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Bonsoir Mesdames et Messieurs.
„Auch wenn Euer Gnaden sehr früh erscheinen ehrt es uns über alle Maßen, dass Euer Durchlaucht den Osterspaziergang unterbrechen um in unserem Kaminzimmer Einkehr zu halten.“
„Wir wissen das zu schätzen, schließlich ist Ostern eine ganz besondere Zeit. Zeit also, Euer Gnaden auch etwas Besonderes zu bieten. Und was bietet sich aktuell bei uns besser an als die Zwölfpfünder im sichtbaren Bereich der Kuhl, also der mittleren Zone des Oberdecks, die gerade fertiggestellt wurden.“
„Nehmt Platz und macht es Euch bequem. Wir bitten den mangelhaften Komfort zu entschuldigen, aber bei dem Personal was man heute findet, geht es auf dem Schiff eben nur schleppend voran.“
„Beenden wir das Thema und lasst uns lieber über den Grund Eures Hierseins sprechen.“
„Man behauptet, zu unseren Zeiten wäre das Segelschiff die komplexeste, je von Menschenhand geschaffene Maschine, angetrieben nur vom Wind.“
„Gleichermaßen wird ebenfalls mit allerlei Finesse und Akribie versucht weitere Gerätschaften zu entwickeln, um diese Meisterleistungen der Schiffsbaukunst an jedem Ort der Welt bei diplomatischen Missverständnissen möglichst schnell wieder in ihre Einzelteile zu zerlegen. Typisch Homo Sapiens, edel geht die Welt zugrunde.
Wie Ihr wisst, sind neben Sandbänken, Untiefen und mangelhaften navigatorischen Fähigkeiten der Schiffsführung am besten dazu jene Apparaturen geeignet, die man im Volksmund gemeinhin als Geschütze bezeichnet.“
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Man kann es drehen und wenden wie man will, sie sind integraler Bestandteil und gehören daher neben den Rüsten auch zu den „Big Five“ eines historischen Segelschiffes, um es einmal in der Sprache von Safariliebhabern auszudrücken.
Big Five bedeutet mal schauen, was im Maßstab 1:100 wirklich machbar ist. Diese Geschütze bilden quasi dann auch den Ausgangspunkt für die späteren, auf den obersten Decks befindlichen Achtpfünder.
Es lässt sich trefflich darüber diskutieren, ob solch ein Detaillierungsgrad in diesem Maßstab wie nachstehend gezeigt Sinn macht. Da ich aber die Decks eher puristisch ausstatten will, fällt des Betrachters Auge umso mehr auf die wenigen Ausrüstungsgegenstände und diese sollten dann schon von einem hohen Detaillierungsgrad sein.
Inzwischen habe ich mich auch dazu entschlossen, die Pforten auf der Steuerbordseite nicht zu schließen, sondern diese beiderseits im ausgerannten Zustand zu belassen. Ich denke allerdings darüber nach, die Achtpfünder teilweise in verzurrter Weise darstellen, mehr dazu an anderer Stelle.
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Nun zum Thema:
Es geht um den Versuch einer modelltechnischen Rekonstruktion historischer Schiffsgeschütze auf französischen Linienschiffen zum Ausklang des 17. Jahrhunderts mit möglichst vielen, am besten allen Beschlagteilen, basierend auf einem Bausatz in M 1:100, nicht mehr und nicht weniger.
Die zur Verfügung stehenden französischen Quellen sind allesamt sehr übersichtlich und bestehen im Wesentlichen wieder aus den üblichen Verdächtigen in meiner selbstgewählten Rangfolge:
- Dem Konstruktionsbuch „Description du vaisseau le Royal Louis“ von 1677,
- mehreren historischen Schiffsmodellen aus Frankreich, wie z.B. der Royal Quinze von 1728,
- dem Fund eines Vierundzwanzigpfünders in Le Croisic von 1955, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf der SR I von 1669
und später auf der SR III 1759 zum Einsatz kam,
- dem Album de Colbert von 1671,
- den Erläuterungen von Jean Boudriot mit Einschränkungen
- und als reine Untermalung dem Buch von Edmond Pâris
Zunächst noch einmal einen Sprung zurück zum
Beitrag Nr. 1225 und folgender Aufnahme, wo zusammengefasst die recherchierten einzelnen Bestandteile eines solchen Geschützes hergeleitet wurden. Ich stelle jetzt hier nur die Zeichnung ein, den textlichen Beitrag bitte ich bei Bedarf dort nachzulesen.
So weit, so gut.
Und um es kurz zu machen, das zugehörige Ergebnis nach der Umsetzung.
Man sieht schön die gegenüber landgestützten Ausführungen etwas verlängerte Kanone. Die Vorderachse wurde meist lotrecht unter den Schildzapfen angeordnet, während sich die Hinterachse in den meisten mir bekannten Darstellungen ungefähr mittig zwischen dem vorletzten Plateau befand. Die Räder, vorne etwas größer als hinten um den Decksprung auszugleichen, waren im 17. Jh. des Öfteren mit einem Beschlagring versehen und mit konischen Radzapfen gesichert. Die Schildzapfen und deren Sicherungen waren zum Ausklang der Delfine angeordnet und die Lafettenwände durch Koppelstangen mit Distanzscheiben und Verschraubung vorne und hinten verspannt.
Hinzu kamen noch die unterschiedlichen Ringbolzen für Seiten- Kanonen- und Rückholtakel, sowie Griffe bzw. Haltetaue für die Richt- und Unterlegblöcke der Kanonen. Das war es auch schon, um einmal im Großen und Ganzen die wichtigsten Bestandteile zu nennen.
Nicht zu vergessen die Kanone selbst, die zu jener Zeit aus Bronze gegossen wurde. Eine sehr aufwendige, jede Menge Know How fordernde und vor allem sehr teure Angelegenheit, aber Qualität hatte schon immer ihren Preis.
Was die Farbgebung der Lafetten betrifft wurden diese nach Auswertung von zeitgenössischen Quellen, Gemälden und vor allem den oben erwähnten historischen Schiffsmodellen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in gleicher Farbe wie die Innenseiten der Bordwände, also vornehmlich in Rot ausgeführt.
Das entbehrt damit nicht einer gewissen Komik.
Das Ausgangsmaterial von Heller ist in rotem Polystyrol gehalten, danach wurden die Teile jedoch weiß grundiert nur um anschließend wieder abgeschliffen zu werden, um eine Holzmaserung zu betonen. Damit waren diese wieder weitgehend rot und wurden am Ende mit meiner Mischung aus Rot und Ocker, die auch u.a. für die Schanzkleider benutzt wurden, erneut rot gestrichen. Bei den Bronzekanonen war es einfacher, hier ergibt sich der Farbton durch das Material selbst.
Die modelltechnische Umsetzung begann wie bei vielen Dingen mit einer Art zeichnerischen Stoffsammlung:
„Zugegeben, dies ist auf den ersten Blick wohl doch etwas unübersichtlich. Da Ihr von mir einen besseren Service gewohnt seid, gibt es nachstehend wieder die übliche Referenzaufnahme mit Verweisen auf die entsprechenden Stellen des Bauberichtes.“