Es ist ein trüber Tag vor der Westküste Englands - Der Fischer Michael Rawlings steht an Deck seines Trawlers, der mit der Tide im Rücken die Fanggründe ansteuert…
Rawlings versucht abzuschätzen, wie zutreffend der Seewetterbericht heute sein wird, während der Trawler eine ortsbekannte Untiefe passiert.
Als die sie markierende Kardinaltonne an Backbord vorbeizieht, kann Rawlings‘ Kollege die Brücke endlich für einen Moment unbeaufsichtigt lassen und den beiden im kleinen Aufenthaltsraum unter Deck einen Kaffee kochen...
So oder so ähnlich könnte die Geschichte hinter diesen Bildern lauten…
Bei diesem quadratisch-praktischen Kahn handelt es sich um das Modell eines britischen 10m-Twin-Rig-Trawlers, der als Scratchbau auf Basis eines Bauplans (ausnahmsweise musste mal kein Kartonmodellbaubogen herhalten) aus Kunststoffplatten und -profilen entstanden ist.
Zu diesem Schiffstyp findet man im Netz außer Fotos kaum Informationen. Im Zuge meiner Recherchen hatte ich vor ein paar Monaten irgendwo im Netz eine Quelle aufgetan, die inzwischen aber nicht mehr online ist - Die folgenden Informationen sind also ohne Gewähr. Falls jemand bessere Infos hat, immer her damit
Auf der Website war die Rede davon, dass in Großbritannien im Jahr 1995 ein Gesetz
verabschiedet wurde, dass Nebenerwerbsfischer steuerlich begünstigen sollte. Da deren Boote in der Regel kleiner und weniger leistungsfähig ausfallen als die großen Trawler der Berufsfischerei, beschloss man Steuererleichterungen für Fischerboote unter 10m Länge über alles.
Dieses Gesetz nahmen britische Werften zum Anlass, einen kompakten Trawlertyp zu entwerfen, der nicht länger als 10m und trotzdem genau so leistungsfähig sein sollte wie die bis dato mehr als doppelt so großen Trawler der Hochseefischerei. Herausgekommen ist dabei unter anderem dieser quadratisch-praktische Kahn, auf den in der Folge viele Berufsfischer umstiegen. Schaut man sich beispielsweise die aktuellste Google-Earth-Aufnahme des Fischereihafens von Fraserburgh in Schottland an, sieht man zahlreiche dieser 10m-Trawler. Sie scheinen sich also bewährt zu haben...
10 Meter Länger ergeben umgesetzt im Maßstab 1:200 eine Länge von nur 5cm - Damit ist dies zweifellos der Zwerg unter meinen bisher gebauten Trawlern. Als konkretes Vorbild diente ursprünglich der schottische Trawler
„Propitious“, von dem ich vor einiger Zeit sehr günstig einen Bauplan erstehen konnte. Leider mussten die Spantmaße usw. von Hand in „meinen“ Maßstab übertragen werden, da kein Copyshop in der Umgebung in der Lage war, von rund 1:20 auf 1:200 runter zu skalieren.
Dadurch und durch Ungenauigkeiten sowie Auslassungen im Plan haben sich letztlich auch ein paar Fehler eingeschlichen, weshalb das äußere Erscheinungsbild des Modells dem der „Propitious“ nicht mehr unbedingt gleicht. Da ich jedoch sowieso nur selten sklavisch an irgendwelchen Vorbildern festhalte, hab ich das zum Anlass für ein paar weitere künstlerische Freiheiten genommen, z.B Namen, Heimathafen sowie die Aufbauten geändert. In Sachen Fischereikennzeichen war ich folglich ebenfalls frei und habe aus Decals aus der Restekiste ein fiktives zusammengeschustert, dass zeigt, dass der Heimathafen des Trawlers Fleetwood in Südwestengland ist. Extra weiße Decals drucken zu lassen, hätte sich nicht gelohnt, zumal die aus der Restekiste einen in England für Fischereikennzeichen häufig verwendeten Schrifttyp recht gut wiedergeben. In Wirklichkeit war Fleetwood einst ein blühender Fischereihafen, aber im Nachgang der sogenannten „Kabeljaukriege“ ist die Fischerei dort zugrunde gegangen. Angeblich gibt es dort keinen einzigen ansässigen Fischer mehr.
Der Bau hat mir viel Spaß gemacht und war (wohl ebenfalls der Größe des Kahns geschuldet) schon nach 6 Wochen beendet. Die bei diesem Modell gewonnenen Erkenntnisse kann ich gut für kommende Projekte gebrauchen, die auf Basis von Bauplänen entstehen sollen - selbige liegen schon zahlreich in der Schublade…
Die Wasserfläche hat die Maße 16x11cm, ist also (wie der Kahn) sehr kompakt.
Die Kardinaltonne entstand aus einem Stück Messingrundstab sowie diversen Plastikprofilen. Sie markiert den nördlichen Quadranten eines Gebietes mit Unterwasserhindernis, wie die Ausrichtung der beiden kegelförmigen Toppzeichen zeigt.
Zum Schluss gibt es noch zwei Bilder zum Größenvergleich:
Fröhliche Weihnachten wünscht
Alex