Ein herzliches "Tach zusammen!" an alle Schiffsnarrischen !
Und einen besonders guten Tag an Jojo ! Den hat er sich mehr als
verdient! Joachim, was du da in deine Wohnzimer-See gesetzt hast, ist schon ein dreifach-donnerndes "Mein lieber Schwan!" wert.
Wieviel penibelst aufgebaute Segelschiffsmodelle sieht man, an denen die Segel in 1200 Beulen von Rahen und Gaffeln hängen, weil die Eigner mit unendlicher Mühe und einer Nähmaschine die Bahnen in das maßstäblich viel zu steife Tuch gehämmert haben. Welch ein Unterschied zu deinen kleinen Kunstwerken.
Toll gemacht das Ganze!
An sich bin ich in dieses Forum nur mal so reingestolpert, weil ich rausfinden wollte, was denn über die letzten 40 Jahre aus der 1/8"/1ft-Revell- Thermopylae geworden ist. Ich hatte mir vor Urzeiten, als ich mit Graupners Holz-"Pamir" 1: 150 fertig war - sämtliche Webleinen vom Schanzkleid bis rauf zu den Mastknöpfen Reihe um Reihe handgeknüpft! - den Bausatz gekauft, aber dann kam mir "das richtige Leben" dazwischen : der Baukasten ist mitsamt meiner schönen alten NSU-Max verbrannt, und aus war´s erst mal mit dem Schiffsmodellbau. Dann kamen die "Päns", der Beruf, und das ganze schöne, geschäftige Leben. Und nun seh´ ich sowas Prächtiges! Ich hätte heute wohl nicht mehr den langen Atem für ein solches Projekt, von den vielen Tips und Tricks gar nicht zu reden, die mir fehlen und die Joachim uns in Perfektion gezeigt hat. Ich hab s lieber schneller fertig und dann auch noch schwimmfähig, so als 2 m langer Schärenkreuzer an der Fernsteuerung bei Bft. 5-6 auf dem See. Reinschmeißen ins Wasser, Schoten dicht und genießen, wie der durch die Welle kachelt.
Mal eine andere Art von Adrenalinstoß !

Nun denkt blos nicht, daß ich als frisch reingeschmeckter Frischling gleich das Beckmessern und Klugscheißen anfangen will. Aber ich hab hier ein paar Hinweise, die euch beim nächsten Segelschiffsprojekt vielleicht recht nützlich sein könnten :
Eine Bezugsquelle für einwandfreies Tauwerk wurde ja schon verlinkt. Aber bei den Unmengen an benötigten Takelgarnen aller möglichen Stärken, die für ein solches Unternehmen draufgehen, lohnt sich m.E. unbedingt der "poor man´s ropewalk", wie die engl. Kollegen die hauseigene Reeperbahn
so nennen. Nee, nix mit nackte Weibers : eine kleine, selbstgebaute Maschine zum Schlagen korrekter Taue, links- wie rechtsrum, von Geitaudicke bis hin zur Stärke von Festmacher- und Ankertrossen. Und marlen, trensen und bekleeden kann man die Enden auch noch gleich in der Maschine, wenn erforderlich, z.B. bei Wanten, Pardunen, Stagen usw.
Anleitungen zum Bau gibts in der Literatur wie im Netz reichlich, und kompliziert ist das auch nicht. Für kleines Geld könnt ihr damit euer ganzes Modellbauerleben lang Taue in beliebiger Länge herstellen, die den im obigen Link vorgestellten in nichts nachstehen. Der Vorteil zu dem im Linkk angebotenen : der oft reichlich anfallende Verschnitt ist bei den selber gedrehten Tauen im Gegensatz zu den gekauften Edelstrippen mit den konstant 5 m Länge locker zu verschmerzen. Als Ausgangsmaterial schlage ich "Supramid-Meterware" vor. Das ist veterinär-chirurgisches Nahtmaterial (Polyamidfaden) von der 100 m - Rolle, in Kabelform verdrillt, mit Stärken von 0,1 bis ca. 1,5 mm Ø, Kosten ca. 25.- € / 100 m EK für Tiermediziner. Die "Wirtschaftsgenossenschaft deutscher Tierärzte", Tel. 05131 705111, verkauft diese in Weiß unter den Bestellnummern 94020 bis 94029 für die Stärke "USB 4/0" bis zur Maximalstärke "USB 7", oder unter den Best.-Nr. 94030 - 94039 für dieselben Stärken in Schwarz. Zu haben sind die entweder beim Veterinär eures Vertrauens, der sich das innerhalb kurzer Zeit besorgen kann, oder ihr versucht es direkt bei der WdT, wenn die es für Zivilisten denn verkaufen. Damit habt ihr einen Faden ohne jedes Reck, der sich hervorragend zum Tau schlagen läßt, ohne Kinken zu werfen, und noch dazu einfärbbar ist. Blöcke einzustroppen oder kleine Augen zu spleißen sollte mit einem durch die stehende Part per Nähnadel gezogenen Garn und danach vorsichtiger Erwärmung des Stropps oder Spleißes mit der kleinsten Lötkolbenspitze (15 W. max.) bestens zu machen sein, ohne daß abgeschnittene Fadenenden das Gesamtbild verschlechtern. Wer erst mal aus Gründen der Detailtreue versucht hat, Taklings in 1:96 auf Tauenden aufzusetzen, und danach unter ruhigem Zureden seitens der Profis vom örtlichen Bezirkskrankenhaus auf der Bahre durch die Haustüre getragen wurde, wird jeder Arbeitserleichterung im Miniaturmodellbau etwas aufgeschlossener gegenüberstehen. Und wenn ihr erst mal wirklich absolut splißfreie Garne in den maßstabsgerechten Dimensionen auf euren Modellen verarbeitet habt, werdet ihr nichts anderes mehr sehen wollen.
À propos Winz-Taklings auf Stropps und eingebundenen Blöcken etc.: wie wäre es mit den kleinsten Kalibern von schwarzem Schrumpfschlauch, der bis zu 1 mm Ø zu haben ist und, unter der Lötspitze vorsichtig erhitzt, runterschrumpft bis auf ca. 0,3mm Innen- Ø, dabei den mit etwas Kleber versehenen Stropp so fein einpackt, daß das Profil des eingeschweißten Taues die fehlenden Rundschläge des Taklings plastisch ersetzt ? Die gibts sogar in diesen Größen auch als selbstklebende Schrumpfschläuche bei den E-Mixern im Laden. Dann hängt garantiert kein abgeschnittenes Garnende mehr raus. Und alles schaut really shipshape and bristol-fashion aus.
Zum Anschlagen der Rahsegel am (vorderen) Jackstag : das Jackstag läuft in der Länge des betreffenden Segels auf der Rah im Winkel von ca. 20° nach vorne/unten versetzt, und ist auf kurzen Bolzen von nur ca. 5-6 cm Höhe entweder angeschweißt, oder bei den hölzernen Oberrahen in die
Rahbänder gebolzt. Der Spalt zwischen Jackstag und Rah ist also im Maßstab 1/8"/1ft = 1/96 entsprechend winzig. In die Doppelung des Segelkopfes sind pro Segel"kleid" oder -"bahn" ca 1 - 2 Gatchen direkt unterhalb des Kopflieks eingenäht, wie Jojo sie auch korrekt eingearbeit hat.
Nachdem der Kopf des Segels mit zwei kleinen Taljen zu den Rahnnocken durchgesetzt und dort festgebändselt worden ist, werden mit starkem Takelgarn 6-8 Törns durch die Gattchen und um das Jackstag herum geschoren, und das Kopfliek mit nur kleinem Zwischenspalt direkt an das Jackstag festgezurrt und verknotet. D.h.: die Segel liegen ohne einen weiteren Spalt so nahe wie möglich vor und auf der Rah am Jackstag, ohne daß das Kopfliek sich im Wind durch die Bändsel arbeiten kann. Ich weiß, W. zu Mondfeld beschreibt das so, wie du es gebaut hast. Aber glaub´s mir: das Segelanschlagen verlief auch im 19. Jhdt. wie beschrieben.
Joachim, die Spier mit dem abgewinkelten Schwanenhals, deren Planzeichnung du uns am 15.9.08 gezeigt und die du sinnvollerweise zur Unter-Leesegelspiere verarbeitet hast, ist eine der Backspieren, die an Back- und/oder Steuerbord am Schanzkleid in entsprechende Metallkauschen
eingepickt sowie mit Madrigal- ,Vor-und Achtergeitauen seitlich und durch einen Topnanten nach nach oben festgesetzt wurden. An denen legten die Bei- und Verkehrsboote im Hafen oder auf Reede an, die Mannschaften durften sich an den mit Knoten versehenen, von der Spier hängenden Manntauen auf die Spiere hangeln und über diese entlang einer kleinen Handreeling an Bord gehen. Für Cap´tain und Off´ssiere gab´s natürlich die schnieke Gangway runter zum Wasser direkt in den Kapitänskutter.
Du hast alle Stagsegel fein säuberlich durch eine fortlaufende Leine an die Stage gereiht. Allerdings hätte man die Segel mit diesem Geschirr weder vorheißen noch niederholen können. Auch damals wurden die Stagsegel mit Stahlschäkeln an die Stage angeschlagen, natürlich keine Nirosta-
Schnappschäkel wie heute, sondern feste Stahlteile in Form eines unten offenen O´s , dessen zwei Enden nach außen zu Ösen gebogen wurden. Durch diese Ösen und die Segelgatchen hindurch wurden per Schiemannsgarn die Stagsegel am Liektau so angeschlagen, daß sie leicht auf den Stagen rutschen konnten. Einfach einen mitteldünnen Draht zur Öse biegen, Segel einpicken und zukneifen. Daß die sog. Bemuusung fehlt, die Stagreiter und Liek verbindet, sieht man nie und nimmer.
Am Kreuzmast hast du zusätzlich zur Bagien noch den Besan gesetzt, am Großmast ebenfalls ein Gaffelsegel, von dem ich annehme, daß es als Treiber bezeichnet wurde. Gesetzt wurde der Besan auf Vollschiffen m. W. nur selten, der Treiber eigentlich nie, weil er dem Besanstagsegel ja den Wind wegnehmen würde. Wenn auf Vollschiffen der Besan gesetzt wurde, dann zum flinken Manövrieren in engen Revieren zusammen mit den Vorsegeln, auch bei Kursen hart am Wind, wenn die Rahsegel nicht mehr zogen, oder aber beim Wenden, damit das Vorschiff durch den Druck auf den mittschiffs geholten Besan schneller durch den Wind geht. Steht der Besan eines Vollschiffs bei achterlichen und backstags einkommenden Winden, deckt er die Bagien ab, ebenso tät´s der Treiber mit dem Groß. Die Bagien würde bei diesen Windrichtungen aufgetucht, das Großsegel mit nur mäßig durchgeholten Schoten gefahren oder gleich geschwichtet, d.h. das Luvschothorn des Segels unter die Großrahnock geholt, damit Fock und Vorgeschirr auch noch Luftzug abkriegten.
So, das war´s. Ich hoffe nur, daß niemand hier das alles in den falschen Hals kriegt, am allerwenigsten du, Joachim. Für Knatsch ist dein Schiff viel zu schön.
Macht´s gut und bis die Tage
Germanus