche oberhalb der Wasserlinie außen und das komplette Rumpfinnere schwarz lackiert sind.
Sinn dieser schwarzen Lackierung ist es wahrscheinlich, daß A. Rot auf Schwarz schlechter zu lackieren ist und B. der Rumpf nicht durch die LED-Beleuchtung rot zu schimmern anfängt.
Wers nicht glaubt kann ja mal tief im Rumpfinneren vorsichtig an einer wenig sichtbaren Stelle die schwarze Farbe abkratzen ... funktioniert !

Immer wieder wird berichtet zu diesem Schiff gäbe es keine passenden Vorbilder ... ganz so stimmt auch das nicht.
Das mag zum einen der Historie geschuldet sein, daß man vielleicht zum originalen, tatsächlich untergegangenen, Schiff praktisch keinerlei Unterlagen finden konnte.
Die Unterlagen von MENGS Website deuten auf ein originales Schiff hin, das in den 1920ern an den Great Lakes in den USA in der Manitowoc Schiffswerft gebaut worden sein soll ... mit anschließendem Umbau für China ...
Nun denn ... irgendwie führte das bisher regelmäßig ins Nirvana.

Der Filmproduzent mußte dann eben ein passendes, tatsächlich existierendes Vorbild aus fraglicher historischer Periode der 20er suchen ... was ihm fraglos gelungen ist.
Man muß sich halt von dem Original des tatsächliche Schiffsuntergangs als solches verabschieden.

Wenn wir ein wirklich existierendes Vorbild zum Modell des Film-Schiffes suchen so findet sich tatsächlich eine TAIPING und ihr Schwesterschiff CHANGTE .
Das sind in der Tat nicht irgendwelche Schiffe ! Diese Schiffe sind dem Film-Schiffsmodell wie aus dem Gesicht geschnitten ! ... nun ja als Nachbau eigentlich genau umgekehrt ...

https://www.oldchinaships.com/

und bitte ganz bis zum Ende runterscrollen !
Auf Firefox ist das derzeit nicht so dolle zu sehen, ich empfehle diese Website mit dem Chrome-Browser anzuschauen.

Beide Schiffe entsprechen der fraglichen historischen Epoche ... sind Baujahr 1925.
Beide wurden aber in der in der Hong Kong & Whampoa Dock Co. Ltd, Hong Kong gebaut.
Es gibt auch noch weitere Schiffe dieses generischen Typs.

Der Typ ist ein "China coaster design" mit zusätzlichen Passagierkabinen und zusätzlichem Kühlfrachtraum.
Beide Schiffe hatten ein bewegtes Schiffsleben über 35 Jahre hinter sich und wurden erst 1961 verschrottet.
Ein trauriges Untergangsszenario a la "Crossing" findet sich in dieser Historie aber nicht.

Dafür aber schon einige recht gute Photos die auf, vorsichtig ausgedrückt, sehr enge Verwandschaft zwischen dem Filmschiff und den vorliegenden Originalschiffen schließen lassen. Hier zeigt sich auch, daß die Aufbauten auch in ihrer Höhe sehr stimmig wiedergegeben wurden. Das war wohl tatsächlich so.

Bis auf wenige Details passen die im Modell dargestellten Aufbauten zu denen der Originale, lediglich die Oberkante der Bordwand und Reling wurde im Modell bzw. Filmschiff begradigt dargestellt .. was man sicherlich einer Moderniserungsaktion zuordnen könnte. Auf den verschiedenen Bildern auch der nachfolgenden Links sind diverse Modernisierungsmaßnahmen an kleinen Veränderung bemerkbar ... aber nichts großartiges.
Auf den Originalbildern sind zwar drei Rettungsboote zu sehen, die aber deutlich näher zusammenstehen als die beiden des Modells. ... mit zwei Stück paßt es halt zum Film.
Der Aufbau selbst ist aber etwa gleich lang . Auf dem Filmmodell hätten die drei deshalb auch gut Platz gehabt ... bei angepaßter oberster Reling und einem weiteren Paar Davits.
Das gilt auch für die Rettungsboote im Heckaufbau ... Platz genug wäre auch im Modell da. Letztendlich weist auch das auf den gemeinsamen Ursprung hin.

Die Originalschiffe waren auch in der Gesamterscheinung eher kompakt gebaute, gedrungene Erscheinungen mit beeindruckend hohen Aufbauten.
Durchaus auffällig ist aber schon, daß die Originalschiffe auf den Photos selbst kurz vor der Verschrottung keinen sehr verlebten, schmutzigen Eindruck machten. Patina definitiv ja ... aber nicht ungepflegt.

Nochmals Links zur SS CHANGTE

https://en.wikipedia.org/wiki/SS_Changte_(1925))

und hier zur SS TAIPING

https://www.wikidata.org/wiki/Q7394434
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:…ping_(ship).jpg
http://www.shipspotting.com/gallery/photo.php?lid=1495935

Hier noch ein PDF mit durchaus interessanten frühen Bildern, teils noch aus der Bauphase:

https://ede5a11b-cbd0-4cc4-99c1-e4269092…76c77e4e24e.pdf

Beachte hier insbesondere die Seiten 6-8. Es handelt sich um Schiffe des gleichen Typs mit ähnlich hohen Aufbauten aber leicht variierenden Längen.
Sie sind mit einer Länge von ca 107 Metern angegeben.

Das Modellschiff käme bei 1/150 umgerechnet auf rund 80 Meter ... was bis zu einem gewissen Grad auch eine kürzere, eher auf Passagiertransport als Fracht gebaute Bauvariante darstellen könnte.

Wenn man aber im Graphikprogramm Filmschiff und Originale übereinander legt und die praktisch identischen Aufbauten als "menschliches Maß" als einheitlichen Vergleichspunkt setzt paßt es wieder.
Die Proportionen und Höhen sind dann sehr stimmig und dann ist der Längenunterschied aber nicht mehr so sehr wie es die Zahlen zunächst vermuten lassen.
Das läßt eher darauf schließen, daß der Modellmaßstab des MENG-Kits mehr Richtung 1/160 plusminus X geht ... was wiederum eine Rumpflänge von grob 90 Metern ergeben würde.

Ja, der Rumpf dieser Originalschiffe ist auch dann noch etwas länger ... sowohl vor den Aufbauten als auch ein kleines Stückchen zwischen den Aufbauten im Heckbereich ... eine Idee für einen Umbau zum Original ?
Bei dem Kitpreis ist ein dazu notwendiger zweiter Rumpf eher wenig wahrscheinliches Projekt ... vielleicht bei einem ergänzenden billigen Schrottkit ... aber auch dazu sollte genug Begeisterung für ein fernöstliches Schiff der 20er Jahre vorhanden sein um solch ein Projekt durchzuziehen.
Grüße aus dem "Wilden Süd-Westen"
Markus

"When all else fails ... Read the instructions" ( LINDBERG 1965 )

Youth, talent, hard work, and enthusiasm are no match for old age and treachery !
( In memoriam Prof. John A. Tilley, † 20.07.2017 )

25

Samstag, 23. Januar 2021, 10:31

Lieber Markus,
vielen Dank für die vielen interessanten Daten zu dem Vorbild für diesen Bausatz. Wenn es jetzt noch darum geht, Masten und Ladebäume etwas wirklichkeitsgetreuer darzustellen, finde ich darin ausgezeichnete Orientierungshilfen.
Grundsätzlich teile ich deine Einschätzung, dass man den Bausatz auch „als Profi“ bauen kann. Man muss dann allerdings unbedingt beachten, dass jeder Farbauftrag an Verbindungsstellen, und mag er noch so dünn sein, die Passform erheblich beeinträchtigt. Weiß man das, ist es kein großes Problem. Beachtet man es nicht, läuft man die große Gefahr, durch übertriebenen Kraftaufwand beim Zusammenstecken Teile zu beschädigen oder gar zu zerstören. Und ich weiß nicht, wie die Ersatzteillieferung aus China funktioniert. Möglicherweise nicht so „gut“ wie zum Beispiel bei Revell, wo die Produktion hierzulande stattfindet.
Was die Farbbehandlung des Rumpfes angeht, gebe ich dir aus meiner Erfahrung vollkommen recht. Die Beleuchtung ist ein eigenes Kapitel, dass ich an dieser Stelle aber noch behandeln werde.
Schmidt
Restaurierung eines Werftmodells aus dem Jahre 1912 jetzt als Webseite: http://kaiserfranzjoseph.de/
Über das Bemalen mit Humbrol- und Ölfarben: http://www.wettringer-modellbauforum.de/…9193#post739193

26

Donnerstag, 13. April 2023, 11:36

Und hier ist sie wieder, die traurige klobige chinesische Fähre. Unlängst habe ich in einem anderen Baubericht das Foto eines Dioramas gezeigt, das mir noch einmal klargemacht hat, wie langweilig meine eigene Präsentation dieses Modells ausgefallen ist. Oob liegt mir einfach nicht.








Während ich nun an dem felsigen Küstenhintergrund für den Phoenix in Not baue, ist mir eingefallen, dass ich vielleicht auch das unscheinbare Passagierschiff in ein dramatisches Szenario einbauen könnte. Dazu muss natürlich zuerst einmal der Unterwasserrumpf weg, um das Modell problemlos positionieren zu können. Flugs hatte ich den Dremel in der Hand, doch nach ein paar Minuten fruchtloser Arbeit fiel mir dann ein, wie dick das Plastik des Rumpfes ist und, schlimmer noch, wie aufwändig er im Inneren versteift ist, um Aufnahmeträger für die Decks parat zu halten. Die Entfernung des Unterwasserrumpf vollzog sich dann ungefähr so wie beim Abwracken eines Originals: Stück für Stück für Stück. Dabei ist das Modell und sind in Sonderheit die Aufbauten geradezu explodiert. Bei vielen der Teile hatte ich damals von dem Angebot des BausatzesGebrauch gemacht, sie ohne Verklebung einzustecken. Jetzt flogen sie förmlich aus ihren Halterungen.





Hier das Ergebnis der Arbeit. Auf die Kollateralschäden will ich nicht großartig aufmerksam machen. Es wird auf einen Neuaufbau hinauslaufen, aber den traue ich mir zu. Natürlich habe ich zur Steigerung der Dramatik den Unterwasserrumpf so entfernt, dass das Modell mit einiger Schlagseite auf der Wasserplatte auffliegen soll.









Ich habe bei der Gelegenheit gleich den Aufbau auf dem Bootsdeck hinter der Brücke so weit reduziert, dass er nur noch eine Art Schornsteinplattform ist. Schon zu Beginn des Bauberichts hatte ich eine Fotomontage erstellt, auf der dieser Aufbau verschwunden und dafür der Schornstein angemessen vergrößert ist. Das Modell erscheint mir in dieser Form ansprechender und eher in der Lage, ein gängiges Passagierschiff dieser Zeit und Größe darzustellen.









Schmidt, der hofft, dass bei der Explosion der Aufbauten nicht allzu viele Teile in dem leidlich bekannten Paralleluniversum unterhalb der Werkbank verschwunden sind
Restaurierung eines Werftmodells aus dem Jahre 1912 jetzt als Webseite: http://kaiserfranzjoseph.de/
Über das Bemalen mit Humbrol- und Ölfarben: http://www.wettringer-modellbauforum.de/…9193#post739193

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