Moin Chris ... darf ich dich bei der Sortierung noch ein wenig unterstützen ?
... immer in der Hoffnung, daß den Plänen bald Taten in Form von Bauteilen folgen mögen ... denn dann wirds erst richtig spannend !
Deine Überlegungen zu den Seitentaschen wären richtig ... wären sie, wenn es sich um ein anderes Schiff mit anderen Plänen handelte.
Warum beginnst du ohne Notwendigkeit an diesem Punkt die Pläne umzuinterpretieren ?
Das ist nicht das was der damalige Planverfasser vorgesehen hatte.
Du hast uns in den vergangenen Woche schon so viele historische Graphiken vorgelegt, denen es allen gemeinsam war, daß Bereiche ohne Fenster ganz einfach ohne Fenster mit einem Leerfeld gezeichnet waren.
Das ist bis inklusive heute, im Zeitalter von digitalen Plänen, Sinn und Zweck in Plänen ... und noch immer so gebräuchlich.
Weiter vorne im Thread hattest du dich gefragt warum denn in der Heckansicht diese vier Felder in den Balkonbereichen außen ohne Fenster sind ?
Nun ganz einfach weil sie es sind. In diesen Bereichen sind keine Fenster vorgesehen. Sie wären schräg und zusätzlich auch noch geneigt.
Der Verfasser des Plans wäre perfekt in der Lage gewesen an dieser Stelle die Fenster in der erforderlichen räumlichen Verzerrung zu zeichnen ... wenn es sie denn gäbe.
Bei den Laternen oben drauf hat er gezeigt, daß er diese Darstellung räumlicher Verkürzung und Neigung mit höchster Präzision beherrscht.
Wenn er die Fenster dort in den Seitentaschen nicht gezeichnet hat dann aus der vollen Absicht, daß es diese dort nicht geben soll.
Das sind in den Seitentaschen ganz einfache, offene Balkone mit gülden dekoriertem Stützwerk.
Auch in der Seitenansicht sieht man diese Fenster nicht in räumlicher Verzerrung, was bei schrägen und gleichzeitig geneigten Fenstern erforderlich wäre.
Diese Fenster sind orthogonal mit gleichmäßigen Feldern dargestellt, was nur den Schluß zulassen kann, daß sie sich nicht in der Schräge der Seitentasche sondern direkt an der Bordwand in einer Ebene befinden.
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Zurück zu den hygienischen Installationen ... freut mich wenn euch dieses im wahrsten Sinne des Wortes anrüchige Thema gefällt.
Wenn man mal darauf achtet bekommt man ein Auge für viele dieser Details, die man sonst nie beachtet hatte, die aber dennoch vorhanden sind.
Interessanterweise sind diese auf den wirklich historischen Plänen und Graphiken meist vorhanden während sich so einige Planzeichner unserer Neuzeit ziemlich verschämt drumherum gedrückt haben.
Es stellte über ganze Zeitalter ein sehr wichtiges aber selten populäres Problem dar. Komplette Mannschaften waren durch mangelnde hygienische Zustände ausgefallen.
Wir sprechen hier, bis jetzt, ja nur über die Befindlichkeiten der Schiffsführung. Für deren Hinterlassenschaften gab es durchaus elegante Möglichkeiten der Entsorgung.
Den Hundertschaften der normalen Mannschaften blieb nur der Weg zum Bug, alternativ Eimer und die Stückpforten.
Auf dem einen oder anderen Van de Velde sieht man dies recht anschaulich dokumentiert.
Später wurden wenigstens in diversen Bereichen der Bordwände eine Art offene Pissoirbecken mit Leitungsführungen installiert ... eine Gelegenheit sein Wasser abzuschlagen ... das verringerte den Druck der Wege und Wartezeiten ein wenig.
Wer auch das nicht schaffte, was bei langen Warteschlangen, Diarrhöe oder auch stürmischem Wetter durchaus eine Herausforderung bedeutete, dem blieb nur es laufen zu lassen, im wahrsten Sinne des Wortes .
Wenn es in Folge, auf fast allen dieser Schiffe, erbärmlich stank lag es nicht nur daran, daß damals das Deo noch nicht erfunden war.
Man öffnete die einen oder anderen Stückpfortendeckel nicht nur um Feuchte aus dem Schiff zu lassen oder um etwas Tageslicht rein zu bekommen ... jedes Bisschen frische Luft war höchst willkommen !
Die Exkremente flossen dann, der Schwerkraft folgend, in den Fugen zwischen den Planken, entlang der Bordwand und anderen Bauteilen, bis hinunter in die Bilge ... bildete dort einen stinkenden Sumpf, der kaum auszuhalten war.
Dies mit der stetigen Tendenz sich mit zunehmender Einsatzdauer zu erhöhen ... zumindest die Stabilität des Schiffes erhöhte sich durch den zusätzlichen Ballast merklich. ( Bilgepumpen lösten das Problem übrigens nicht ... mal so nebenbei bermerkt. )
Mithin war auch das, mit all den sich dort fröhlich fortpflanzenden Bakterienkulturen, Ursache diverser Krankheiten.
Das kam dem Inhalt und betörenden Duft einer ungelüfteten Klärgrube in etwa gleich. Bon apetit !
Die dort gebildeten Biogase wiederum stiegen, den eben schon beschriebenen Fugen und Ritzen zwischen den Bauteilen folgend, überall im Rumpf nach oben ... es war im Inneren ja nicht alles kalfatert und, ja, es stank zum Himmel ... mit Ausnahme des CO2, das bekanntlich schwerer als Luft ist und sich unten sammelte.
( What goes up must come down .. und vice versa )
Diese tiefsten Bereiche der Schiffe mußten spätestens alle paar Jahre von speziellen Reinigungstrupps gereinigt werden. Man kann sich vorstellen, daß das ein sehr beliebter Job war ...
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Deine neuen Leitungsführungen sind sicherlich kreativ. Sie würden aber Toiletten und ihren Lauf im zentralen Bereich wichtiger Prunk- und Versammlungsräume bedeuten ... das wußte man durch die Anordnung derselben an den Außenecken erfolgreich zu vermeiden.
In praktisch allen mir bekannten Schiffen dieser Zeit kommt man mehr oder weniger zentral rein und hat dann einen weitgehend ungetrübten Blick geradeaus auf das Meer hinter dem Heck, oder etwa nicht ? .. deshalb zum Beispiel dort die Erscheinungsbalkone, Kapitätsräumlichkeiten, Messe etc ...
Dort wo es bei wirklich vielen Schiffen dieser Epoche dokumentiert ist, obendrein auch noch bei praktisch allen seefahrenden Nationen, also links und rechts außen, hat das schon seinen Sinn.
Es handelt sich um Jahrhunderte der Erfahrung, teilweise schon ab dem späten Mittelalter, warum das praktisch überall in etwa gleich gemacht wurde.
Auch in den Graphiken der französischen Schiffe befinden sich diese Rohrenden immer mehr oder weniger an den Außenecken ... zum Teil aber wesentlich schöner verziert als das auf der obigen Graphik des niederländischen Schiffes war.
Ich sehe da keine Notwendigkeit, als Gegensatz zu den in den Zeichnungen klar erkennbaren Rohrenden, etwas komplett Neues zu erfinden ... das obendrein historisch nicht gesichert ist.
Auch der Schluß, es würde zu einem Exkrementeregen Richtung Stückpforte achtern kommen, ist nicht stichhaltig. Nur dort gibt es diesen starken Überhang der automatisch ein bis zwei Meter Abstand bildet, wo das praktisch nicht möglich ist. Das wäre an jeder anderen Stelle des Rumpfes wesentlich schlimmer ... selbst bei starkem Wind von achtern.
Und um den Bogen wieder zu schließen ... die FLEURON bekommt nach Plan einen hübschen Hintern ... mach ihn doch einfach so !
Ich freue mich schon so sehr auf die ersten Modellteile ... deshalb sind wir doch hier