Hallo Roland, eigentlich stimmt es, Seeluft ist gesund, aber nur, wenn sie nicht als alleiniges Gesundheitsmittel dient...
Ich hätte mich beinahe auf einem anderen BB zu diesem Thema geäußert, aber nachdem ich dort gelesen habe, das die Beschäftigung mit den Dingen, die die christliche (und auch unchristliche) Seefahrt noch so mit sich bringen (und brachten), als Langeweile bezeichnet werden, ich aber von Langeweile gepeinigt bin, möchte ich mich hier auf Deinem BB auch dazu äußern - ich hoffe, das geht in Ordnung, sonst PN an mich und ich lösche das wieder...
Grundsätzlich kann gesagt werden, dass das, was die Speiserollen damaliger Zeiten oder auch Gewohnheitsrecht oder eingebürgerte Überlieferungen als Nahrungsmittel auf See vorsahen, dem entsprachen, was auch an Land von breiten Bevölkerungsschichten gegessen wurde. Denn auch an Land war man auf das Konservieren von Nahrungsmittel angewiesen, da man auch dort nicht rund ums Jahr ernten und Schlachten konnte (letzteres wohl, aber wer hatte schon so viel Geld, das er sich jede Woche ein Schwein schlachten konnte?). Es wurde also auch an Land gepökelt, geräuchert, gedörrt und getrocknet, man lebte auch an Land von Pökelfleisch, geräuchertem Fleisch und Fisch und - wenigstens außerhalb der Erntezeiten - von Dörrgemüse, getrocknetem Gemüse und so weiter. Und nimmt man mal die in den entsprechenden Speiserollen ausgeworfenen Mengen, die dort täglich ausgegeben werden sollten, so wird man feststellen, dass sie von der Menge her gesehen durchaus ausreichten, den Kalorienbedarf eines körperlich hart arbeitenden Seemannes zu decken - sofern widrige Umstände nicht dazu zwangen, die Rationen zu kürzen. Das einzige Problem war, das wenigstens bei längeren Reisen nach kurzer Zeit das wenige - und jahreszeitlich bedingte - Frischgemüse und Obst aufgebraucht war und man nur noch auch entsprechend konserviertes angewiesen war - im Unterschied zur Landbevölkerung, die auf Grund der gegebenen Verhältnisse wichtige Vitaminträger wie z. B. Obst ganz anders Lagern konnten, z. B. in trockenen Kellern. Trotzdem ist es bei durchschnittlichen Reiselängen und entsprechender Verproviantierung in der Regel nicht zu Mangelkrankheiten gekommen. Und auch wusste man zu damaliger Zeit schon um einige vitaminschonende Konservierungsmethoden, ich möchte hier nur zum einen an das von Capt. J. Cook so erfolgreich eingesetzte Sauerkraut erinnern oder an einige besondere Biersorten, die auf norddeutschen Schiffen ausgegeben wurden. Die hier von einigen angeführten mitgeführten Frischfleischbestände, die es auf allen Schiffen gab, besonders Schweine und Hühner, waren allerdings leider in der Regel für den Tisch der Achtergäste vorgesehen, Jan Maat partizipierte in der Regel eher nicht davon. By the way: Die Bezeichnung "Schweinsfisch", der auf deutschen Seglern allgemein für Delphine gebräuchlich war, rührt daher, das das Fleisch dieser Tiere dem des Schweines ähnlich sein soll, woher die Jan Maaten das wohl wussten? Ein besonderes Problem stellte allerdings die Lagerung des entsprechenden Frischwasservorrats dar. Ich weiß aus eigener beruflicher Erfahrung , welch ein Aufwand und welche Umstände betrieben wurden, um auf einem modernen Schiff des ausgehenden 20. Jahrhunderts die keimfreie Erzeugung, Lagerung, Förderung und Verteilung des Frischwassers zu gewährleisten, ich hatte so manches mal den Eindruck, der eine oder andere Schiffsarzt hatte kein anderes Hobby als die Überwachung desselben. Um wie viel schwieriger war dieses Problem auf den Seglern vor 200, 150, ja 100 Jahren? Das erste Problem war, die entsprechende Menge an Frischwasser überhaupt zu lagern, man gehe hier mal nicht von einem Handelssegler mit vielleicht 25, 30 mann Besatzung aus, sondern von einem Krieger mit 800 Mann, und man stelle sich einen täglichen Bedarf von 4 Litern pro Mann vor, für alle seine Bedürfnisse, rein theoretisch, einschließlich Kochen, Trinken und - natürlich vernachlässigbar - Hygiene. Da kommt schon eine ganz schön große Menge an Frischwasser zusammen. Und gelagert wurde es bis ins ausgehende 19. Jahrhundert in Holzfässern. Und egal, wo man es herholte, nach kurzer Zeit fing das Wasser an zu leben. Man hat im Laufe der Jahrhunderte die unterschiedlichsten Versuche unternommen, Frischwasserfässer von innen zu behandeln, um das Wasser möglichst lange vom Lebendigwerden abzuhalten, man hat die Fässer ausgeschwefelt, man hat sie von innen ausgebrannt, man hat alte Branntweinfässer genommen, und, und, und. Es hat alles nicht genützt, nach einigen Wochen fing das Wasser an zu leben. Man hat auf See leere Fässer gereinigt und reines klares Regenwasser aufgefangen, nach vierzehn Tagen lebte es. Allerdings wusste man schon um die keimtötende Wirkung des Abkochens und es wurde in der Regel kein unabgekochtes Wasser ausgegeben - aber wenn das Brennholz oder die Kohle der Kombüse klamm wurde auf entsprechend langen Reisen? Das Trinkwasser an Bord war also eigentlich das größte Problem. man darf bei allem allerdings auch nicht vergessen, das die Menschen in Zeiten ohne Sagrotan und ähnlichen chemischen Keulen wesentlich mehr Berührungspunkte mit Keimen hatten, wodurch sie sich auch eine wesentlich größere Widerstandsfähigkeit gegen Infektionen hatten wie wir in unserer sterilen Welt. Zu dem, was Choppa zu den durch verunreinigtes Wasser hervorgerufene Choleraepidemien (hier sein noch an die große Choleraepidemie in Hamburg erinnert!) gesagt hat, so sei noch erwähnt, dass die Ungenießbarkeit des Wassers nicht nur an der Verunreinigung durch Abwässer gelegen hat,sie hatte oft genug auch geographische Ursachen. So schreibt z. B. der große Reiseschriftsteller Merian im ausgehenden 17.jahrhundert über Ostfriesland, dass es dort überdurchschnittlich viel sehr schöne Frauen gäbe (die gibt es dort heute noch...), aber leider seien sie ab Mittag schon sehr betrunken, da sie schon zum Frühstück Bier tränken und Biersuppe äßen, wie übrigens auch ihre Kinder. Und das hatte seinen Grund: das Wasser war in Ostfriesland durch die vielen Moore in seinem Geschmack weder durch Abkochen, Filtern oder sonst etwas so zu beeinflussen, das es für den Menschen trinkbar gewesen wäre; Ostfriesland war deshalb über Jahrhunderte auch einer der Hauptabnehmer Hamburger Bieres. Erst als der Alte Fritz (Ostfriesland gehörte damals zu Preussen!) mit seiner Ostasiatischen Handelskompanie den Tee nach Ostfriesland brachte, war mit ihm als Geschmacksneutralisator das dortige Wasser genießbar und der Bierkonsum ließ abruppt nach - aber da war Merian schon lange tot. Und so kam der Tee nach Ostfriesland. Und noch ein "Stippstörchen" in diesem Zusammenhang: Ich weiß ja nicht, wer von Euch den Begriff "Limey" kennt: So wurden lange Jahre die Engländer, besonders die englischen Seeleute, genannt. Und das hat seinen Grund: Auf englischen Schiffen war es viele Jahre üblich, einmal täglich jedem Mann ein Quantum Zitronensirupp, also eingedickten Zitronensaft, eben "limejuice" als Vorbeugung gegen Vitamilmangelkrankheiten zu kredenzen. Deswegen hießen die englischen Schiffe allgemein "Limejuicer" und die englischen Seeleute eben "Limeys"...
Aber das soll nun reichen,
Hagen
Es rauscht wie Freiheit, es riecht wie Welt.
Naturgewordene Planken
sind Segelschiffe. Ihr Anblick erhellt
und weitet unsere Gedanken!
Joachim Ringelnatz