Nabend!

Ich hatte ja bereits anklingen lassen, womit ich mich im Moment so verstärkt beschäftige und warum ich in der letzten Zeit nichts Neues im Baubericht abliefern konnte: Es geht ans Takeln.
Als literarische Bezugsquelle nehm ich zwar den altbewärten Mondfeld, aber auch speziell meinen Hoeckel ("Modellbau von Schiffen des 16. und 17. Jahrhunderts"), den ich in Teilen besser finde. Besser, da er einfach übersichtlicher und systematischer ist. Auch ist er in der Erklärung teilweise einfach verständlicher, finde ich zumindest.

Außerdem habe ich einen sehr schönen Plan aus ebendiesem Buch, den ich immer wieder als Gesamtübersicht zu Rate ziehen kann. Zwar zeigt dieser die "Revenge", von der Takelage bzw. vom Segelplan entspricht er jedoch nahezu 1:1 der Besegelung der "Madre"- natürlich unter der Berücksichtigung, dass es sich bei letzter um ein spanisches Schiff mit entsprechenden Unterschieden handelt. Aber trotzdem ist der Plan eine gute Hilfe. Soweit vorweg also.
Natürlich habe ich bei der Arbeit am Rigg erstmal mit den Seitentakeln des Fockmastes angefangen. Die heute vorgestellten Ergebnisse beziehen sich sowieso fast alle nur auf den Fockmast, um den ganzen Rest mache ich mir zwar bereits jetzt Gedanken, aber das blende ich erstmal soweit aus. Wichtig ist es mir mehr, systematisch und in der richtigen Reihenfolge, quasi "schichtweise" vorzugehen und nach und nach den ersten Mast fertigzustellen und dann weiter zu machen.
Nach den Seitentakeln habe ich dann mit den Wanten bzw. mit den paarweisen Hoofdtauen angefangen. Ich hab mir nochmal Gedanken gemacht und mich doch dazu entschieden, die vordersten Hoofdtaue der Wanten komplett zu kleiden, ebenso die Stellen der Wanten und der Stage, die um die Masten herumführen und dort mit einer sogenannten Stagmaus versehen werden. Diese verhindern, dass sich die Schlingen zusammenziehen.
Hier also erstmal die Hofdtaue/ Wanten, die bereits um die Jungfern geführt und dort zusammengebunden sind:
Bei den Taustärken orientiere ich mich grob aber nicht unterwürfig am Taustärkenrechner. Vieles sieht, trotz wahrscheinlicher historischer Korrektheit, teilweise einfach nicht aus. Es wirkt manchmal zu fett oder aber auch zu filigran. Außerdem habe ich nicht zwanzig verschiedene Taustärken sondern habe mich auf ca. sechs bis acht Moropestärken beschränkt. Vielfach habe ich dann gerundet. Das sollte bei einem derart kleinen Modell okay gehen. Allerdings unterscheide ich schon zwischen links und rechts geschlagen beim stehenden Gut.
Die Jungfern beim linksgeschlagenen Tau haben seltsamerweise die Neigung, sich zu verdrehen. warum das so ist, hab ich noch nicht rausgefunden. Mal sehen, ob man das noch irgendwie korrigieren kann?!
...auf Steuerbord tun sie das ulkigerweise nicht!
Nachdem sämtliche Wanten gegeneinander in der Spannung ausgeglichen wurden und alle Junfern und die Reeps auf eine Länge gebracht worden sind und- ganz wichtig- der Fockmast nicht zu irgendeiner Seite Verzug bekommen hatte, hab ich dann alles fixiert und hab mit dem Part angefangen, den alle Takelexperten hier wohl so sehr lieben wie ich: Ausweben, Ausweben, Ausweben!!!

Das dauert. Aber: man wird komischerweise immer routinierter! Mit der Pinzette in der einen Hand und den Einfädler zwischen den Zähnen ist man im Laufe der Zeit mit den Webleinenstegs echt fix, eine Reihe dauert dann nicht mehr zehn, sondern auf einmal nur noch fünf Minuten. Und genauer wird man auch, da man nach und nach ein Gefühl für den Durchhang der Webleinen entwickelt! Die Webleinenreihen habe ich jeweils exakt übereinander anbringen können, da ich über jede fertige "Etage" ein Stück Tamiya-Tape geklebt hatte, das ich auf eine Höhe von 5mm zurechtgeschnitten habe.

Das Ergebnis, das eigentlich nur einer simplen Idee entstammte, da ich keine Lust auf die Schablonenanfertigungs-und-hinter-die-Wanten-klemm- Arie hatte, funktioniert eigentlich genausogut, ist aber einfacher und schneller!
Hier also die Wantenergebnisse:
Hier sieht man auch bereits die Püttingwanten. ich wusste zuerst nicht, ob und wo die in dieser Epoche befestigt wurden und ob die Topgasten den Einstieg in die Marsen durch die sehr schmalen Soldatengatts hingekriegt haben. Deshalb habe ich sie nicht unter der Mars, sondern seitlich an der Mars nach oben geführt. Sieht zwar realistisch aus und gefällt mir auch so, allerdings mach ich hier mal ein kleines historisches Fragezeichen: "?" Auch war ich mir nicht so sicher bei der Brammars, die in meinem Falle ja auch ein Mastkorb ist, in den der Spanier als solcher ja auch irgendwie reinmusste. Deshalb hat auch diese Püttingswanten, allerdings nur zweizügig pro Seite, aber ausgewebt. Die Bramstengewanten sind jedoch nicht ausgewebt. Waren sie eh kaum und schon wohl gar nicht, wenn es pro Seite nur zwei Stränge waren?!
Allerdings habe ich in den Marsen die Jungfernzahlen wieder auf drei reduziert! Vier waren definitiv zuviel, da der erste wantenstrang dann vor der Stenge gesessen hätte und ein Anbrassen der Marsrahen wohl schwierig geworden wäre...
An eventuellen farbliche Nachbesserungen arbeite ich natürlich später noch. Erstmal geht's ja hier erstmal um's Wesentliche!
Dann habe ich mich auch schon mal erstmalig um den Bugspriet näher gekümmert: Das Vorstag wurde gesetzt (ebenfalls gekleidet und mit Stagmaus versehen), d.h., die Stagjungfer am Spriet hat nun ihren Gegenspieler bekommen. Ich hab dabei übrigens festgestellt, wie sehr eine Talje aus fünflöchrigen Jungfern im Gegensatz zu dreilöchrigen stabiler ist: Zwar muss man ohne Ende Tau dichtholen, aber was steif gesetzt ist, ist es auch richtig!!
Und last but not least die übrigen Stage, die an den Bugspriet angreifen. Allerdings sind fast alle noch nicht steifgesetzt: Das kann ich erst mit den entsprechenden Gegenspielern der weiteren Takelage machen. Beim Vorstengestag wird der geneigte Mondfeldleser natürlich sofort erkennen, dass es sich hier um eine spanische Sprutenvariante handelt, und zwar passend zum ausgehenden 16. Jahrhundert. Ich finde Details mit Spruten ja irgendwie immer geil und als Hingucker. Auch wenn sie in der Herstellung immer ohne Ende nerven, bis alle gleichstramm sitzen. Aber diese Stagform wollte ich einfach haben und deshalb hatte ich meine vorherige, doch eher englische Variante in Blockkombination auch gleich am nächsten Tag mit der Schere wieder amputiert. Wir wollen ja nicht schludern!
Was man hier noch sieht, sind die bereits gesetzten fliegenden Pardunen, welche über Taljen und nicht über Jungfern steiggesetzt werden. Diese greifen jeweils in Ringbolzen auf den Rüsten hinter den Jungfern. Dort sind sie mit "S"Haken, die ich mit einer Rundspitzzange ähnlich wie Augbolzen biege, eingeklinkt.
So, ich hoffe, ich hab Euch nicht zu sehr vollgesabbelt?! Aber ich wollte Euch doch zumindest mal meine Neuigkeiten vorstellen. Klar geht's langsam voran, aber ich finde immer, dass ein Modell mit der Takelage irgendwie erst lebendig wird, so sehr alle sauberen Rumpfarbeiten auch wichtig sind.
Soweit also für heute!
Schöne Grüße
Chris