Ahoi zusammen,
an dieser Stelle möchte ich meinen ersten Baubericht hier im Forum starten. Es wird aktuell mein drittes Schiff sein, dass in nächster Zeit meine Werft bereichern wird.
Anlass hierfür war die Feststellung, dass zwischen meinem Fantasieschiff und reinen Kopfgeburt, der Free Spirit und der HMS Victory von DeAgostini (in gewisser Weise eigentlich auch ein Fantasieschiff) mir irgendwie der modellbauerische Ausgleich fehlte.
Als ich dann in letzter Zeit mein Interessensgebiet auf die nordamerikanischen Seen verlagert, bzw. ausgeweitet habe, bin ich über die „Legend of the Lake“ gestolpert.
Die Seefahrt auf den Great Lakes Nordamerikas liefert zwar viele dieser „Legenden“. Ein Beispiel für so eine „Legende“ ist vielleicht die HMS St. Lawrence, ein 112-Kanonen Linienschiff, mit über 700 Mann an Bord. Die, die viel kleineren Schiffe der US-Marine im Jahre 1814 auf den Ontario-See in ihren Docks halten sollte. Wohlwissend das diese keine wirkliche Chance gegen so einen Kollos hatten, gab die HMS St. Lawrence keinen einzigen Schuss im Kampf ab und wurde 1832 für einen Schnäppchenpreis veräußert und dann versenkt. Wirtschaftlich sicherlich ein Super-Gau für das Empire. Aber es ist im Grunde ein nettes Beispiel für die Kurzweiligkeit der Schiffe auf den Great Lakes.
Aber nicht jede Geschichte endete so „friedlich“, wenn es nicht unberechenbare Strömungen, Sandbänke oder Unwetter waren, dann war es in der Regel der Feind – hier besonders während dem 1. und 2. Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges zwischen England und Amerika, wo unzählige Schiffe in Kampfhandlungen den Besitzer gewechselt haben (hier hatte offensichtlich die junge US Navy ein glückliches Händchen), oder versenkt wurden. So sind die einst mächtig umkämpften Seen, wie der Lake Erie und Ontario hochinteressante Schiffsfriedhöfe mit zahlreichen Wracks und Legenden, die um Selbige ranken.
Eines dieser „Legend of the Lake“, ist die HMS Ontario – mein neues Bauprojekt.
Die HMS Ontario war eine Zweimast-Brigg, die am 10. Mai 1780 in Carleton Island erbaut, vom Stapel lief:
Daten:
Länge: 25 Meter
Gewicht: 226 Tonnen
Besatzung: ca. 130 Mann
Bewaffnung: 22 Kanonen
Die HMS Ontario war in dieser Zeit das Flaggschiff der Royal Navy auf den Seen. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, die britischen Küstenstädte und Forts zu schützen, da ein Angriff der Amerikaner in Richtung Montreal befürchtet wurde und um den Transport von Nachschub, Truppen und Kriegsgefangenen zu gewährleisten.
So geschah es auch am 31. Oktober 1780, als sich die HMS Ontario vom Fort Niagara aus aufmachte, um den erkrankten Festungskommandanten Masson Bolton, nach Oswego zu bringen. Wo dieser zur ärztlichen Behandlung weiter nach England reisen sollte. An Bord waren neben der Besatzung und dem Festungskommandanten, höchstwahrscheinlich auch Frauen und Kinder, kanadische und britische Soldaten, sowie amerikanische Kriegsgefangene. Verschiedene Quellen sprechen hier von 88 - 130 Personen an Bord. Die exakte Zahl ließ sich nicht rekonstruieren. Nahe liegt, dass eine eventuelle Stammbesatzung bei der ersten Zahl nicht eingerechnet wurde und das neben 42 Mann Besatzung, 88 weitere Personen an Bord waren. Denn die Zahl 130 ist doch die am meisten genannte.
Ein in der Nacht aufkommender Sturm brachte die Ontario allerdings in schwere Seenot, so dass sie kenterte und sank. Niemand an Bord hat das Unglück überlebt, einzig 6 gefundene Leichen zeugten von der wahrscheinlichen Katastrophe… der Untergang der Ontario wurde von der Royal Navy lange Zeit verschwiegen. Wahrscheinlich aus militärisch-strategischen Gründen. So ist auch der Untergangsort bis vor einigen Jahren völlig unbekannt gewesen.
Im Jahre 2008 wurde das Wrack der HMS Ontario von zwei Hobby-Tauchern in 500 Metern Tiefe am Grund des Ontariosees gefunden (der exakte Fundort wird von beiden bis heute verschwiegen). Der Zustand des Wracks war schlichtweg beeindruckend – wie dieses Video belegt:
https://www.youtube.com/watch?v=zF_5RtN3nvU
Wie das Schiff ursprünglich aussah, lässt sich ganz gut mit dieser 3D-Animation zeigen:
https://www.youtube.com/watch?v=IIsra0OBDLA
Quellen:
www.wikipedia.uk/.de/HMS Ontario
„Legend of the Lake – The 22-Gun Brig-Sloop Ontario“ by Arthur B. Smith
“Warships of the Great Lakes 1754 – 1834” by Robert Malcomson
Auch wenn die HMS Ontario eine kurze und tragische Geschichte hat, so fand ich das Schiff doch irgendwie so faszinierend, dass es mich seit gut einem halben Jahr nie wirklich losgelassen hat und die fixe Idee eines Nachbaus sich in mein Gehirn gebrannt hat. Da diese Idee auch heute noch so intensiv vorhanden ist, wie zu ihrem aufkommen, bin ich mir doch ziemlich sicher, dass die HMS Ontario mich auch handwerklich für längere Zeit beschäftigen wird.
Als Ausgangsbasis für den Nachbau dieses Schiffes, dient mir in erster Linie, dass besagte Buch von Arthur B. Smith, mit Zeichungen von John McKay und Wrackaufnahmen von den beiden Findern Dan Scoville und Jim Kennard:
Legend of the Lake – The 22-Gun Brig-Sloop Ontario, 1780
Da es offensichtlich im NMM, wie auch in diversen kanadischen Museen zu den Great Lakes keine weiteren Pläne zu dem Schiff gibt, sind die Zeichnungen von John McKay meine einzige, halbwegs zuverlässige Quelle für einen Nachbau. So habe ich diese Zeichnungen so weit skalliert, dass ich die HMS Ontario im Maßstab 1:64/65 bauen kann. Da die Zeichungen von McKay, vor allem bei der Rumpfkonstruktion aber noch Ausbaupotential haben, komme ich an ergänzende Literatur nicht vorbei.
Hierfür habe ich diese beiden Werke mit und über Briggs, als meine Hauptstützen auserkoren:
Das Modell der Brigg Irene von Petrejus
Anatomy of the Ship – The 20-Gun Ship Blandford von Peter Goodwin
Dazu gesellt sich natürlich noch einschlägige Fachliteratur, wo ich an dieser Stelle eigentlich nur noch Bernhard Frölichs Werk “Die Kunst des Modellbaus” erwähnen möchte. Das mir vor allem bei der Konstruktion des Rumpfes die eine oder andere Orientierungshilfe sein wird.
Damit sind wir auch schon bei der handwerklichen Ausgangsposition. Mich persönlich reizt der Gedanke, an einen historisch – im Rahmen der Möglichkeiten – korrekten Nachbau des Schiffes und daran möchte ich mich auch als erstes Versuchen.
Die ersten Fortschritte (die ich gleich hier dokumentieren werde) geben dazu durchaus Anlass, diesen Weg weiter zu beschreiten. Wobei die Konstruktion der einzelnen Spanten, sicherlich das erste wirklich große Hindernis sein wird. Für diesen Fall, habe ich die Option im Petto, mich bei der Rumpfkonstruktion nur auf die Hauptspanten zu konzentrieren und durch den Einbau eines Kielbretts auch das potentielle Innenleben der Ontario „nur“ auf das Haupt- und das Batteriedeck zu beschränken.
Die Zeit und das eigene Handwerkerglück wird mir zeigen, welchen Weg ich letztendlich einschlage. Ich hoffe aber, es wird der des reinen Scratchbaus sein…
Als Hauptbaumaterial habe ich hierfür übrigens Birne auserkoren. Aufgrund der doch recht langen Vorbereitungs- und Besinnungsphase, ist das Lager mit Holz ganz gut gefüllt.
Aber nun sei auch genug erzählt – es wird Zeit für die ersten Fortschritte. Die mir zwar doch den einen oder anderen Schweißtropfen auf die Stirn getrieben haben, mir letztendlich aber doch gelungen sind:
Hier sei zunächst der Kiel, der gemäß Zeichnung aus zwei Elementen zusammengesetzt wurde:
So weit, so einfach – der Vorsteven war dann doch eine etwas schwierigere Hürde, die den einen oder anderen Anlauf in den letzten Tagen gebraucht hat. Aber nachdem die Dekupiersäge ein neues (gerades) Sägeblatt erhalten hat, konnte ich endlich den Vorsteven zum größten Teil zusammensetzen.
Hier zunächst ein Bild mit den einzelnen Elementen, die wie man sieht anhand von Ausschnitten zusammengesetzt habe:
Zusammengebaut sieht es nun so aus:
Das Oberteil des Vorstevens muss noch bearbeitet werden, denn die HMS Ontario hat an dieser Stelle eine kleine Verzierung. Die McKay in seinen Zeichnungen ausspart, aber am Wrack vorhanden ist. Generell fehlt dem Vorsteven auch noch die eine oder andere Note an Feinschliff. Aber entzückt davon, dass alles so zusammenpasst, habe ich mir das für die nächste Baustunde aufgespart.
So gibt es zum Abschluss noch Bilder von Vorsteven und Kiel – das erste Mal vereint, aber nicht verleimt (noch nicht):
Das Kielstück habe ich in einer Stärke von 8x8mm gewählt, da ich es für die Bodenwrangen der Spanten noch einschneiden möchte. Außerdem fehlt noch der falsche Kiel und die notwendige Sponung.
In der Gesamtansicht gestalten sich die ersten Fortschritte, wie folgt:
Als Nächstes steht der Achtersteven an, über dessen Höhe bin ich mir allerdings noch unsicher, da so ein besagtes Detail in McKays Zeichnungen sehr ungenau daherkommt. Aber da ich vor Interpretationen nicht zurückschrecke, wird sich hier gewiss eine Lösung finden lassen.
Nach der Fertigstellung aller Steven, steht auf jedenfall zuerst die Helling auf der Agenda und dann schaun wa mal weiter
Grüße Marcel