Hallo zusammen!
Nachdem ich endlich die Arbeit an ein paar Langzeitprojekten beenden konnte
, juckt es mir gewaltig in den Fingern, mich einer neuen Herausforderung zu widmen und ein neues Projekt zu beginnen. Wer mich aus dem Forum kennt, weiß, dass es mir Arbeitsschiffe der Hochseefischerei angetan haben.
Warum?
Nun, zum einen spiegeln diese Schiffe, genau wie andere Schiffstypen auch, den jeweiligen Stand der Schiffbautechnik dar - finden in der Regel jedoch weniger Beachtung als beispielsweise Kriegsschiffe. Fischereischiffe sind oft in sehr rauen Fanggebieten unterwegs, sie müssen daher sehr seefähig sein und über verlässliche technische Einrichtungen verfügen. Darüber hinaus zeigen sie auch, wie sich die Hochseefischerei im Lauf der Jahre und Jahrzehnte verändert hat - Von verhältnismäßig kleinen Segelloggern und Dampfschiffen über immer größere und später dieselgetriebene Seitenfänger hin zu Hecktrawlern und riesigen Fabrikschiffen, die die weitgehende Verarbeitung und Frostung des Fangs bereits an Bord ermöglichen.
Zum anderen waren und sind diese Schiffe durch ihren harten Einsatz äußerlich oft in einem schlechten Zustand, also sehr rostig - Und ich mag Rost
Mittlerweile hab ich in „meinem“ Maßstab 1:200 Fischdampfer, Seitentrawler und Hecktrawler gebaut. Ein Thunfischfänger befindet sich im Bau. Die logische Konsequenz für mich war also, mich irgendwann einem größeren Brocken zu widmen. Hier kommt der „Atlantik-Supertrawler“ ins Spiel, von dem ein Modellbauplan aus DDR-Zeiten existiert, den ich kürzlich ersteigern konnte.
Modell der „Arnold Zweig“ im Maßstab 1:50 im Meeresmuseum Stralsund (Foto: Wikipedia-User Klugschnacker unter Creative-Commons-Lizenz)
Ein kurzer Abriss zur Geschichte des Schiffstyps „Atlantik-Supertrawler“
Die DDR verfügte, obgleich sie selbst nur eine verhältnismäßig kurze Küstenlinie besaß, über eine sehr große Fischereiflotte mit Heimathäfen in Rostock und Saßnitz. Der Großteil dieser Flotte war in den
traditionellen Fanggebieten im Atlantik im Einsatz. Die Staaten, vor deren Küsten gefischt wurde (allen voran Island), setzten im Laufe der Jahre durch, dass ihre sogenannte „ausschließliche Wirtschaftszone“, also der Bereich, in dem einzig und allein sie über die Bewirtschaftung des Meeres bestimmten, mehrfach ausgeweitet wurde. Die Auseinandersetzungen zwischen Island und Großbritannien, dessen Fischereiflotte in großem Maßstab in dem betreffenden Gebiet vor Island fischte, waren denkbar handfest und wurden als
"Kabeljaukriege" (cod wars) bekannt. Die isländische Küstenwache versuchte, die englischen Trawler aus dem Seegebiet abzudrängen oder ihre Netze zu durchschneiden, während die britischen Schiffe wiederum von der Royal Navy beschützt wurden, die ihrerseits mehrfach die Küstenwachschiffe rammte.
HMS „Scylla“ und die „Odinn“ der isländischen Küstenwache kollidieren während der cod wars. (Foto: Wikipedia-User Isaac Newton unter Creative-Commons-Lizenz)
Die „Atlantik-Supertrawler“ waren laut Literatur wohl kein Eigenentwurf der Volkswerft Stralsund, sie wurden dort aber seit 1972 in einer Serie von insgesamt 201 Stück hauptsächlich im Auftrag der Sowjetunion gefertigt. Der Bau einiger „Atlantik-Supertrawler“ auch für die DDR-Flotte war letztlich die Reaktion auf die letztmalige Ausweitung der „ausschließlichen Wirtschaftszone“ zum 01.01.1977 auf 200 Seemeilen. Mit dieser Erweiterung gingen wichtige Fanggebiete verloren und mussten neue erschlossen werden. Die DDR-Fischereiflotte musste weitere Wege zurücklegen, die Schiffe länger auf See bleiben. Vor diesem Hintergrund baute die Volkswerft Stralsund zwischen 1976 und 1982 in zwei Serien insgesamt acht Atlantik-Supertrawler für die DDR-Flotte. Mit einer Länge von fast 102m waren sie bis zur Indienststellung der „Helen Mary“ (fast 117m) 1996 die größten deutschen Fangschiffe. (Die noch größeren DDR-Bauten „Junge Garde“ und „Junge Welt“ waren lediglich Transport- und Verarbeitungsschiffe, die mit einer Flotte von Zubringertrawlern arbeiteten.)
Die Schiffe konnten 14,6 Knoten fahren und waren sogar in antarktischen Gewässern im Einsatz. Ihr konnte autonom oder im Flottenverband mit Kühl- und Versorgungsschiffen erfolgen. In jedem Fall waren sie, in dem Versuch, das Fischen einigermaßen wirtschaftlich zu gestalten, lange auf See. Teilweise wurde der Heimathafen Rostock mehrere Jahre lang nicht angelaufen und es gab lediglich kurze Aufenthalte bspw. in kanadischen Häfen. Die Besatzungen wurden dann z.B. mit dem Flugzeug aus der DDR nach Kanada befördert... Eine schöne zeitgenössische Dokumentation über genau jene teilweise absurde Phase
der DDR-Fischerei gibt es auf youtube,
Teil 1 hier,
Teil 2 hier.
Dementsprechend heruntergewirtschaftet sahen die Schiffe im Einsatz dann auch aus. Siehe z.B.
dieses Foto. Da bietet sich auf jeden Fall genügend Alterungspotential für mein Modell
Nach der Wende wurden sukzessive alle DDR-Supertrawler ins Ausland, z.T. nach China, verkauft. Ob einer von ihnen noch betrieben wird, kann ich nicht sagen, aber Schiffe dieses Typs sind in verschiedenen
Pflegezuständen bis heute auf den Weltmeeren unterwegs. Siehe z.B.
hier,
hier und
hier.
Der Bauplan
Meine bisherigen Modelle sind fast ausschließlich auf Basis von Kartonmodellbaubögen entstanden. Warum also nicht auch diesmal? Es existiert tatsächlich ein Bogen dieses Schiffstyps vom MDK-Verlag.
(Sorry für das Hochkant-Foto, der jpg-compressor wollte es partout nicht im Querformat verkleinern
)
Allerdings gibt es bei diesem Modellbaubogrn zwei Probleme für mich:
Die MDK-Modelle werden nicht mit einem herkömmlichen Spantgerüst gebaut, das sich adaptieren ließe. Stattdessen wird die Außenhaut einfach mit einer Bodenplatte und dem Deck verbunden:
Diese Methode lässt sich für meine Bauweise nicht ohne weiteres übernehmen. Außerdem ergibt sich daraus das zweite Problem: Der Rumpf gibt nicht hundertprozentig das Vorbild wieder, da sich mit dieser Baumethode die charakteristischen Knicke im Bereich des Vorschiffes nicht realisieren lassen. Der MDK-Verlag hat sie entsprechend nur durch die Bedruckung angedeutet.
Außerdem wurde beim Kartonmodell auch nicht die nach innen geneigte Bugschanz realisiert, die ich ebenfalls recht prägend für das Gesamtbild empfinde.
Vor kurzem konnte ich einen alten Modellbauplan des „Atlantik-Supertrawlers“ erwerben, der zu DDR-Zeiten, genauer gesagt 1974, herausgegeben wurde. Er soll mir als Grundlage für mein Modell dienen.
Der Plan dokumentiert jedoch keinen der DDR-Supertrawler, sondern das Typschiff dieser Baureihe, die sowjetische „Prometey“. Das wird auf den ersten Blick vor allem an zwei Details deutlich: Die „Prometey“ war mit einem zusätzlichen Deck unterhalb der Brücke ausgestattet, das bei den DDR-Schiffen in dieser Form nicht zu finden war (Rote Markierung, rechts). Außerdem war das Schanzkleid auf dem Hauptdeck hinter dem Brückenaufbau bei den DDR-Schiffen durchgängig geschlossen. Bei der „Prometey“ ist das Schanzkleid hier niedriger und die Gangway ist an dieser Stelle angebracht.
Das kann man problemlos abändern. Soweit so gut.
Die ersten Schritte
Bevor ich mit dem Bau loslegen kann, musste ich mir die für den Rumpfbau wichtigen Teile des Plans erst einmal von 1:100 auf 1:200 verkleinern. Das geschieht mittels eines Kopierers. Der Plan ist entsprechend der Schiffsgröße riesig und passt nicht komplett (geschweige denn zur Hälfte) auf den Kopierer, weshalb ich Stück für Stück kopieren musste. Anschließend kamen Schere und Kleber zum Einsatz, um alles wieder korrekt zusammenzustückeln. Daraus entstand wiederum eine Kopiervorlage der wichtigen Teile, diesmal im richtigen Maßstab. Herausgekommen ist zu guter Letzt dies:
Damit kann ich jetzt daran gehen, das Spantgerüst auf Polysterolplatten zu übertragen und das Gerüst des Rumpfes zu bauen (die Zwischenräume zwischen den Spanten sollen später mit Balsaholz gefüllt werden). Schon jetzt wird für mich deutlich, was für einen Brocken ich da bald vor mir haben werde - Zumindest für meine Verhältnisse…
Weiter geht es dann im nächsten Beitrag - Diesmal dann mit weniger bla bla
Ich würde mich über eure Beteiligung an diesem Baubericht freuen!
Beste Grüße,
Alex