Das Wettringer Modellbauforum

Modell: Fijian Outrigger / später Polynesian Outrigger Canoe
Hersteller: PYRO ( KLEEWARE, MARUSAN )
Modellnr.: 319-.89 ( # C 254-100 )
Masstab: unbekannt ( geschätzt um 1/30-35 )
Teile: 25
Spritzlinge: 4 rot Styreneplastik, 1 gelb tiefgezogen
Preis: 89 US-Cent im Jahr 1959
Herstellungsjahr: späte 1950er
Verfügbarkeit: nur Modellantiquarisch bzw Internet-Auktionsplattformen
Besonderheiten: meines Wissens einziger Plastikbausatz eines Auslegerbootes


PYRO war von den 1950ern bis Anfang der 1970er einer der ganz großen Pioniere der Kunststoffbausätze.
Die Firma war maßgeblich an der Entwicklung der dazu erforderlichen Maschinen beteiligt.
Noch heute sind viele der damaligen Bausätze bei anderen Formen erhältlich. Die meisten davon heute bei LINDBERG.

Bereits Ende der 1950er legte PYRO sehr mutig eine Serie der „Round the World Boats“ auf.
Es ging nicht primär um den maximalen Profit sondern darum aus mehreren Bereichen die interessantesten Vorbildschiffe wiederzugeben.
Dank dessen haben wir Modellbauer die Möglichkeit ein paar sehr außergewöhnliche Schiffe bauen zu können, die sonst Niemand im Programm hat.

Hier eine „Round the World Boats“-Annoce der Firma PYRO aus dem Jahr 1959



Etwa 1963 wurde die „Round the World Boats“ Serie weitgehend eingestellt. Die Kits gab es natürlich weiterhin .. teils unter anderem Namen.

Stellvertretend für den pazifischen Raum wurde von PYRO das bis heute existierende Auslegerboot gewählt.
Mit einfacher aber sehr effektiver Navigation wurden auf diesen Schiffen riesige Strecken zurückgelegt.
Sie haben damit während der letzten Jahrtausende einen Großteil des Pazifiks bevölkert. Natürlich zunächst nur die hohen Inseln. Für die flachen Koralleninseln ist dagegen erst ab dem 13. Jahrhundert eine Besiedelung nachweisbar.

Hier eine Abbildung wie historische Versionen dieser Auslegerboote ausgesehen haben …
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/c…e-Viti-ship.jpg

Da es sich bei diesen Einbaumtypen, trotz aller konstruktiver Gemeinsamkeiten, immer um Einzelstücke handelte, sahen natürlich alle unterschiedlich aus.

Ein sehr schöner Artikel dazu mit vielen historischen Abbildungen ist diese Abhandlung:
https://www.jps.auckland.ac.nz/docs/Volu…PS_124_4_02.pdf

Verschiedene konstruktive Details finden sich in diesem Artikel:
https://core.ac.uk/download/pdf/5101737.pdf

Die charakteristische Krabbenscheren-Form des Segels mutet ein wenig merkwürdig und antiquiert an. Tatsächlich handelt es sich aber um eine der effektivsten Segelarten überhaupt.
Es gibt wohl nur wenige Segeltypen die mit so extrem einfachem Aufbau und kostengünstiger Konstruktion mithalten können.
Infos Segeltypen https://www.multihull.de/technik/t-sailtypes.htm


Doch nun zum Bausatz:

Die Geschichte dieses PYRO-Bausatzes beginnt Ende der 1950er Jahre.

1959 erschien der Fijian Outrigger 1/35 #319-.89.
Ja, richtig gelesen, gerade mal 89 US-Cents mußte man dafür bezahlen.

Die farbenfrohe Schachtel zeigt die von Howard W. Arnold geschaffene Boxart.
Zwei Südseeinsulaner auf dem Auslegerboot irgendwo im Pazifik zwischen Inselchen.
Inhalt gelbes Segel und Plastikäste in verschiedenen Rottönen.



Anfang der 1960er wurde dieser Kit in Kooperation auch bei der britischen Firma KLEEWARE in England vermarktet.
Mit fast unveränderter Grafik ... statt Pyro-Logo mit dem Kleeware-Logo.
Im Kit: Weißes Segel, blaue Spritzlinge.





Eine weitere Vermarktung erfolgte in den frühen 1960ern innerhalb des "Round the World Boat Geschenk-Sets" #230.
Es beinhaltete drei Schiffsmodelle: die Bermuda Yawl, Burmese Paddy Boat und den Fijian Outrigger.
Es zeigt aber auch drei nie realisierte Modelle (leider) … so recht erkennen kann ich dabei aber nur die venezianische Gondel.




Für Geschäfte, deren Schaufenster und Vitrinen, gab es fabrikgefertigte dreidimensionale Displays, die das Modell in einer Südseekulisse aus Pappe zeigten. Das war damals bei fast allen Modellbaufirmen so üblich.




1965 gab es bei PYRO die letzte Wiederauflage.
Mit neuem Namen und ein paar Teilen weniger erschien der Kit als Polynesian Outrigger Canoe #c254-100.

Schachtel und Schauplatz noch immer in der Südsee ... aber etwas nüchterner gestaltet. Diesmal zeichnet A.J. Rudisill für die Boxart verantwortlich.
In dieser Auflage ist das Segel aus weißem Kunststoff tiefgezogen und die sonstigen Bauteile aus mittelbraunem Kunststoff.
Unterschied zur Erstauflage: Drei Teile wurden weg gelassen .. die beiden Figuren und das Namensschild.









1967 erfolgte der Vertrieb in Japan durch MARUSAN.
Ich kann es auf das Jahr 1967 eingrenzen weil in diesem Jahr das runde SAN-Logo eingeführt wurde … und 1968 die Firma nach vielen Jahren Pleite ging.
So wirklich viel Mühe gaben sich die Japaner dabei nun wirklich nicht sondern klebten einfach das eigene Logo unter das PYRO-Logo.
beachtet das fast schon durchsichtige Segel, rote Spritzlinge

Info: Marusan hatte mit vielen Modellbaufirmen Kooperationen … wer mehr mehr dazu wissen will
https://en.wikipedia.org/wiki/Marusan_Sh%C5%8Dten










Kommen wir zum Kit und seinen Bauteilen:

Der Schachteldeckel



Die Schachtelseiten mit Infos zu anderen PYRO-Kits







Beim Öffnen der Schachtel fällt uns zuerst das aus gelbem Kunststoff tiefgezogene Segel auf.



Darunter befinden sich vier sehr sauber gravierte Gießäste aus orangerotem Kunststoff.
Die Teile sind fein graviert ... mit dezenter Holzmaserung und sehr ansprechender Wiedergabe von Bambushölzern.
Die Ausstoßermarker befinden sich, wo immer möglich, auf der Unterseite oder Innenseite ... vorbildlich !
Da hat schon vor fast 60 Jahren jemand sehr gut mitgedacht !





Weniger überzeugend sind die beiden beiliegenden Figuren ... nein, keine Südseeschönheiten ...
( sie schrammen knapp am Homo erectus vorbei ... das war so vor 500.000 bis 1 Million Jahren ) ... vermutlich deswegen wurden sie aus der 1965er Wiederauflage entfernt.

( wobei mich der Gang durch eine Fußgängerzone einer Großstadt am Wochenende zwar nicht völlig vom Gegenteil überzeugt ... aber durchaus am einen oder anderen Ansatz der Evolutionstheorie leise zweifeln läßt ... )

Die Bauanleitung.
Sie ist gefaltet, etwa A4 groß und beidseitig bedruckt. Eine Seite davon zeigt eine Kurzübersicht über das 1959er Pyro-Programm.
Auf der anderen Seite Bau und Rigging des Kits in Form mehrerer Explosionszeichnungen und Skizzen ... ergänzt durch schriftliche Infos.







Fazit: Sehr außergewöhnlich, zwar selten, aber nicht allzu schwierig diesen Kit zu bekommen.
Und das macht richtig Spaß mal was ganz anderes im Regal zu haben.
Mit guter Farbgebung läßt sich ein sehr überzeugendes Modell eines hochseefähigen Auslegerkanus bauen.
Have fun !

Last but not least … welch überzeugend gute Basis PYRO damals geschaffen hat kann man hier im Forum sehen.
Schmidt hat diesen Kit so toll und realistisch gebaut, daß er nur schwer von einem Original zu unterscheiden ist
Schaut in den Baubericht.

Zum Baubericht: Plastik: Polynesian Outrigger Canoe (Pyro)