Hallo zusammen,
ich melde mich zurück mit einem Thema, das viele Motorradmodellbauer beschäftigt: Wie verpasse ich meinem Modell echte Drahtspeichen. Sind die Felgen intakt, lassen sich mit überschaubarem Aufwand die Plastikspeichen ersetzen, und alles passt hinterher wunderbar zusammen. Es gibt jede Menge YT-Tutorials zu diesem Thema, auch hier im Forum gibt es entsprechende Bauberichte.
Etwas schwieriger wird die Sache bei beschädigten oder verunfallten Modellen, wenn die Relationen zwischen Nabe und Felge neu bestimmt werden müssen. Ich möchte Euch anhand von 2 Beispielen mein Vorgehen schildern: Als Erstes Übungsobjekt nahm ich eine Indian Scout 1920 von Guiloy in 1:6, die offensichtlich einmal abgeflogen war und deren Vorderrad vollständig zerstört war. Nummer 2 war eine Tamiya Afrika Twin in 1:6 mit massivem Transportschaden – der zugehörige Ebay-Verkäufer erhielt eine angemessene Rückfrage
Hier zunächst die Indian im Ausgangszustand. Die Bauteile sind eher grobschlächtig dimensioniert, die Speichen weisen eine Stärke von ca. 1,1 – 1,2mm auf.
Die vordere Nabe ist ca. 7mm breiter als die Felge. Ich konnte also nicht einfach die Teile auf den Werktisch legen und anfangen, Drähte einzuziehen. Außerdem wollte ich eine Möglichkeit schaffen, künftig weitere Räder mit unterschiedlichen Dimensionen einzuspeichen. In einem YT-Video fand ich eine guten Ansatz: Eine selbstgebaute Einspeichschablone, ohne Höhenanpassung. Also PS-Platten auf den Tisch, und los ging’s. Die Grundplatte misst 16 x 16 cm² bei 3mm Stärke, darüber kamen 4 Quadrate mit 7 x 7 cm² mit 2mm Stärke. Diese bilden zwei Schienen, in denen bewegliche Auflagen laufen. Die vier Auflagen haben einen Fuß aus 2mm starkem PS, darauf kamen 9 „Treppenstufen“ aus 0,5mm PS-Platten, sodass sich die Höhe in 0,5mm-Schritten verändern lässt. In der Mitte der Grundplatte befestigte ich einen 2,0mm Gewindestab und achtete auf exakt senkrechte Ausrichtung. Somit konnte die Nabe fixiert werden, was später das Einfädeln der Drähte erleichterte. Hier die Schablone:
Nun konnten die Felgen ausgebaut und vorbereitet werden: Restliche Speichen herausschneiden, Speichenansätze anschleifen und hier die Löcher in die Felge bohren. Die Nabe wurde ebenfalls angeschliffen, Bohrungen für die Speichen gesetzt und dann fertig geschliffen. Zum Bohren schreibe ich später noch mehr. Erst danach wurde die Oberfläche fein verschliffen und lackiert.
Als Speichennippel verwendete ich Aderendhülsen, die schon zur Anprobe in die Löcher gesteckt wurden.
Die erste Anprobe: Hier sitzt die Nabe mittig in der Medianebene, ragt also rechts und links 3,5mm über die Felge hinaus. Somit wurde die Felge auf die jeweils 3. „Treppenstufe“ meiner Auflagen plaziert: 2mm Auflagenfuß + 1,5mm Treppe = 3,5mm. Die Auflagen werden in ihren Schienen mit Klebeband fixiert. Die exakte Positionierung der Felgen erfolgte mithilfe eine Schiebelehre.
Nach dem Lackieren fixierte ich die Felge mit doppelseitigem Klebeband - nicht die beste Idee, später mehr - auf der Schablone und schraubte die Nabe an. Ich schnitt Speichen aus 0,8mm Edelstahldraht federhart und bog die Enden um. Mit dem ersten Paar richtete ich zunächst die Nabe passend zur Felge aus, Mitte links am Rad, danach fädelte ich zunächst diejenigen Speichen ein, die von unten her in die Nabe gesetzt werden.
Anschließend konnte die obere Lage Speichen eingesetzt werden, und ich prüfte nochmals die Relation Nabe – Felge und das Speichenbild. Die Speichennippel wurden in ihren Löchern auf gleiche Länge gebracht, dann konnte alles mit dünnfließendem Sekundenkleber fixiert werden.
Die Nahaufnahme der Nabe zeigt schon die Probleme an meinem Proberad: Der dicke Draht lässt sich nur schwer exakt rechtwinklig biegen, und die Nabe des Guiloy-Modells ist viel zu klobig, sodaß ein unschöner Abstand zwischen den beiden Speichenlagen bleibt. Am Hinterrad korrigierte ich das dahingehend, dass ich die Speichen zweifach kröpfte, rechtwinklig für das Nabenloch, und eine extra Biegung gleich daneben, um den Draht näher an die Nabe zu legen.
Nach dem Aushärten des Klebers auf der ersten Seite ließ sich das halbfertige Rad problemlos abnehmen und zur Montage der zweiten Seite umdrehen. Hier der Vergleich vorher – nachher:
Also, seien wir ehrlich: Für ein Guiloy-Modell ist mein Opus Primum allemal gut genug
Die massiven PVC-Reifen wurden erwärmt und ließen sich nun relativ leicht über die Felgen ziehen. Hier noch eine Nahaufnahme der Felge, und die Gesamtansicht nach der Endmontage:
Ich habe erstmal ausprobiert und die Arbeitsschritte getestet. Für das Vorderrad brauchte ich noch ca. 6-7 Stunden, ohne die Anfertigung der Schablone. Das Hinterrad war schon nach 4 Stunden fertig. Im nächsten Abschnitt zeige ich die Restauration der Felgen der Afrika Twin. Das wurde etwas anspruchsvoller, zum Glück habe ich ja schon geübt
Schöne Feiertage Euch allen!
Euer Modell-Retter
Reinhard