Das Bemalen von Artitec Resinmodellen am Beispiel der "Sieben Provinzen"
Über die Bemalung der Artitec-Modelle
Die Modelle der Firma Artitec bieten die Möglichkeit, Schiffe des 17. Jahrhunderts in ihren Originalfarben darzustellen, das heißt: so, wie sie von der Werft kamen, oder so, wie sie nach langen Jahren auf See aussahen. Viele Modellbauer schwören zwar auf Holz als Baustoff für ihre Modelle, tatsächlich lässt sich Echtholz aber nicht so nuancenreich bemalen wie die Resinoberflächen der Artitec Modelle, in die neben vielen Details auch sehr dezente Holzstrukturen graviert sind. Diese Oberflächen kann man mit verschiedenen Farben bemalen und auf vielfältige Art und Weise so behandeln, dass derselbe Eindruck entsteht, der von den zeitgenössischen Schiffsdarstellungen ausgeht. Ein Artitec Modell zu bauen kann bedeuten, ein „dreidimensionales Gemälde“ zu schaffen, das denen der holländischen Marinemaler des Goldenen Zeitalters durchaus ähnlich sieht. (Übrigens können im Gegensatz zum Holzmodell beim Resinmodell misslungene Bemalungen ohne eine Beschädigung der Oberfläche mit einem Ablackierer wieder beseitigt werden!)
Ich beschreibe im Folgenden die Bemalungstechnik, die mir Herbert Tomesen von Artitec vermittelt hat. Mit ihr sind alle Modelle des großen Dioramas im Museum von Texel gestaltet. Als Beispiele habe ich einen Teilabguss des Rumpfes, ein Deck und den sehr detaillierten Heckspiegel der „Zeven Provincien“ gewählt. Das Prinzip dieser Bemalungstechnik, die aus zwei Arbeitsgängen besteht, ist praktisch auf alle Artitec Modelle übertragbar.
Zuerst müssen die Teile vorsichtig, aber gründlich gereinigt werden, am besten mit Lauge und einer weichen Bürste. Dann werden sie grundiert. Ich habe dazu Humbrol 63 genommen. Doch auch andere mittlere Holztöne sind möglich, etwa 110, 94 und 29. Die Grundierung kann mit einer Airbrush erfolgen, um sicherzustellen, dass genug, aber nicht zu viel Farbe aufgelegt wird. Zuviel Farbe würde die feinen Strukturen zum Verschwinden bringen. Andererseits wird die Farbschicht durch die folgenden Prozesse mechanisch belastet; sie sollte also auch nicht zu dünn sein. Es ist überdies ratsam, sie sehr gut austrocknen zu lassen, also mindestens drei Tage. Das Deck habe ich größtenteils mit Humbrol 28 gestrichen, das für einzelne Planken mit verschiedenen Anteilen von Humbrol 63 abgemischt ist. Eine andere Deckvariante besteht aus der Mischun Humbrol 110 und Humbrol 127.
Anschließend werden alle Teile, die später nicht holzfarben sein sollen, mit Humbrolfarben angemalt. Für das Blaugrau der oberen Bordwandbereiche und den Fond des Heckspiegels habe ich Humbrol 157 gewählt, das man nach Geschmack mit ein wenig Weiß aufhellen kann. An der Bordwand habe ich die Nägel und Bolzen mit kleinen Tupfen Schwarz versehen, die ruhig etwas größer sein können als der Bolzen selbst. Das Wappen auf dem Heckspiegel ist mit Gold (Humbrol 16 oder Revell 94) ausgelegt, die Löwen und einige Details der Wappen sind mit Humbrol 60 und Weiß gestrichen, die Draperie neben dem Wappen mit einem aufgehellten Humbrol 19. Die großen Figuren an der Seite und die Köpfe der Hermen sind mit einer Fleischfarbe (Revell 37 oder Humbrol 61) gestrichen. Wie weit man die farbliche Detaillierung des Heckspiegels treiben will, ist natürlich Geschmackssache und eine Frage von gutem Auge und ruhiger Hand. So lassen sich zum Beispiel die Köpfe der Figuren im unteren Bereich naturalistisch gestalten.
Nun könnte man sagen: Die Teile sehen aus wie unambitioniert bemalte Plastikmodelle! Das stimmt. Aber die Grundfarben sind so gewählt, weil erst in einem zweiten Arbeitsgang das endgültige Erscheinungsbild hergestellt wird. Dazu werden sie zunächst mit Vandyckbraun der Firma Schmicke überzogen, einer Ölfarbe, die in Tuben erhältlich ist. Man sollte diese Farbe möglichst unverdünnt auftragen; das sorgt später für einen wärmeren Farbton. Wo das nicht möglich ist, kann man sie ein wenig mit „Rapid Medium“ von der gleichen Firma verdünnen. Man sollte darauf achten, die Farbe in jede Fuge oder Vertiefung zu bürsten.
Nach wenigen Minuten heißt es dann, die Ölfarbe wieder möglichst vollständig zu entfernen. Die Werkzeuge dazu sind: Lappen oder Zellstoff, mit der Hand oder dem Finger geführt oder mit einer Pinzette in schwer zugängliche Stellen gedrückt, Pinsel mit kurz geschnittenen Borsten, normale Q-Tipps oder die speziellen Wattestäbchen der Firma Tamiya. Hier muss man improvisieren, je nach der Gestalt des Teils. Am besten, man hat viele solcher Hilfsmittel parat liegen. Doch keine Bange: Man hat für den Vorgang des „Säuberns“ einige Zeit zur Verfügung; die Ölfarbe trocknet recht langsam und lässt sich auch nach Stunden noch entfernen.
Bei diesem „Säubern“ geschieht nun Zweierlei. 1. Die Ölfarbe geht eine gewisse Verbindung mit den Grundfarben ein. Sie werden abgedunkelt und bekommen alle denselben warmen Ton; das erhöht die realistische Wirkung enorm! 2. Die Ölfarbe, die sich aus Fugen, Ritzen und Kanten nicht vollständig herauswischen lässt, betont wie ein künstlicher Schatten die Konturen; außerdem hebt sie die feine Maserung der gravierten Planken hervor. Erst bei diesem Verfahren zeigt sich, wie detailliert und naturgetreu die Oberflächen der Modelle gestaltet sind.
Das Entfernen der Ölfarbe erfordert Geduld und Geschick, außerdem ist es ein gestalterischer Akt, weil man dabei entscheidet, wie „neu“, „gebraucht“ oder „vernachlässigt“ das Modell aussehen soll. Schiffe, die gerade aus der Werft kamen, waren damals sehr üppig bemalt, mit Farben, die für den heutigen Geschmack vielleicht etwas schreiend wirken. Aber Wind und Wetter veränderten schon bald das Erscheinungsbild der Schiffe. Die Farben verblichen oder blätterten ab, Pulverdampf schwärzte die Bereiche um die Stückpforten, die Decks bleichten in der Sonne. Später wurden die Farben der Verzierungen womöglich nicht mehr aufgefrischt; vielmehr überstrich die Mannschaft die Figuren und Ornamente mit Teer. Schiffe, die „Braunschwarz über alles“ waren, dürften keine Seltenheit gewesen sein.
Bei Bedarf kann man bestimmte Bereiche stärker abdunkeln, indem man sie ein zweites Mal mit Ölfarbe überstreicht, z.B. den Bereich um die Stückpforten, wenn man ein Modell so darstellen will, wie es aus der Schlacht gekommen ist. An der Bordwand habe ich den unteren Teil bis zum zweiten Barkholz noch einmal mit einer mehr ins Goldbraun abgetönten Ölfarbe überstrichen. Damals schützte man diesen Bereich mit einem zusätzlichen Überzug aus Teer.
Wenn die Ölfarbe angetrocknet ist, kann man bestimmte Partien auch wieder betonen, indem man sie mit ganz wenig Grundfarbe „trockenmalt“, d.h. mit einem ganz ausgestrichenen Pinsel flach überstreicht. Das setzt „Lichter“ und erhöht den realistischen Eindruck. Bei der „Zeven Provincien“ könnte man z.B. das Wappen in einem besseren Zustand als seine Umgebung darstellen, weil es auf Anweisung des Kapitäns gerade nachgestrichen wurde.
Eine alternative Methode besteht darin, ALLES zunächst mit Humbrol 63 und eventuell anderen Holztönen zu bemalen oder zu spritzen, dann gleich mit unverdünntem Vandyckbraun zu überziehen und die Farbe wie beschrieben wieder abzuwischen. Wenn man mit dem Ergebnis zufrieden ist, sollte man es ein paar Tage lang austrocknen lassen. Nun kann man die anderen (bunten) Farben auf die Holzfarben auftragen. Der Vorteil dieser Methode ist: Man kann weitere Effekte erzielen, indem man zum Beispiel transparent malt, so dass die Holzstrukturen unter der Farbe sichtbar sind. Das gilt etwa für den oberen Teil der Bordwand oder die Handläufe. Nach dem Trocknen der bunten Farben kann man sie ggf. mit Vandyckbraun wieder etwas abdunkeln.
Beim Deck ist es auch eine gute (und schnelle!) Methode, es in einer einzigen Farbe (z.B. Humbrol 28 ) oder einer Mischung (Humbrol 110 und 127) zu streichen und dann beim Abwischen der Ölfarbe mit einem Wattestäbchen einzelne Planken stärker zu säubern als andere. Ein letzter Tipp: Teile, die etwas sauberer aussehen sollen als ihre Umgebung, etwa die Figuren am Heckspiegel, lassen sich am besten mit der Fingerkuppe reinigen.
Wichtig ist bei allem, dass man sich freimacht von der Vorstellung, es gebe ein „richtiges“ oder „falsches“ Aussehen der Schiffe. Auf den Gemälden der Van de Veldes und anderer Maler sieht man Schiffe in sehr verschiedenen Erhaltungszuständen. Dabei sorgt der Überzug mit der immer gleichen Ölfarbe dafür, dass ein glaubhafter Gesamteindruck entsteht und alle Schiffe, egal in welchem Zustand sie dargestellt sind, gut zueinander passen.