Hallo werte Modellbaufreunde, speziell im Dioramabau - andere Bereiche/Leser sollen dabei selbstverständlich nicht ausgeschlossen sein!
Mein Name lautet seit knapp 58 Jahren Steffen, und bisher bin ich hier im Forum ausschließlich im maritimen Bereich vorstellig geworden; wenn auch nicht mit einem monatelangen Baubericht, sondern mit einem vorstellenden Bericht zum jeweiligen Projektabschluß - wie vor etwa 2einhalb Jahren im Falle meiner Soleil Royal von Sergal/Mantua.
So möchte ich es auch heute halten - wobei es sich diesmal um die Fertigstellung meines neuen Dioramas auf Grundlage des Italeri-Kastens 6197 La Haye Sainte handelt. Mittels selbigem soll man als Käufer die Möglichkeit erhalten, den Meierhof, um welchen am 18ten Juni 1815 nahe Waterloo hart gekämpft wurde, nachzugestalten.
Diesmal bietet Italeri dafür nicht graues Plastik, sondern lasergecuttete 2mm starke mdf-Platten; anbei bietet der Baukaschde noch einige Gußrahmen mit Figuren der jeweiligen damals kämpfenden Parteien - sogar der Kaiser selbst samt seinem Pferd hängt an den mitgegebenen Gußrahmen, dies, obwohl Bonaparte am Schlachtentage niemals in La Haye Sainte oder auch nur in der Nähe des Gutshofes anwesend war: seine Anwesenheit in der Italeribox ist wohl als Käuferanreiz des Bausatzes in der Jetztzeit zu sehen...

Sei´s drum - nun zum Bau meines Diorama´s: davon ausgehend, daß es mir auf möglichst korrekte Umsetzung des mörderischen Getümmels sowie der Hofanlage, deren Charakter sich bis heute tatsächlich kaum geändert hat, gehen soll, stellte ich schnell fest, daß NICHT EINE Dimension der mdf-plattigen Gebäude stimmt; von der im Internet erhältlichen Luftaufnahme und Fotos ausgehend, wurden sämtliche Wände der Gebäude inclusive der Größenverhältnisse von mir generell teils stark verändert. Alle Gebäudewände wurden mit extra nachgraviertem NOCH-Ziegelkarton beklebt und später mit Humbrol weiß matt 34 besprüht; Nachbearbeitung Schmutz/Pulverdreck per NOCH Patinapulver.
Selbst für die Dächer hält Italeri die besagten Platten mit eher grobmaschiger, dafür umso unverständlicherer Gravur bereit: also (möglichst weit) weg damit! Nicht nur, weil diese Dachteile auf meine veränderten Gebäude eh nicht mehr passen würden:
es reizt denn doch, aufs Wohnhaus und das Torhaus graue Schindeln zu zaubern (so, wie es wohl 1815 tatsächlich da aussah..) und dem über Eck angelegten Pferdestall und der großen Scheune lehmige Dachpfannen anzulegen.
Dazu nutzte ich leichteren weissen Karton, welcher in 5mm Streifen geschnitten wurde, von denen jeweils 4mm abgetrennt wurden; mithilfe Pinzette und rundem Kleindorn wurden in anderthalb Monaten um die 8.000 Dachpfannen hergestellt und den aufs Dachformat zugeschnittenen blechernen Hälften einzeln aufgeklebt. Die durch die Zerstörungen im Dach zu sehenden Reste des Dachstuhles bestehen aus maritimen Holzresten der früher verwendeten Artesania Latina-Kästen. Die Ziegelfarbe entstand zunächst durch den Rest einer aufgestanzten Sprayflasche (um an den begehrten Rest Rot matt zu kommen..) und die Nachdunklung erbrachten Tamiyareste...
Stamm und Äste der Bäume bestehen aus authentischem Material hier aus dem offenen Campo (mein Hauptwohnsitz befindet sich seit 2005 in Paraguay...); die Belaubung erfolgte mit Grünzeugs von Heki. Der Boden der Wege und der Gartenanlage besteht aus einem Gemisch von feinstem Holzschliffmehl, Holzleim und dunkler Holzbeize; die Pflasterung der (heute noch existenten) Straße sowie des verschmutzten Innenhofes wurde hergestellt aus zäher Masse von hiesigem Fliesenkleber.
Da man hier auch Pinsel ohne Haare nicht wegwirft (man könnte den Stiel ja noch verwenden..), habe ich die vordere, nun haarlose Blechdüse per Pinzette in ein kleines Quadrat verwandelt und erhielt auf diese Weise also quasi eine Ausstechform - nicht für Plätzchen, sondern für Pflastersteine; drei verschiedene haarlose Pinselspitzen ergaben so verschiedene nebeneinanderliegende Pflastersteingrößen und lockern damit das gestalterische Bild auf.Figuren mußten reichlich nachbeschafft werden; 2 Schachteln von HÄT´s Marschierern wurden in Hudson NH geordert und erreichten uns innerhalb zweier Wochen über Miami - gute Marschleistung; unser geliebter Kaiser wäre begeistert gewesen!
Für die monatelange Figurenbemalung nutzte ich das napoleonische Farbset von Vallejo; später gesellte sich noch Wood & Leather sowie eine kleine Auswahl an Citadel-Farben hinzu. Beinahe vergessen zu erwähnen: sämtlichen Figuren & Pferden wurde nach der Raustrennung aus dem Gußrahmen die
Standfläche entfernt; aus diesem Grunde wurden alle der Reihe nach vor Grundierung & Bemalung jeweils einzeln in eine kleine Vertiefung auf einem Sektkorken früherer Feste wieder mit nem Tropfen Holzleim fixiert.
Die sieben französischen Fahnen liefert Italeri angegossen an die Schulter des jeweiligen Fahnenträgers; da wurden sie schnell amputiert und flogen mit kühnem Schwunge in die Reschdekischde; die Träger fungieren nun als liegende Verletzte, und die Fahnen entstanden aus einem gesteiften Reststück von Segeltuch; dazu wurden sie mittels zweier Lupen (eine am Kopf & eine am Tisch) bemalt und beschriftet.
Kutschen und Wagen lieferte wiederum Firma HÄT; allerdings nutzte ich davon jeweils nur die Räder, die Pferde und den Reiter: die Wagen selbst entstanden wieder aus maritimen Holzresten. Da ich jedoch partout auch tote Pferde darstellen wollte, nahm ich die von Italeri als lebend deklarierten Tiere zur
Hand, höhlte einigen von ihnen den Bauch aus, drückte die “obenliegenden” Beine nach unten und verschloß die Leere im Bauch dann mit dem hiesigen Universalholzleim.
Stichwort Pferde/Steigbügel: Italeri formt jeweils den Reitern die Steigbügel/Steigbügelriemen an die Beine; dies muß natürlich bei liegenden Pferden bzw. toten Reitern korrigiert werden. Hieß also, liegenden Reitern die Steigbügel von den Beinen zu entfernen, aber den liegenden Pferden zumindest oben welche anzubringen.....genauso wie sehr dünne, liegende Zügel anzuzaubern...
Tja, dies wäre eigentlich alles: 20 Monate / 612 Tage Arbeit: sehr viel Kleinarbeit, aber jeeeede Menge Spaß. Den Baukasten selbst zu bewerten, unterlasse ich wohl besser; ich sehe nicht wirklich viel Sinn in diesem Angebot.
Vielleicht noch eine kleine Idee zum Schluß: sollte jemand von Euch eines Tages an diesem Hofe La Haye Sainte vorbeifahren: einfach mal aussteigen und das Maß der Aussenfassade Wohnhaus per Maßband abnehmen - schon mit diesem einen Maß ließe sich alles viel leichter errechnen...
So, dies also mein nun etwas längerer Bericht; bei Fragen bidde einfach melden!
Viele Grüße
Steffen
...weiterer Nachtrag: der intensiv”radikale” Flügel der Waterloo-Fangruppe weiß um die darstellerischen Probleme rund um beide Fenster und die Ladeluke an der straßenseitigen Wohnhausfassade sowie die schwierige Problematik mit der linken Tür vom Wohnhaus; ebenso habe ich mir die Freiheit rausgenommen, den auf die Scheune zeigenden Flügel der Pferdestalles NICHT bis an besagte Scheune zu ziehen; die genannten Fans der Napoleonszene wissen, wovon ich rede. In meiner Darstellung existiert statt der aktuell existenten Verlängerung des Pferdestalles halt ein kurzes Stück Mauer...
Grundlegend möchte ich noch das Gemälde von Adolph Norten nennen sowie den Bericht von Major Baring, der als Verteidiger von La Haye Sainte den Franzosen so lange Widerstand leistete; zuzüglich wurden viele im Internet zu findende historische Ansichten des Meierhofes immer wieder unter schon erwähnte Lupen gelegt...bis der ganze Kram im Kopfe festsaß....