Liebe Modellbaufreunde,
mit meinem heutigen ersten Beitrag in diesem Forum möchte ich den Baubericht eines, wie ich finde, besonderen Flugzeugs vorstellen. Ich baue seit etwa 30 Jahren Flugzeugmodelle, wobei die Intensität und Ernsthaftigkeit mal höher und mal niedriger war und mein Weiterentwicklungstempo gerade am Anfang recht gering war. Damals gab's noch kein Internet, woher also Anregungen nehmen?
Nach und nach habe ich mir einiges abgeschaut, angelesen und selbst probiert. So war es mir dann etwas zu simpel, das Modell einfach nur out-of-box zu bauen, daher habe ich mir etwas einfallen lassen, um es in meinen Augen etwas aufzuwerten – und einige ärgerliche „Klopse“ aus dem Bausatz zu korrigieren. Dazu habe ich nicht auf käufliche Zurüstteile zurückgegriffen, sondern selbst gebastelt. Da ist ganz schön Zeit draufgegangen. Dass nicht alles perfekt geworden ist, das weiß ich. Aber ich würde mich freuen, wenn ich jemanden für sein Projekt inspirieren könnte.
Bei dem Modell handelt es sich um das erste deutsche Turbinen-Verkehrsflugzeug, die „152“, auch als „Baade 152“ oder „Dresden 152“ bekannt. Warum dieser Typ, von dem nur einige wenige gebaut, nur zwei tatsächlich geflogen und davon einer auch noch abgestürzt ist? Nun, zum einen habe ich als Kind ein „Modellbau und Basteln“-Heft meines Vaters entdeckt, in dem sich ein Bauplan für ein Tischmodell der „152“ befand. Genau genommen war's aber nur ein Dreiseitenriss mit ein paar Querschnittszeichnungen. Ich fand die Formgebung jedenfalls faszinierend. Zum anderen wollte ich immer Flugzeugkonstrukteur werden, hatte aber niemals wirklich eine Chance dazu. Wäre vielleicht anders gelaufen, wenn die „152“ ein Erfolg geworden wäre. Wer weiß.
Am Anfang eines Bauprojektes sollte, finde ich, immer eine Recherche stehen, zumindest, wenn das Modell einigermaßen authentisch aussehen soll. Für die „152“ kann ich die Bücher von Holger Lorenz „Der Passagier-Jet <152> - Walter Ulbrichts Traum vom 'Überflügeln' des Westens“, „Die Variante I des DDR-Jets 'Baade-152'“, „Die Absturzursachen des DDR-Jets 'Baade-152'“ sowie „Die Variante II des DDR-Jets 'Baade-152'“ sehr empfehlen. Geschichte, Hintergründe und technische Zeichnungen sind dort ebenso zu finden wie zahlreiche Farb- und Schwarz/Weiß-Fotos. Insgesamt finde ich diesen Flugzeugtyp damit bemerkenswert gut dokumentiert.
Nun zum Modell. Soweit ich recherchieren konnte, gibt es von diesem Flugzeugtyp aktuell nur 2 Bausätze, beide in Resinbauweise, eines im Maßstab 1/144 und eines in 1/72. Ich habe mich für letztere Variante entschieden, damit sich der Flieger in meiner Vitrine auch mit den anderen verträgt. Der Bausatz stammt von „AERO MODELL“ und stellt die „152“ V4, Kennzeichen „DM-ZYB“, dar.
Der Inhalt ist in Blasenfolie und Plastiktütchen verpackt und beinhaltet folgendes:
Der Vollständigkeit und besseren Übersicht halber noch ein Bild vom ausgepackten Inhalt. Für weitere Aufnahmen verweise ich auf
Klick und
Klick.
Die Resinteile sind recht sauber, mit nur wenigen Luftblasen, gegossen. So weit, so gut. Leider gibt es aber auch einige Sachen, die mich sehr gestört haben, obwohl ich nun wirklich nicht in die „Nietenzähler“-Fraktion gehöre:
1. Die Kühllufteingänge zwischen den Triebwerken sind nicht vorgesehen (sind aber auf der Packung deutlich dargestellt)
2. Die großen Rumpfhälften sind im vorderen Anschlussbereich nicht rund, sondern stark verzogen (fast wie eingedrückt) und brauchen eine Menge Spachtelmasse
3. Passgenauigkeit z.T sehr schlecht
4. Die Abgasschürzen hinter den Triebwerken sind zu kurz
5. Die Decals für das blaue Rumpfband passen nicht zu den Gravuren und sind darüber hinaus nicht verarbeitbar
6. Das Decal für den Blendschutz vor dem Cockpit ist viel zu breit (ca. 2mm pro Seite!) und ca. 4mm (!) zu lang
7. In der Bauanleitung steht zwar, dass man den Bug beschweren muss, aber keine Angabe, welche Masse notwendig ist
8. Alle Fahrwerksklappen sind zu kurz, zu schmal und völlig plan dargestellt, obwohl sie beim Original ziemlich stark gewölbt waren
9. Die Hauptfahrwerksbeine sind schief und krumm
10. Die Räder sind viel zu groß und passen noch nicht einmal auf die Achsandeutungen des Fahrwerkswagens; mehr als 1mm (bezogen auf den Radius!) müssen abgedreht werden
11. Die unterschiedlichen Spurweiten der beiden Hauptfahrwerksachsen sind nicht dargestellt
12. Die Darstellung der Anbindung von Schwinghebel und Fahrwerkswagen am Hauptfahrwerk ist falsch (vgl. Original-Fahrwerk im Verkehrsmuseum Dresden, einfach mal hinfahren oder „Fahrwerk 152“ mit Google suchen, sowie o. g. Literatur)
Da mich insbesondere das Hauptfahrwerk sehr geärgert hat, musste ich mir was überlegen. Und was Besonderes wollte ich ja auch haben... Also habe ich mich entschlossen, Einziehfahrwerke zu bauen. Dazu waren die o.g. Bücher sehr hilfreich. Als Material wählte ich Messing als Flachband, Röhrchen und Drähten, wovon ich mir „einen ganzen Sack voll“, in unterschiedlichen Größen, besorgte. Größe und Mechanik entspricht dem Original. Da, trotz Maßstab 1/72, die Absolutmaße nicht übermäßig groß sind und das Löten von Metallteilen recht schwierig sein kann, habe ich mir eine Hilfe gebastelt. Dazu habe ich eine kleine Gipsplatte gegossen und passende senkrechte Löcher gebohrt. So kann man die Messingteile sauber positionieren, hat die Hände frei und kann in aller Ruhe ohne Gefahr von Brandblasen löten. Zum Lötvorgang: Zuerst wollte ich mit einem kleinen Brenner drangehen, davon bin ich aber schnell wieder abgekommen, da das Gips schrumpft und brüchig wird, und nutzte meinen Elektroniklötkolben mit 0,5mm-Spitze und 0,5mm Elektroniklot mit Kolophoniumseele. Da braucht man auch kein zusätzliches Flussmittel mehr, geht ganz prima. Hier ein paar Bilder der Gips-Löthilfe:
Der noch unverlötete Prototyp des Schwinghebels:
die Einziehfederstrebe:
und die Abfangstrebe:
Die noch reichlich überstehenden Röhrchen habe ich nach dem Löten mittels Dremel und Diamant-Trennscheibe auf die richtige Länge gebracht. Achtung – auch hier kann das Messing ziemlich warm werden. Brandblasen an den armen Fingern sind echt das kleinere Übel. Ärgerlicher ist es, wenn das Lot wieder weich wird und alles auseinander fällt!
Der Aufbau des Hauptfahrwerks wird vielleicht mit folgendem Bild verständlicher, man sieht den Wagen mit den Röhrchen für die Radachsen (waagerecht) und der Abfangstrebe (hochstehendes linkes Teil), alles schon auf die richtigen Längen getrimmt:
Der Schwinghebel mit ausgefräster Führung. Die habe ich übrigens mit Dremel und Diamant-Trennscheibe freihand „gedrechselt“. Die verbleibende Wandstärke beträgt <0,5mm.
Der Aufbau der Einziehfederstrebe wird aus den folgenden Bildern ersichtlich:
Die schwarze Muffe ist ein Stück aus meinem schönen weichen Airbrush-Schlauch, jetzt habe ich zum Sprühen ein olles störrisches Ding. Aber wat mutt dat mutt, seufz...
Das fertige Teil, Funktionsweise muss ich wohl nicht groß erklären:
Hier sieht man die Einzelteile des Hauptfahrwerks:
Mit den nächsten Bildern sollte die Mechanik klar werden – zunächst ausgefahren:
und dann eingefahren
Die Radnaben habe ich durchgebohrt, kleine Schräubchen eingeschraubt, im Spannfutter des Dremels befestigt und auf die richtige Größe abgedreht. Am besten ging es mit der Schneide einer Schere. Feile oder Sandpapier sind im Nu zugesetzt und daher nicht zu gebrauchen. Dass die Räder bezüglich Vorder- und Hinterseite auch nicht sauber zentriert gegossen sind, sieht man hier:
So, es geht gleich weiter...