Nabend!

Dann starte ich jetzt endlich mal meinen nächsten Baubericht! Viele, die zwischen den Zeilen gelesen haben, werden jetzt wahrscheinlich nicht wirklich überrascht sein: Die „große“ Mayflower von Revell (Länge 50,08cm)! Es ist übrigens die gleiche wie das Modell von Heller, welches (sehr gewagt!) mit einem Maßstab von 1:150(!) deklariert wird! Das ist natürlich hahnebüchenener Unsinn- die Mayflower war meines Erachtens nicht so
groß wie die Victory. Jedenfalls nicht ganz so- eher kleiner, etwas kleiner, genaugenommen sogar sehr viel kleiner! Okay, vielleicht wird der ein oder
andere etwas enttäuscht sein- spektakulär ist die Mayflower auf den ersten Blick nicht wirklich- abgesehen von ihrer Relevanz in den Geschichtsbüchern.
Viel genaues weiß man auch eigentlich gar nicht über sie, weder über ihre exakten Maße und Tonnage, ihr Aussehen, ihr individuelles Erscheinungsbild.
Eigentlich sind es auch nur Spekulationen, Vermutungen und Annäherungsversuche. Im Prinzip ähnlich wie bei der Santa Maria oder der Golden Hind. Aber genau darin (abgesehen von der „Größe“ des Modells, so viele Schiffe dieser Ära gibt’s davon ja nicht als Bausatz!) liegt auch für mich der Reiz, auch wenn ich den erst für mich entwickeln musste, denn so richtig „gekickt“ hat sie mich zuerst nicht so. Aber: wo es kein exaktes Vorbild gibt, gibt’s Raum für eigene Überlegungen und Interpretationen und vielleicht sogar Ideen. Okay, in der Epoche kenne ich mich schon mal etwas aus. Auch vermute ich, dass sie den Schiffen aus Matthew Bakers „
Fragments of Ancient English Shipwrightry“, eines der relativ wenigen verlässlichen Schrift- und Zeitdokument, nicht unähnlich gewesen sein dürfte. Hier lassen sich beispielsweise also mit etwas Fantasie Rückschlüsse auf möglichen Dekorationen ziehen. Ich werde also versuchen, sie so zu bauen, wie sie m. E. nach gewesen sein könnte: Ein typischer kleiner dreimastiger Handels- vielleicht sogar Kriegssegler (man vermutet, dass sie vielleicht sogar an der Armadaschlacht teilgenommen haben könnte, was aber nicht gesichert ist. Zumindest ist eine Mayflower im Verzeichnis erwähnt. Andere Quellen wiederum datieren das Baujahr so um 1609, also zwanzig Jahre später.) Wie auch immer: Es geht mir hier um eine Schiffstypinterpretation und weniger um „die“ Mayflower. Deswegen entferne ich mich dabei auch etwas von dem bekannten Nachbau von 1957, denn auch dieser ist lediglich eine Annäherung, wie schon gesagt. Als Referenzliteratur verwende ich
auch u.a. Hackney’s Buch zum Thema, das mir Holger „holiday“ netterweise geliehen hatte (bekommst Du wieder, Drakeehrenwort!!)
Doch nun genug der vielen Worte, ab auf die Werft! Ich war ja, was mein „kreative Schaffenspause“ anbelangt, nicht so wirklich lange
abstinent! Aber bevor ich Euch hier was zeigen wollte, musste ich erst mal ein paar Überlegungen und Testläufe anstellen. Wenn das bereits in dieser Phase in die Hose gegangen wäre, hätte ich den Bau nämlich gleich abbrechen müssen. Zunächst einmal wollte ich der Mayflower ein klein wenig ihr „braves Image“ nehmen, in dem ich mich entschieden habe, die Geschützpforten zu öffnen und sie bewaffnet darzustellen. Dann wollte ich sie in Bezug auf ihr dekoratives Erscheinungsbild etwas mehr wie eine typische englische Galeone dieser Epoche aussehen lassen, also mit den üblichen, aus heutiger Sicht etwas bunten ja fast schon psychedelischen Diagonal-patterns. Hier fängt der Zweifel im Prinzip schon an: Hatte man ein rein zweckgebundenes Arbeitsschiff so(über-) verhältnismäßig reich, aufwendig und demzufolge wohl teuer dekoriert? Andererseits: Aufwendige Schnitzereien hat sie ja laut Bausatz nicht. Somit konnte man sie lediglich mit Farbe etwas „aufmotzen“. Und die Menschen dieser Epoche hatten
eben anscheinend sehr wohl einen Hang dazu, auch bloße Gebrauchsgegenstände zu dekorieren. Es ist also zumindest denk- und vorstellbar, finde ich.
Also hab ich mich neben der Planung die ersten Wochen lang mal wieder ausgiebig mit praktischer Geometrie beschäftigt: Mit dem Stechzirkel, Geodreieck und Skalpell habe ich auf den oberen Rumpfabschnitten Dreiecke angezeichnet/ -geritzt und anschließend in unzähligen Sessions
abgeklebt, lackiert und korrigiert. Da immer jeder Lackabschnitt gut trocknen musste bevor man „gegenmalt“ hat mich das viel Zeit gekostet. Hier also die soweit fertig lackierten aber ansonsten noch völlig nackten Rumpfhälften. Die Pforten sind allerdings bereits aufgedremelt und mit Schlüsselfeilen feinbearbeitet. Von Innen habe ich aus Vierkanthölzern Trempelrahmen eingeklebt und gleichzeitig so die Bordwände verstärkt.
Aber ich greife vor: Den letzten Baubericht hatte ich ja mit einer Hecklaterne begonnen. Dieser Tradition folgend beginne ich nun mit etwas
ähnlich kleinem und scheinbar unbedeutendem:
Hier mein erstes Bild: (Tusch!) Die Schiffsglocke - die „Stimme“ des Schiffs:
Schon beim ersten Begutachten des Bausatzes gefiel mir diese nämlich so gar nicht- sie hatte irgendwas zwischen Kaffekannenwärmer und
Kartoffelsack! Also wech damit, den Dremel angeschmissen und eine neue gedrechselt! Die neue ist aus Holz und innen hohl, d.h. ich werde ihr zu
gegebener Zeit noch einen Klöppel und/oder ein dazugehöriges Seil spendieren.
Aber nun zum Rumpf und seiner Lackierung. Und so sah er dann aus:
...hier noch mal ein Close-up mit den bereits modifizierten Rüsten, denn dort sollen ja „echte Rüsteisen“ und Holzjungfern irgendwann ihren
Platz erhalten!
Das Ganze musste selbstverständlich noch mal ausgiebig gedraket werden, da mir Schiffe im „Used-Look“ einfach besser gefallen, man
kennt das ja bereits von mir.
So sah das Ganze dann nach eingehender Plaka-Behandlung aus:
Schon besser, denk ich.
Da ich ja nun die Pforten rausgedremelt hatte, musste ich mir spätenstens jetzt auch über die zukünftigen Pfortendeckel so meine Gedanken
machen. Also habe ich aus einer Holzleiste, die ich glücklicherweise exakt in 12mm Breite (Originalpfortenbreite am Modell) und 2mm Stärke kaufen konnte, die neuen Deckel hergestellt: Auf der Außenseite habe ich den Plankenverlauf eingeritzt und „Scharnierbänder“ aus brüniertem Messing aufgeklebt. Die Form hatte ich zuvor mit einer Schlüsselfeile und einem Seitenschneider herausgearbeitet. In die Bänder und Deckel wurden Löcher gebohrt und in diese brünierte kleine Nägel eingeklebt und auf der anderen Seite verschnitten und plangeschliffen. Die Innenseite der Deckel wurden am Rand mit einer Feile solange bearbeitet, bis sie das gewünschte Negativprofil zu den Trempelrahmen des Rumpfes hatten.
Davor und danach wurde alles lackiert. Für Schiffsinnenräume, Lafetten etc. eignet sich übrigens SM 331 Purpur von Revell ganz gut, finde ich.
Hier mal eine „Stellprobe“- und passt! So ähnlich sollen sie dann später mal am Rumpf aussehen. Natürlich kommen da noch Metallringe und
Pfortenreeps dran. Aber erst bei der Endmontage und nach der obligatorischen Plakabehandlung.
Darüber hinaus musste ich mir natürlich auch erst mal Gedanken über die zukünftigen Geschütze machen. Ich habe mich, faul wie ich bin
(zumindest dort, wo man’s später nicht sieht!), für Lafettenattrappen entschieden, d. h. da man diese später sowieso fast nur direkt von vorne sieht, habe ich aus einer Vierkantleiste diese Attrappen geschnitten/ geschliffen und hierauf die aufgebohrten Geschützrohre (Recycling aus einem alten Schrottbausatz) eingepasst. Die Schildzapfengurte sind aus Papier und entsprechend „brüniert“ lackiert Revell „Eisen“/ „Schwarz SM“.
Die Lafetten werden dann von Innen an die Trempelrahmen geklebt werden, da es kein Deck gibt, auf dem ich sie positionieren könnte (wie
gesagt- ich bin faul!).
Und so wird das ganze später in etwa am Schiff aussehen:
Soweit also erst mal zu meinen bisherigen Klausuraktivitäten. Ein paar Kleinigkeiten, die inzwischen auch schon weiter gediehen sind, zeig
ich Euch später.
Ich hoffe, dass ich Euch mit dem Bau dieses Modells nicht langweilen werde, da ich ja schon die „kleine“ Mayflower als Lyon’s Whelp
gebaut habe. Schön wären auch diesmal Kritik und Anregungen, ich will hier ja was lernen. Vielleicht hilft dem ein oder anderen dieser Baubericht aber auch bei eigenen Projekten, schaun mer ma...! Für mich ist die Mayflower jedenfalls auch eine Generalprobe für meine Golden Hind von Imai /Ertel!
Schöne Grüße und schön wieder dabei zu sein!
Chris