Ich bin ja im Modellboard und zeitweise auch beim Napoleon-Forum aktiver in Constitution-Diskussionen verwickelt und habe mittlerweile in ca. 6 Jahren doch das ein oder andere Buch gelesen. Meine Theorie (die ích offenbar gern wiedergebe, wie man hier sieht ;-) ) basiert auf dem nicht bewiesenen "Fakt" (das von einigen eben bestritten wird), dass das sogenannte Isaac-Hull-Modell im Peabody-Essex-Museum in Salem, MA, USA tatsächlich das Modell ist, das die Manschaft 1812 Cmd. Hull geschenkt hat. Wäre das so, würde das Schiff, das einige Schwächen enthält, den Zustand der ersten erfolgreichen Schlacht der Constitution im Krieg 1812 darstellen. Also noch ohne die Bridle-Ports (das sind die vordersten "Stückpforten") aber sonst ziemlich wie der Revell-Bausatz. Wenn Du im Modellboard mit der Suchfunktion nach Isaac-Hull-Modell suchst, findest Du dort Bilder des alten Modelles.
Der Schmuck an Bug und Heck des Revell-Modells basiert auf diesem Modell. Ich glaube, dass das realistisch ist und gut hinkommt.
Kritische Stimmen zum Modell (und damit zu meiner These) merken den z. T. widersprüchlichen und z. T. sehr plumpen Zustand einiger Details an. Die Kanonen beispielsweise sind völlig schwache .. Karikaturen von Kanonen. Es gibt einen norwegisch-amerikanischen Autor (Eriksson) der ein Buch geschrieben hat (Constitution - all sails up and flying) in dem er beschreibt, wie er das Hull-Modell untersuchen durfte und was seine Schlüsse sind. Wenn Du die Google-Buchsuche nutzt, kommst Du zu einer online-Auszugsdarstellung. Die Kapitel zum Hull-Modell waren zuletzt lesbar.
Er kommt zum Schluss (kurz gesagt), dass ein Mitglied der Manschaft das Modell begonnen hat, und dass es in großer Hast beendet wurde, was den irren Unterschied in der Qualität der Ausführung erklärt. Er glaubt, das "bewiesen" zu haben - ich würde nach hiesiger rechtsauffassung bestenfalls ´von "Indizienbeweisen" sprechen. Historiker (also wissenschaftlich arbeitende!) nehmen einen Hinweis erst dann wirklích ernst, wenn es zwei völlig unabhängige Quellen zu dem Thema gibt, die sich entsprechen. Das kann Mr. Ericsson so aber nicht liefern.
Dennoch glaube ich, dass das Salem-Modell das Hull-Modell ist. Und damit ist es für mich das beste Abbild des Schiffes im Spätjahr 1812. Dafür sprechen in meinen Augen auch, dass der Schmuck an Bug und Heck relativ gut gemacht wurde. Einzig die Fenster am Heck scheinen etwas schlampig gemacht - und Trennfugen deuten an, dass dort etwas "passiert" sein könnte. Gerade die Fenster der Seitengalerien sind deutlich besser gemacht. Eventuell ist auch hier das Phänomen: Schmuck an Bug und Heckspiegel stammt vom (sehr guten) ersten Modellbauer. Fensterreihe des Hecks vom (schlechten oder eiligen) letzten Modellbauer ... aber wer weiss das schon. ...
Etwas später - unter Bainbridge glaube ich - wurden die Bridle-Ports am Bug eingebracht. Die hatten aber ursprünglich ein anderes "Format"(vermutlich etwas kleiner) und einen etwas anderen Platz als das im Revell-Modell und heute der Fall ist. Noch später wurden zumindest die Bridle Ports angepasst und so groß gemacht, dass sie den Stückpforten entsprechen - angeblich damit ein Jagdgeschütz dort aufgestellt werden könne (was vermutlich aber nur ging, wenn eben Geschütz Nr. 1 dorthin gesetzt und weit nach vorn geschossen wurde (also nicht wie bei den anderen zur Seite!) - sonst wäre das Geschütz unweigerlich mit dem ersten Geschütz und/oder einigem Interieur für die Anker im Kanonendeck in Kollision gekommen.
Die Stückpforten wie im Revell-Modell entsprechen vermutlich den 1927er Plänen. ..
Die Deckel .. auch da halte ich mich an das Hull-Modell: nur die erste (echte Stückpforte) hat einen geklappten Deckel - der Rest wohl nur herausnehmbar. Ob die geteilt oder einstückig waren ... das weiss man wohl nicht.
Ich denke also, dass man mit dem Bug und dem Heck des Revell-Modells - auch mit Schanzkleid - recht gut am Original von 1812 liegt... aber alles hängt am Fakt, ob das Modell in Salem das Hull-Modell ist - und wie gut das Hull-Modell gerade diese Details wieder gibt. ...
Im Moment würde ich die allererste Pforte zu machen und so verspachteln, dass es als Pforte nicht erkennbar ist - und dann der am Revell-Modell zweiten Pforte einen mit scharnier befestigten Deckel spendieren (wie am Hull-Modell) .. und die anderen Deckel weg machen (die Lücken zuspachteln). Ich glaube, das gibt das Hull Modell recht gut wieder. Auch bei den Farben hielte ich mich weitestgehend an das Hull-Modell! Also Schanzkleid und Sülle in grün - Kanonen-äh.. gun carriages .. wie war noch der deutsche Ausdruck??? .. in rot.
Das Ericsson-Buch stellt für mich auch DIE Darstellung der Takellage dar - ohne es allerdings tatsächlich im Details nachgeprüft zu haben. Der Autor hat englische und amerikanische Takelungstechniken verglichen und das Schiff nach den Aufschreibungen eines Midshipmen von 1835 nachgebaut. In dem 1835er Refit war die Auflage der Admiralität, die Takelage in den Zustand von 1812 zu versetzten. Das ist sicher nicht in jedem winzigsten Detail gelungen - aber ich denke, man kann der Ansicht von Ericsson folgen, dass das Dokument von 1835, die vorgaben amerikanischer "Lehrmeinung" und seinen selbst gemachten Versuchen zu einem sehr guten Abbild des "richtigen" Rigg führen wird. .. gut: er selbst spricht von "exact" und "as it was" ... Aber das ist vielleicht auch nur eine typisch amerikanische selbstdarstellung, die man nicht zu wörtlich nehmen sollte. Sind halt kulturelle Unterschiede im Sprachgebrauch .. ;-)
Ui.. schon wieder klug geschissen! Für alle, die mir das alles glauben wollen zur Mahnung! Im Gegensatz zur aktuellen Gepflogenheit in deutscher Haute Volée habe ich mir meine MEINUNG (mehr ist das hier Gesagte bitte schön nicht) vor allem aus Sekundärliteratur zusammengereimt. Morgen schon kann ein Gemälde, ein Dokument auftauchen, dass mein Gedankenmodell (das alles auf dem Hull-Modell basiert) ins straucheln bringen!!! Obacht also: mir nicht blind vertrauen - ich war doch auch nicht dort! ;-)