Vom häßlichen Entchen zum Kriegshelden
Schlachtschiffe, Zerstörer, Uboote, all die stolzen Kriegsschiffe sind vor allem dazu da, die eigene Transportschifffahrt zu schützen und die gegnerische zu unterbinden. Und trotz ihrer enormen zahlen- und tonnagemäßigen Überlegenheit war die Royal Navy zu Beginn des zweiten Weltkrieges kaum in der Lage, die für das britische Empire überlebenswichtigen Frachter gegen die schwache Kriegsmarine zu schützen. Mit nur wenigen Ubooten und noch weniger Überwassereinheiten konnte Deutschland von Kriegsbeginn an mehr Frachter versenken als Großbritannien nachbauen konnte, so dass die Situation schnell bedrohlich wurde. Man wandte sich hilfesuchend an die USA, deren Werften zwar auch voll ausgelastet waren, die aber mit ihrer gigantischen Industriekapazität einfach neue Werften bauen konnten, und zwar viele..
Man entschied sich bewusst für einen zwar technisch veralteten, aber dafür leicht in großen Stückzahlen zu bauenden Entwurf, nämlich einen Stückgutfrachter aus dem Jahr 1879(!), dessen Konstruktion nur leicht überarbeitet wurde, um ihn an modernere Bautechniken anzupassen. Die Antriebsmaschine, eine Dreifachexpansionskolbendampfmaschine, stammte auch aus dem vorigen Jahrhundert und war viel weniger leistungsfähig als der lange übliche Dampfturbinenantrieb, war aber eben auch viel einfacher zu bauen und zu bedienen. Die ganze Konstruktion bestand aus ebenen oder nur in einer Richtung gebogenen Stahlplatten, die geschweißt statt genietet wurden, was viel Arbeit sparte. Oberste Priorität hatten klar Bautempo und Stückzahl; Qualität, Effizienz und Lebensdauer waren nachrangig. Daraus ergaben sich auch Probleme, einige Schiffe sind buchstäblich mittendurch gebrochen, aber das nahm man in Kauf, angesichts der deutschen Ubootoffensive sah man auch keinen Sinn in Verlängerung der Lebensdauer. Im Gegenteil meinte man, dass so ein Schiff sich schon mit einer Atlantiküberquerung bezahlt gemacht hätte. Wobei die Ingenieure natürlich viel aus den Problemen lernten, das kam aber erst späteren Typen wirklich zugute.
Das Bauprogramm wurde schnell ausgeweitet, es wurden 18 neue Werften mit 171(!) Hellingen errichtet. Allein schon die Arbeiter dafür zu rekrutieren und auszubilden (in Kriegszeiten..) war ein Mammutprojekt, wie es nur die USA stemmen konnten. Aber obwohl viele Frauen daran arbeiteten, was auch staatlich gefördert und propagiert wurde, wurde aus der ganzen riesigen Serie, alle wurden nach verstorbenen Personen getauft, nur ein einziges Schiff nach einer Frau benannt..
Gebaut wurden über 2700 Stück, dazu etwa 500 ähnliche Tanker. Etwa 200 wurden versenkt, erstaunlich wenig eigentlich, weniger als befürchtet jedenfalls.
Für den Bau des ersten Exemplares brauchte man noch 8 Monate, das Tempo wurde aber schnell gesteigert auf im Durchschnitt 40 Tage von Kiellegung bis Stapellauf. Der absolute Rekord waren 5 Tage, das war aber eher eine Presseshow. Und schon 1941 überstiegen die Neubauten die Verluste.
Bemannt und betrieben wurden die Schiffe von der US-Handelsmarine, damit hatten sie einen halbzivilen Status. Das Namenspräfix lautete daher S.S. für Steam Ship und nicht USS für United States Ship, trotzdem waren die Schiffe selber auch bewaffnet. Es gab bis zu vier mittlere Kanonen, vor allem zur Abwehr aufgetauchter Uboote gedacht, Kaliber 3in (76mm), 4in (102mm) oder 5in (127mm), und bis zu 8 von den allgegenwärtigen 20mm Oerlikon-Flak. Entsprechend verschieden war dann auch die Kopfstärke der Besatzung, für das Schiff selber waren etwa 45 Mann nötig, dazu die Kanoniere.
Die offizielle Typbezeichnung EC2-S-C1 war für den alltäglichen Sprachgebrauch zu unhandlich, und es gab zuerst wenig schmeichelhafte Spitznamen wie „Badewanne“ oder „Häßliches Entlein“. Präsident Roosevelt höchstselbst erklärte dann aber, dass diese Schiffe die Freiheit nach Europa brächten, und der Name „Libertyschiff“ wurde schnell üblich. Der ab 1944 produzierte modernere Nachfolgetyp hieß dann konsequenterweise „Victoryschiff“.
Nach dem Krieg wurden Hunderte zur Reserve versetzt und eingemottet, die meisten wurden aber an zivile Eigner verkauft und noch lange eingesetzt. Ab den 60er Jahren wurden sie dann massenweise verschrottet, die Instandhaltung war nicht mehr lohnend. Angesichts einer geplanten technischen Lebensdauer von 5 Jahren haben sie ziemlich lange durchgehalten.
Heute schwimmen noch vier Exemplare, zwei davon sind fahrbereite Museumsschiffe in den USA, eines ist stationäres Museum in Griechenland, und eines ist stationäre Fischfabrik in Alaska. Und viele Wracks liegen noch immer auf dem Meeresgrund, teilweise mit weiterhin hochexplosiver Ladung.
Das Modell
Es gibt von Trumpeter gleich zwei Bausätze, die die beiden betriebsfähigen Museumsschiffe in den USA zeigen. Ich habe hier S.S. John W Brown, erschienen 2006.
Dazu kommt ein kleiner aber feiner Ätzteilsatz von Toms Model Works
Demnächst in diesem Kino!