Das Folgende ist weniger eine Bausatzbeschreibung und mehr eine erneute Reise in die Skurrilitäten des Plastikmodellbaus. Ich bitte mir zu folgen.
Und zwar, wenn ich das richtig recherchiert habe, ins Jahr 1989. Da entscheidet sich die koreanische Firma Academy dafür, ihren Kunden den Bausatz einer motorisierten Segelyacht anzubieten, die auf den klangvollen Namen Miss Catalina hören soll. Keine schlechte Idee im Grunde. Ich weiß nicht, wie der Plastikmodellbau Ende der 1980er Jahre in Korea aufgestellt war, hierzulande war er ja längst in die Krise geraten. Und womöglich war auch das Modell einer motorisierten Segelyacht eine Antwort auf das Schwinden der jüngeren Kundschaft. Man hat vielleicht geglaubt, eine vom Elektromotor angetriebene Fahrt durch die Badewanne könnte von den Verlockungen avancierte oder Spielzeuge ablenken oder wenigstens Väter dazu bringen, das zu glauben. Wie auch immer, auf dem Schachteldeckel sieht man eine handelsübliche Segelyacht, wie sie in den Marinas der Welt zu Abertausenden zu finden ist.
https://nicclsrn.egloos.com/v/5853454
Aber was befand sich in der Schachtel?
Antwort: Teile für ein Skipjack, das typische Boot der Austernfischer an der amerikanischen Ostküste, gebaut mit einem extrem flachen Boden und niedrigem Tiefgang, damit es sich über den Austernbänken nicht den Boden aufreißt. Nanu? Hat nicht die Firma Pyro in den 1950er Jahren ein Modell dieses Schiffes auf den Markt gebracht, anfangs sogar in einer motorisierten Version?
Stimmt. Aha, dann hat also Academy die Formen übernommen und beim Marketing für dieses bereits ziemlich alte Modell ein bisschen geschummelt. Oder?
Antwort: Nein! Der Vergleich mit dem Pyro-Modell zeigt, dass es sich bei dem Koreaner um eine komplette Neukonstruktion handelt, zudem in einem erkennbar größeren Maßstab. Außerdem ist die Motorisierung deutlich überarbeitet worden, in Sonderheit durch das Hinzufügen einer Kielbombe.
Ansonsten aber ähneln die allermeisten der neu konstruierten Teile deutlich denen des amerikanischen Vorbilds. Hier zum Beispiel die Oberteile der Boote. Das hätte man auch sehr viel anders konstruieren (und technisch besser ausführen) können!
Ich fasse zusammen. Im Jahr 1989 gibt man sich bei Academy in Korea die Mühe der Neukonstruktion eines Hybridmodells. Doch als Vorbild dazu kopiert man bis in die Details das denkbar ungeeignete Modell eines flachgehenden amerikanischen Austernfischers. Dabei zeigen im Zusammenhang mit der Bauanleitung einzelne Teile des koreanischen Bausatzes, dass die Konstrukteure ihren Verwendungszweck am Original überhaupt nicht verstanden haben.
Ich denke, ich werde das Modell irgendwann bauen, als ein kulturhistorisches Zeugnis aus der Zeit des Aufbruchs der Tigerstaaten. Und vielleicht auch als ein diskretes Dokument der Nebenerscheinungen der Globalisierung.
Schmidt