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Dienstag, 28. Juni 2016, 10:35

Schaufelradschlepper in Seenot

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob dieser Beitrag hierhin gehört, aber...

Vor Kurzem habe ich ein Ölgemälde erworben, 60 an 80 cm, Maler kaum nachzuweisen (signiert H.A. Klein), entstanden vielleicht um 1900.

Hier eine fotogr. Reproduktion, die die Farben leider nicht allzu gut wiedergibt. Der Eindruck des Originals ist wesentlich intensiver.



Nun bin ich bei der Recherche nach der Geschichte hinter dem Bild.

Ich habe zunächst einmal Kontakt zu einem ausgewiesenen Fachmann für das deutsche Seenotrettungswesen ausgenommen. Quintessenz seiner Anmerkungen:

- Es handelt sich nicht um einen deutschen Schlepper.
- Der rote Wimpel könnte ein Seenotzeichen sein.
- Das Rettungsboot sieht weniger wie ein professionelles, am Strand in Bereitschaft gehaltenes Boot und mehr wie ein Rettungsboot des Schleppers aus.
- Die rote Tonne markiert den Rand eines Fahrwassers.

Im Ganzen hat der Mann auch meine erste Theorie bestätigt, die dahin geht: Im Laufe der Zeit wagten sich selbst die kleinen Schaufelradschlepper immer weiter aus den geschützten Häfen und Flüssen heraus, um bereits auf offener See einlaufenden Schiffen ihre Schleppdienste anzubieten. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Freilich gehen die empfindlichen und eigentlich nicht hochseetüchtigen Schiffe dabei ein großes Risiko ein. Bei Sturm und starkem Seegang, vor denen sie noch kein Wetterbericht über Funkt warnt (weil noch nicht erfunden) geraten sie leicht in Seenot. Überkommendes Wasser setzt die Maschine außer Betrieb. In schwerer See geraten die Schaufelräder leicht aus dem Wasser, so dass kein Antrieb mehr besteht und man das Schiff nicht gegen den Wind halten kann usw.
Im hier wiedergegebenen Fall könnte der Kapitän mglw. befohlen haben, aufs Land zuzuhalten, um bei Erreichen seichten Wassers die Mannschaft von Bord gehen zu lassen.
Und jetzt - bitte ich ausnahmsweise mal um Widerspruch! Sieht jemand von euch die Sache anders? Wie auch immer? Über Beiträge zu meiner Recherche würde ich mich sehr freuen. Danke.
Schmidt
Restaurierung eines Werftmodells aus dem Jahre 1912 jetzt als Webseite: http://kaiserfranzjoseph.de/
Über das Bemalen mit Humbrol- und Ölfarben: http://www.wettringer-modellbauforum.de/…9193#post739193

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Dienstag, 28. Juni 2016, 15:24

Im Zuge der Recherche zu einem anderen Schaufelradschlepper habe ich buchstäblich hunderte dieser liebenswerten Schlepper durchwühlt.

Als sehr ... und zwar wirklich sehr ungewöhnlich empfinde ich die offenen Schaufelräder.
Selbst zur Frühzeit der Schaufelradler war die Entwicklung sehr bald hin zu Abdeckungen weil unglaublich viel Waser und auch Dreck aufgewirbelt wurde.
Diverse Gemälde und später auch Photos zeigen, daß diese Abdeckungen auch bei schweren Havarien nur selten verloren gingen.

Die Maschine könnte, durch die Rauchentwicklung indiziert, durchaus noch in Funktion zu sein ...
die Titanic ist ja auch trotz funktionierender Maschinen abgesoffen.

Ein erster Eindruck
Grüße aus dem "Wilden Süd-Westen"
Markus

"When all else fails ... Read the instructions" ( LINDBERG 1965 )

Youth, talent, hard work, and enthusiasm are no match for old age and treachery !
( In memoriam Prof. John A. Tilley, † 20.07.2017 )

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Dienstag, 28. Juni 2016, 15:34

Als sehr ... und zwar wirklich sehr ungewöhnlich empfinde ich die offenen Schaufelräder.


Ich für mein Teil sehe nur das Schaufelrad an Steuerbord ohne Abdeckung. Erkennbar (auf dem Original besser) ist, dass die Gischt des Rades quer über das Schiff geweht wird. Hat vielleicht der starke Wind, der ja auch von Steuerbord kommt, zu einem Stau im Kasten geführt und die Abdeckung weggerissen?

Schmidt

PS: Hast du vielleicht ein Foto eines möglichst ähnlichen Vertreters dieser Gattung zur Hand? Ich persönlich würde tippen, dass es sich um ein hölzernes Schiff handelt. Danke
Restaurierung eines Werftmodells aus dem Jahre 1912 jetzt als Webseite: http://kaiserfranzjoseph.de/
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Mittwoch, 29. Juni 2016, 12:00

Bin jetzt eine gut dreistellige Zahl Bilder durchgegangen ... nirgendwo ist ein solcher Schaden dokumentiert ...
auch nicht in den Stichen der Zeitungen die gerne Mal Katastrophen bildlich darstellten ...
andererseits gab es wohl tausende solcher Tugs und nur mit einem anderen Suchbegriff könnte jederzeit was auftauchen.

Eine weitere Frage könnte sein ab wann dieser Fahrwasser-Tonnen-Typ verwendet wurde ?
Damit ließe sich der frühestmögliche Zeitpunkt abgrenzen.


Weiter zum Schiff:

Ein möglicher Typus wäre etwas aus der Art wie die Appleton Hall
https://www.tynetugs.co.uk/eppletonhall1914.html

Auch wenn die Appleton Hall im Laufe der Jahre immer wieder mal modifiziert wurde so ist es der generelle Typus Seitenrad mit einem Kamin, Mast vorne und Brücke mit Kabine ...
( will sagen es gibt auch diverse andere Typen mit zwei Kaminen, parallel oder in Serie, zwei Masten, Brücke ohne Aufbau usw.... )

Ein wenig irritierend empfinde ich auch die Bullaugen als Verglasung ...
eher selten ... viele sind eher quadratisch verglast (oder offen) ...
aber warum nicht ... alles scheint möglich ... irgendwie sind das alles tausende individuelle Einzelstücke.

Nochmals am Beispiel der Appleton Hall wie extrem sich ein einziges Schiff im Laufe der Jahre veränderte weil es den Anforderungen der jeweiligen Eigner angepaßt wurde ...
zuweilen kaum zu glauben, daß es sich um ein und dasselbe Schiff handelt.
https://www.searlecanada.org/sunderland/sunderland208.html
Der heutige geistige Stillstand bei Restaurierungen ist im historischen Kontext geradezu absurd.

Man sollte dabei auch nie vergessen, daß dampfgetriebene Seitenradschaufel-Tugs bis weit in die Mitte des 20. Jahrhunderts verwendet wurden !
Kein Witz !
Sie konnten quasi auf der Stelle drehen ... waren damit an Wendigkeit in engen Hafenbereichen oder Flüssen allen anderen Antrieben überlegen ...
Erst Anfang der 1960er wurden die letzten dampfgetriebenen durch neue dieselelektische Tugs ersetzt ... immer noch Seitenradschaufler !
Nur die neuen voll schwenkbaren Schrauben-Gondelantriebe waren dem überlegen ..
das war dann zwei Jahrzehnte später, zu Beginn der 1970er, das endgültige Aus.

Wie gesagt, es ist zwar nicht unmöglich, aber schwer vorstellbar, daß überhaupt irgendein Wind die Abdeckung wegreißen könnte ...
selbst wenn ein Teil des Holzes wegfliegen würde ... dann auch die ganze Stahlkonstruktion ?
schon sehr früh, also bereits seit den frühen Schauflern Ende des 18. und Beginn 19. Jahrhundert wurden die mit Eisen, Ketten und was weiß ich massiv befestigt weil die empfindliche Mechanik darunter nicht beschädigt werden sollte.
Denk zum Beispiel an Deine Sphinx.
Dazu gehört auch die in dem Gemälde erkennbare Verbreiterung des Rumpfes.

Eher noch scheint eine extreme Welle vorstellbar ...dann aber wäre auch das Rad, bzw beide, schwer beschädigt ...

Ein Haltetau des Kamins scheint lose ...

Nur mal als ein Beispiel ... selbst die hölzernen Tugs hielten schon reichlich was aus:
https://image-archive.org.uk/wp-content/…-prince_jpg.jpg
Übrigens würde auch diese Saxon Prince ins Schema passen.

Was auf der rechten Seite im Gemälde als scheinbarer Rest einer Radabdeckung zu sehen ist ...
das ist der gleiche (Anker-)Kran wie auf der linken Seite ... spiegelbildlich angeordnet.

Dahinter vermag ich nicht wirklich ein Wheelhouse entdecken ...
und wenn dann im Gegensatz zur sonst üblichen schön gefertigten Abdeckung extrem grob gezimmert ...
oder sehr derb gemalt.

Was für eine eher spätere Datierung Richtung Jahrhundertwende spricht ist die erhöht aufgebaute Brückenkabine ...
die gibts bei frühen Exemplaren so nicht.

Für einen möglichen Stahlrumpf spricht der eher rundliche Bug ... muß aber nicht sein .
Die meisten hölzernen Tugs stammten aus einer eher schnittigen "Clipperbug"-Ära.
Wobei da die Übergangsphase eher weich ist ... siehe oben die Saxon Prince.
Aber man lernte schnell, daß ein kurzer stummeliger Bug viel besser geeignet ist um die geschleppten Schiffe zur Not mal ganz sanft in die gewünschte Richtung zu stubsen.
Mit "Spitzbug" kann man praktisch nur ziehen.

Irritierend ist das Segel am Mast ... es gibt fast keine Bilder eines Schleppers mit Segel vorne am Mast.
Wenn überhaupt dann ist es eher am hinteren Mast zu beobachten ..

Obwohl ... einen hab ich doch ... (und oben bei der Appleton Hall )
https://www.edinphoto.org.uk/0_P/0_photo…loud_ayt_74.htm

Die beiden Besatzungsmitglieder mit den hellen Jacken ... warum helle Jacken ?
Beide wirken auf mich nicht hektisch oder übermäßig rettungsbedürftig ...
zumindest scheinen sie es nicht wirklich eilig zu haben ins Boot zu kommen.

Der Meinung, daß das kein Rettungsboot sei, kann ich mich nicht hundertprozentig anschließen.
Wenn Du mal nach "early lifeboat" googelst dann gibt es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts so einige Typen die dem nahe kommen.
Also die generelle Form mit den abgedeckten Bereichen an Bug und Heck ...
zum Beispiel das Cape Cod Pulling Surf Boat
https://www.uscg.mil/d1/stachatham/Lifeboat%20History.asp

Noch näher, wenn auch nicht exakt, könnte der Typ Lifeboat model "Lady Carrington", 1895 - 1905, kommen
https://images.powerhousemuseum.com/imag…ediums/9320.jpg.
Beachte dabei die doppelte Ausführung der Ruder links und rechts am Heck zur Steuerung wie auf dem Gemälde.

Was sollte so ein Beiboot mit diesem merkwürdigen Doppelruder als Beiboot auf dem Tug suchen ?
Vielleicht wäre es sinnvoll die Suche nach Lifeboats in dieser Richtung zu verstärken.

Wie exakt ist die zeichnerische Darstellung überhaupt hinsichtlich der Größenverhältnisse und Proportionen ?

Ist die dunkle Gestalt rechts oben neben dem Brückenhaus der Kapitän ?
Ist es überhaupt eine Person ? ... wenn ja ist da auch nur wenig Panik zu entdecken.
Auweia ... ich glaube jetzt sind wir schon kurz vor dem Rorschach-Test .... LOL

Oh Mann ... viele Gedanken, hmmm ?
Grüße aus dem "Wilden Süd-Westen"
Markus

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5

Donnerstag, 30. Juni 2016, 23:41

Nun ... weitere Recherche in anderer Richtung zeigte in gewissem Sinn Erfolg ...

ich bin mir im Moment noch nicht so ganz im klaren ob Dir die Geschichte hinter dem Bild gefällt ...
und damit meine ich nicht die Geschichte hinter dem gemalten Motiv.

Darf ich Deine Aufmerksamkeit auf Andreas Aschenbach (1815-1910) lenken ...
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Andreas_Achenbach

genauer sein Gemälde "Raddampfer auf stürmischer See", vermutlich 1882 oder 85 ?, 100x150cm,
https://commons.m.wikimedia.org/wiki/Fil…mischer_See.jpg

Aschenbach hatte offenbar eine Vorliebe für kräftigen Seegang ... viele Motive sind im Bereich der Niederlande ...
könnte also ein Schlepper von dort sein ...
https://www.the-athenaeum.org/art/list.p…=a&aid=2606&p=2

Gewisse Details, wie zum Beispiel die Besatzungsmitglieder im Bug, haben eine andere Position ...
hier ist eine Rettungssituation deutlicher erkennbar ...
ansonsten ordne ich Tug, Lifeboat etc wie bisher ein ...

es handelt sich definitiv um einen hölzernen Tug ...
Auf der rechten Seite ist, wie Du schon schriebst, eine beschädigte Radhausabdeckung noch vorhanden ...
der Tug ist insgesamt in einem bedenklichen Zustand ...

Wimpel/Flagge ist weiß ... als Zeichen bzw eventuelles Seenotzeichen bestimmt anders zu interpretieren als rot

die Verglasung der Brücke ist quadratisch ... so wie oben schon angesprochen ...
rechterhand auf der Brücke sind die von mir zuvor nur erahnten Besatzungsmitglieder deutlich erkennbar ...
andere Farben am Kamin ...
dazu diverse Details wie Seevögel und weitere Schiffe ...

Die Geschichte dahinter ist also bei Aschenbach zu suchen ... eher um 1880 und vermutlich im Bereich Holland ...

insgesamt möchte ich Dir den Vergleich, Interpretation, historische Abfolge der beiden Werke etc. überlassen ...
Grüße aus dem "Wilden Süd-Westen"
Markus

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6

Freitag, 1. Juli 2016, 14:43

Bingo!
Ich habe gerade nicht viel Zeit, bin auf kurzer Station zwischen zwei Auswärtsterminen. Nur rasch soviel:
Herzlichen Dank. Da wäre ich womöglich nie drauf gekommen. Allerdings zweifle ich selbst schon seit längerem daran, dass dieses Bild allein aus der Hand eines Malers stammt, der ansonsten fast völlig unbekannt ist. Als Kopie erklärt sich alles: Das war wohl ein Student oder Kunstmaler, der sein Geld mit Kopien bedeutender Maler verdient hat, in der damaligen Zeit nicht nur nicht ungewöhnlich, sondern vollkommen normal.
Das Original ist offenbar wesentlich größer: 1 x 1,5 statt wie bei mir 0,5 x 0,8, also schon ein ziemlicher Brocken, für den ich jedenfalls nirgendwo Platz hätte. Die Details können beim Original infolgedessen auch präziser ausfallen.
Was mich wundert, ist der radikale Unterschied in der Farbigkeit: Bei Achenbach ist, vorausgesetzt die Wiedergabe im Netz ist korrekt (!!), das Wasser leuchtend blau, beim Kopisten braun-grünlich. Überhaupt strömen beide Bilder eine ganz verschiedene Stimmung aus: Bei Achenbach hell, wässrig, kalt, beim Kopisten grün-bräunlich, gewittrig.
Demnächst mal eine Montage.
Und nochmals: ganz herzlichen Dank. Und keine Bange, das stört mich überhaupt nicht, dass das eine Kopie ist. Im Gegenteil: Jetzt kann man das Bild zuordnen und vielleicht noch mehr über das Vorbild erfahren. Mir gefällt es jetzt fast noch besser.
Schmidt
Restaurierung eines Werftmodells aus dem Jahre 1912 jetzt als Webseite: http://kaiserfranzjoseph.de/
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7

Sonntag, 3. Juli 2016, 11:48

Freut mich sehr wenn ich Dir helfen konnte !

Bisher hatte ich es ganz bewußt vermieden von einer Kopie zu sprechen.
Dies würde für mein Verständnis bedeuten, daß jemand versucht hinsichtlich Größe, Inhalt und Farbgebung eine sehr große, wenn nicht sogar vollständige, Übereinstimmung zu erschaffen.
Das liegt aber ganz offensichtlich nicht vor.

Hier aber gibt es außer wenigen "technischen" Inhalten wie Tug, Boje und Rettungsboot keinerlei Übereinstimmung.
Das Wetter fast schon ins Gegenteil verkehrt, neblig trüb statt sonnig und klar ...
fast alle erkennbaren Personen tun was anderes ... sind an anderen Orten ...
diverse Details fehlen ...
diverse technische Details wie Fenster, Seile etc wurden verändert ...
diverse Farben ausgetauscht ...
rund 90 Prozent entsprechen nicht mehr dem Ursprungsbild ...
das Ursprungsbild scheint nur noch ein Gerüst für eine andere Idee zu sein.

Es scheint als wollte der Künstler etwas neues schaffen ... den Gesamteindruck ins Gegenteil umkehren oder doch so drastisch verändern, daß man im Grunde nicht mehr wirklich von einer Kopie sprechen mag ... der Gesamteindruck ... die gesamte Stimmung, die Dein Bild dem Betrachter vermittelt, ist definitiv völlig anders als das Ursprungsbild

Andererseits fällt mir dafür auch keine passende Bezeichnung ein.

Kann man bereits davon sprechen, daß das Original nur als Anregung genommen wurde um bei genügend "Abstand" vom Original von einem eigenständigen Werk zu sprechen ?

In dem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß beispielsweise bei Roy Lichtensteins PopArt sehr oft auch das ursprünglich zugrunde liegende Photo oder Comic nicht nur sehr klar sondern superdeutlich zu erkennen ist .
Dennoch sind es durch die Variation eigenständige Kunstwerke.

Ich bin da nicht der Kunstkritiker oder gar Richter der in Deinem Fall das zu entscheiden vermag ...
sollte der Unterschied deutlich genug ausfallen könnte man vielleicht auch in Deinem Fall von einem eigenständigen Original sprechen.
Grüße aus dem "Wilden Süd-Westen"
Markus

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Sonntag, 3. Juli 2016, 16:46





Ich habe den Achenbach (Wikipedia) und ein Foto der Kopie einmal übereinander gestellt, damit man vergleichen kann. Der Größenunterschied gibt nicht exakt die Formate der Originale wieder, soll nur andeuten, dass das Original etwa doppelt so groß ist wie die Kopie.
Markus, ich gebe dir in fast allem recht, ich denke aber, man muss bedenken, dass das Sujet und die Komposition beinahe identisch sind, wodurch die Kopie praktisch keinen Anspruch auf Originalität anmelden kann.
Allerdings hat der Kopist insofern keinen guten Job als Kopist gemacht, als er gerade dort vom Original abgewichen ist, wo dessen größte Wirkung liegt, nämlich in der Stimmung. Bei Achenbach sehe ich ein blaues, kaltes, aber auch frisches, lebendiges Meer, mit einer sauberen Horizontlinie von einem Himmel getrennt, der weniger dräuend und stürmisch als vielmehr aufgeklart und hoffnungsvoll erscheint. Der kleine Schlepper erscheint mir wie ein tapferes technisches Gerät, das sich gegen die Elemente wert.
Beim Kopisten Klein ist das Wasser bräunlich dräuend, ein Küstengewässer in der holländischen Maltradition des 17. Jahrhunderts. Zudem verschwimmen Wasser und Himmel mehr ineinander, was besonders daher rührt, dass die vom defekten Schaufelrad an Steuerbord des Dampfers aufgeworfene Gischt wie eine Wolke nach Lee driftet, über dem Schiff zusammen schlägt und sich dort in einer einzigen fließenden Bewegung mit dem blaugrauen Rauch verbindet, der, kaum aus dem Schornstein entkommen, vom Wind wieder niedergedrückt wird. So wird das Schiff ganz eingehüllt von den Elementen Wasser und Rauch. Bei Achenbach fehlt die Gischt hingegen fast völlig, der Rauch ist ganz erstaunlich (und auch ein wenig unglaubwürdig) braun und gehört somit ganz zum Schiff und nicht zu den Elementen.
Wollte ich beide Bilder interpretieren, so würde ich sagen, bei Achenbach kämpft ein kleines, tapferes technisches Fahrzeug mit der gefährlichen Natur, von der es sich deutlich abhebt. Beim Kopisten Klein wird ein neumodisches Schiff, so wie letzten Endes alle Schiffe, von seinen Elementen, Wasser und Wind, denen es ursprünglich angehört, wieder zu sich geholt. Es erleidet das Schicksal, das ihm von Anfang an bestimmt ist, auch wenn es über eine Maschine verfügt, die das Schicksal erfolgreich bekämpfen soll.
Ich hätte damals die Kopie nicht akzeptiert, wenn ich wirklich den vermutlich unerschwinglichen Achenbach in verkleinerter Reproduktion hätte zu Hause an der Wand haben wollen. Aber man lebte vor 100 Jahren nicht im Zeitalter der Information; womöglich hatten die Auftraggeber oder Kunden des Kopisten kaum die Gelegenheit, die Originale länger anzusehen. (Wenn nicht gar der Kopist seine Arbeiten als Originale ausgegeben hat, was ich allerdings für eher unwahrscheinlich halte.)
Ich will nun nicht so weit gehen zu sagen, dass die Kopie mir besser gefällt. Aber wenn ich berücksichtige, dass sie nur halb so groß ist wie das Original, denke ich doch sagen zu können, dass der Kopist seine eigene Interpretation des Motivs sehr lebhaft, nachdrücklich und eindrucksvoll hat umsetzen können. Entstanden ist in meinen Augen keine uninspirierte Abmalerei zu einem bescheidenen Stundenlohn, sondern der Versuch eines (womöglich unglücklichen) Malers, sich in die Arbeit seines größeren und sicher glücklicheren Kollegen hinein zu versetzen und sie seinen eigenen Vorstellungen anzuverwandeln. Ich wüsste gerne, wer der Mann war, ob und (wenn ja) warum er an einer eigenen Karriere gescheitert ist.
Die Recherche geht weiter.
Schmidt
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9

Sonntag, 3. Juli 2016, 22:49

Ich stimme Dir größtenteils zu ... insbesondere was die zentrale Aussage des Bildes angeht.
Nur mag ich ein Werk, bei dem der Künstler absichtlich fast alles ändert damit es deutlich erkennbar nicht dem Original entspricht, nicht als Kopie einordnen.
Am Unvermögen die rechten Farben zu finden kanns nicht gelegen haben.

Ja ... die Recherche geht in wiederum andere Richtung weiter:

Einen Künstler H.A. Klein habe ich gefunden ... ca. 1900 .. genauere Daten geben die Auktionsseiten nicht preis

In seiner Historie zeichnet sich aber eine "gewisse Zuneigung" für bestimmte Werke ab ...
was den Vorteil hat, daß ich mir sicher bin den richtigen Maler gefunden zu haben.

So finden sich ein (oder gar zwei ? ) Bilder unterschiedlicher Auktionen mit genau dem gleichen Motiv von dem wir hier sprechen auf der folgenden Website wieder.
Beachte dabei, daß es sich nicht um das gleiche Bild wie bei Dir handelt !
Denn es finden sich diverse weitere Details wie Seevögel oder/und Schiffe am Horizont.
https://www.arcadja.com/auctions/de/klei…unstler/294723/

Weiteres Rätselraten ?
Grüße aus dem "Wilden Süd-Westen"
Markus

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10

Montag, 4. Juli 2016, 09:16

Dieser Spur bin ich schon vor einiger Zeit nachgegangen. Klein hat den Achenbach offenbar mindestens zweimal "kopiert"; und nun tauchen die beiden Bilder in kurzem Abstand (nach über 100 Jahren?) in der Öffentlichkeit auf. Wahrscheinlich ein Zufall, dessen Wahrnehmung durch das Informationszeitalter begünstigt wird. Das besagte Bild ist vor etwa einem Jahr von einem Auktionshaus an eine Hannoveraner Galerie verkauft worden; mehr wollte man mir dort nicht sagen. Es ist durchaus üblich, dass Käufer nicht genannt werden. Ich bin aber versucht, danach zu suchen, um die Geschichte des Bildes komplett zu machen.
Schmidt
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11

Montag, 4. Juli 2016, 11:56

Schade, daß Du den Dir schon bekannten Informationszweig nicht gleich genannt hattest ...
daß H.A. Klein in gewisser Weise als Wiederholungstäter einzustufen war.

War das etwas detailreichere Gemälde in der 2014er Auktion nicht verkauft worden ?
Warum war es ein Jahr später, in 2015, im gleichen Haus wieder zur Versteigerung ?

Hast Du schon den Weg versucht, daß Du dem Auktionshaus einen Brief an den Käufer zukommen läßt ... ?
Mit beigelegtem frankiertem Umschlag ?

In dem Brief könntest Du Deinen Kontakt- bzw Informationswunsch zum Bild äußern ...
vielleicht noch ein paar Infos die Dich als honorigen Menschen mit ernsthaftem historischem Interesse ausweisen.

Das Auktionshaus könnte auf den Freiumschlag die Adresse drauf schreiben, den Brief eintüten und schicken.
So kann seitens des Auktionshauses die Diskretion, den Käufer nicht zu nennen, gewahrt bleiben.

Klar zuvor beim Auktionshaus anfragen ob sie diese Weiterleitung mitmachen ...
sonst kannst Du Dir die Arbeit sparen.

Der Käufer wiederum hat, wenn er denn will, somit die Möglichkeit mit Dir in Kontakt zu treten ...
freiwillig ... kein Zwang ... alles bestens.

Eine Chance, eine WinWin-Situation ... keiner verrät seine Prinzipien und alle haben die Möglichkeit zu gewinnen.

Maximaler Verlust wären bei Nichtantwort die aufgewendete Zeit, keine zwei Euronen für Porto und Papier ...
und die mögliche Enttäuschung ... überschaubar, oder ?
Grüße aus dem "Wilden Süd-Westen"
Markus

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12

Montag, 4. Juli 2016, 14:34

Sorry, das zweite Bild hatte ich vergessen zu erwähnen.
Ich denke, ich werde es machen, wie du vorgeschlagen hast.
Schmidt
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Freitag, 22. Juli 2016, 09:58

Um nochmal auf dasThema zurückzukommen, ein paar Gedanken dazu...

Die SItuation im Bild ist weniger dramatisch als angenommen. Der Dampfer ist ein Trossen-/Bojentender, der sich um die vor ihm liegende Boje kümmert und zur Aufnahme der Trosse ein Boot ausgesetzt hat.
Eine einfache Arbeitsszene, Alltag in Küstengewässern. Und eben diese Arbeitsszenen sind oft Vorlage für Gemälde geworden.

Da die Schaufelräder schlichtweg falsch wiedergegeben sind, kann ich nur vermuten, daß hier ein Fehler vorliegt und das Bild von einer "Landratte" gemalt/kopiert wurde, die die oft stufenförmigen Radabdeckungen ohne Kenntnis sehr frei interpretiert hat.

Daß so ein Schiffchen Segel trägt, hat einen Sinn. Ebenso wie Fischdampfer haben Arbeitsschiffe Segel zur Stabilisierung des Schiffes getragen. Sie dienten nicht der Fortbewegung sondern der Beruhigung der Schiffsbewegungen.

Schöne Sache, so eine Bildbesprechung! :wink:

14

Freitag, 22. Juli 2016, 17:24

Mist, der ganze Text, den ich eben geschrieben hatte, ist ins Nirvana verschwunden... :motz:Also nochmal:

Zu den Gemälden allgemein und zu Rainers Anmerkungen würde ich auch gerne meinen Senf dazugeben :D

Zitat

Da die Schaufelräder schlichtweg falsch wiedergegeben sind, kann ich nur vermuten, daß hier ein Fehler vorliegt und das Bild von einer "Landratte" gemalt/kopiert wurde, die die oft stufenförmigen Radabdeckungen ohne Kenntnis sehr frei interpretiert hat.Daß so ein Schiffchen Segel trägt, hat einen Sinn. Ebenso wie Fischdampfer haben Arbeitsschiffe Segel zur Stabilisierung des Schiffes getragen. Sie dienten nicht der Fortbewegung sondern der Beruhigung der Schiffsbewegungen.
Da würde ich dir Recht geben, auch was das Führen von Segeln auf Fischdampfern und Arbeitsschiffen betrifft. Ob das so auch auf Seitenraddampfschiffe zutrifft, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis. Sinn machen würde es für mich aber, da es nach dem wenigen, was ich so bisher über diese Schiffe gelesen habe, schwierig gewesen sein soll, die Dinger zu steuern, wenn bei stärkeren Schiffsbewegungen die Räder nur unregelmäßig gemeinsam im Wasser wirken konnten... Stabilität durch Segeldruck könnte da geholfen haben.

Zitat

Die SItuation im Bild ist weniger dramatisch als angenommen. Der Dampfer ist ein Trossen-/Bojentender, der sich um die vor ihm liegende Boje kümmert und zur Aufnahme der Trosse ein Boot ausgesetzt hat.

Eine einfache Arbeitsszene, Alltag in Küstengewässern. Und eben diese Arbeitsszenen sind oft Vorlage für Gemälde geworden.

Das sehe ich persönlich anders. Schaut man sich den Aschenbach mal näher an (der Wikipedia-Link aus diesem Thread führt ja zu einem Foto des Bildes mit recht hoher Auflösung), sieht man, dass sie See, die schon über dem Achterschiff zusammenschlägt und bis über die Höhe der Aufbauten reicht, schon dabei ist, an Steuerbord schon in selbige einzudringen. Außerdem sind die Steuerbordwanten des Mastes gerissen. Sie ragen an Steuerbord ins Wasser und es sieht so aus, als wäre ein Teil des Schanzkleides dort ebenfalls über Bord gegangen :huh: Das alles sieht man bis auf das eindringende Wasser meiner Meinung nach auf der Kopie auch. Zumindest ein Tau kann ich an Steuerbord erkennen, auch die Wanten des Masts sind nur an Backbord zu erkennen und fehlen auf der anderen Seite. Zudem ist, wie bereits in einem anderen Beitrag erwähnt, ein Haltetau des Kamins gerissen. Zumindest auf Schmidts Exemplar des Bildes besteht neben der Gefahr des Sinkens, die man natürlich diskutieren kann, die akute Gefahr, dass sowohl der Kamin über Bord geht, als auch der Mast, zumal wenn um Letzteren noch ein Segel gewickelt ist, das (zumindest auf Schmidts Exemplar) den Wind fängt, denn es scheint mir aufgebläht zu sein.

Was ich beim Aschenbach interessant finde, ist die Brücke, die meiner Meinung nach perspektivisch nicht ganz richtig dargestellt ist. Sie wirkt schief... Das hat der Kopist (oder wie auch immer man ihn nennen möchte) besser hinbekommen.

Und was ist das eigentlich für Tuch, das dort über der Reling des Brückendecks hängt? Die Reste eines (Vor-)Segels, das es entschärft hat?

Beste Grüße,

Alex

15

Samstag, 23. Juli 2016, 15:15

Also, eines ist sicher: Andreas Achenbach war sicher keine ganz unwissende Landratte. Es gibt eine sehr große Zahl von Seestücken von ihm, und es gehörte zu den Regeln seiner Malerschule, sich nicht weit von der Natur zu entfernen. Nicht umsonst nennt man diese Epoche den Realismus. Achenbach hat einen Großteil seiner Seemotive übrigens bei Reisen in die Niederlande kennengelernt, und ich bin mir sicher, dass er genau wusste, was er malte.
In Düsseldorf findet übrigens demnächst ein große Achenbach Ausstellung statt, und ich habe mich mit meinen Fragen zu dem Bild bereits an die dortige Kuratorin gewendet. Mal sehen, welche Antworten ich bekomme. Ich werde sie euch nicht vorenthalten.
Tatsächlich ist der Bedrohungszustand des kleinen Schiffes auf beiden Bildern nicht ganz der gleiche. Der Kopist hat auch noch ein Schornsteinstag brechen lassen. Aber ich denke, viel macht das nicht aus, ist die Mannschaft doch eh drauf und dran, von Bord zu gehen. Segel habe ich an diesem Schiffstyp auch auf Fotos schon gesehen. Man traute damals (um 1880) der Dampftechnik noch so wenig, dass selbst große Passagierdampfer und Auslandskreuzer noch eine Takelage trugen. Außerdem stimmt die Anmerkung zur Stabilisierungleistung der Segel natürlich. Über die Beschädigung des SB Schaufelrades, bzw. den Verlust seiner Abdeckung besteht m.E. kein Zweifel.
Was mich am Achenbach wundert, ist das "schiefe" Steuerhaus, vom Kopisten begradigt, und, aber vielleicht liege ich da falsch, ein Missverhältnis bei den Größen der Figuren. Auch das scheint mir beim Kopisten stimmiger.
Das Deuten solcher Bilder (auch wenn sie nicht von Turner sind) finde ich übrigens auch - wie sagt man: spannend.
Schmidt
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