Nabend zuammen!
Ich weiß, im Moment läuft hier deutlich zu wenig. Das hat aber nichts mit mangelnder Motivation zu tun, ich komme einfach seltener dazu und wenn, nutze ich die wenige Zeit zum Bauen. Aber dafür möchte ich heute –oh Wunder- mal wieder ein kleines Update vorstellen. Oder vielleicht sogar ein kleines Tutorial, wenn man so will.
Heute:
Untersegel Aufgeien am Beispiel des Fock- oder Voruntersegels.
Nachdem das Segel mit allen benötigten Tauen und Leinen (Geitaue, Nockgordings, Bug- oder Bauchgordings sowie Bulins plus Spruten und Halstaue) befestigt an vorbereiteten Legeln und an der Rah versehen worden war, wurde es zunächst mal an der Rah angeschlagen. Die Zeisinge wurden hierfür durch die Gatchen am oberen Segelliek hindurchgezogen, dann der hintere Part von hinten nach vorn mit einem Extratörn um die Rah gelegt und das vordere und hintere Ende auf der Rahoberseite verknotet.
Hierbei bin ich immer abwechselnd auf beiden Seiten in Richtung Rahmitte vorgegangen. Nach den ersten beiden Zeisingen pro Seite habe ich dann erstmal zur bessren Stabilität die Zurrings zwischen Rahnocken Und Nocklegeln angebracht. Dann ging es abwechselnd weiter. Stressig dabei waren immer wieder die Leesegelspieren, die immer im Weg standen, das war etwas fummelig, ging aber.
Sogar ohne diese wieder ungewollt abzubrechen

.
Nachdem dann alles hing wurde also aufgegeit: Zunächst mal wurden die Geitaue durchgeholt, bis die Schothörner am höchst möglichen Punkt zu liegen oder hängen kamen. Da die Schotblöcke mit einem Auge lediglich über das Schothorn gesteckt und durch das darunterliegende Halstau „verriegelt“ sind, sind sie somit „drehbar um das Schothorn gelagert“. Somit konnte ich sie vorab
nach vorn ausrichten, so dass sie nach dem Aufgeien wieder nach hinten zeigten. So sollte das auch sein.
Danach wurden die paarweisen Nockgordings auf beiden Seiten dichtgeholt und somit die oberen Parts der Seitenlieks vorne unter die Rah gebracht. Die Gordings bestehen jeweils aus einer durchgehenden Leine, die durch das untere Loch eines selbstgefertigten Zwillingsblocks fährt. Auf der anderen Seite des Blocks ist eine einfache Talje eingezogen, deren Gegenpart wiederum ein -in einen am Marsstengeeselshaupt befestigten Hanger- eingezeisten Einfachblock darstellt.
Durch Verkürzen der Talje/Zug in Richtung Deck werden die beiden Gordingendenangehoben, die jeweils an der Rah noch zwei Leitblöcke durchlaufen. Wenn ihr Euch die Bilder anschaut wird’s gleich deutlicher

.
So wurden Gordings in England jedenfalls im frühen 18. Jahrhundert geschoren und das funktioniert auch am Modell prima

! Nun mussten natürlich erstmal Geitaue und Gordings soweitbelegt werden, da sich alles gleich wieder nahezu in Ausgangsposition lockerte, sobald man die Leinenenden losließ.
Danach wurden dann die vier Bauchgordings, die zuerst zwei hängende Doppelblöcke an der vorderen Quersaling und danach zwei Doppelblöcke an der hinteren Quersaling der Mars durchlaufen, dichtgeholt und belegt. So wurde abschließend das untere Liek angehoben bis kurz über Rahniveau. Vor jedem Dichtholen einer Leine habe ich übrigens mehrere Simulationen durchgeführt, um den Stoff schon mal vorab etwas in Form zu knautschen und weicher zu machen. Es sollte so im Ergebnis ein möglichst natürlich leicht durchhängender und einigermaßen physikalisch richtiger Faltenwurf entstehen aber auch keine akurat zusammengefaltete Serviette mit spitzen Kniffen. Das ganze musste natürlich anschließend noch lange hin und hergezuppelt und geknuddelt, modelliert, onduliert, tupiert und friesiert werden, aber irgendwann fand ich das Ergebnis dann brauchbar und ästhetisch/realistsich vertretbar

. Ich wollte das ganze anschließend noch mit
Stoffversteifer fixieren. Aber da ich den Stoff beim Segelherstellen mit sehr stark verdünntem Holzleim imprägniert hatte, hab ich das jetzt so gelassen, es hält auch so prima und sieht nicht unnatürlich steif aus. Danach wurden die Bulins belegt und abschließend mit Durchhang die Halstaue. Die Bulins hätten auch realistischerweise etwas Durchhang vertragen können, das hätte aber mit den labbrig rumhängenden und –stehenden Spruten irgendwie nicht ausgesehen. Also hier einKompromiss, sieht aber schöner aus so, finde ich.
Danach wurden alle Belegstellen wieder mit aufgeschossenem Tauwerk kaschiert, eine nervige, aber durchaus wichtige und das Modell optisch aufwertende Arbeit. Aber es ist manchmal echt so
verdammt eng zwischen allen anderen Tauen und Aufbauten, man hat ständig Angst, was kaputtzumachen oder gleich ganze fertig belegt Nagelbänke wieder abzubrechen, eine meiner schlimmsten Werfthorrorvorstellungen...
Abschließend wurden noch zwei kleine Taubündel aus 0,1mm Garn hergestellt und au beiden Seiten an den Rahnocken befestigt. Diese stellen die aufgeschossenen Reihleinen zum Sichern bei geborgenen Segeln dar.
Die Klebstoffreste wurden anschließend mit stark verdünntem Klarlack weggeschminkt und somit unsichtbar gemacht. Der Lacküberzug fixiert auch alles nochmal alles zusätzlich etwas. Und das war es dann eigentlich auch schon, auch wenn es einige abendliche Sessions gedauert hat.
Ich persönlich finde aufgegeite Untersegel mindestens so schön wie gesetzte, aber sie geben dem Modell darüber hinaus nochmal eine ganz andere Note und sind schöne Details, finde ich zumindest. Aber einfacher ist diese Darstellung deshalb auch nicht, diese Erfahrung habe ich gerade mal wieder gemacht...
Schöne Grüße
Chris
P.s.: Wem die angenähten Liektaue, Nähte und Segel zu grob erscheinen (was sie ja auch sind! ), dies sieht in natura wieder gar nicht so wild aus. Der Stoff ist in echt sehr fein, die Liektaue (0,4mm) mit den kleinsten mir möglichen Stichen und dünner Nähseide per Hand drangenäht. Und trotzdem wirkt es auf Fotos immer ganz anders. Aber ich will mich nicht rausreden, es
ist nicht maßstabsgerecht...