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Schwerin am Mittelmeer?
hat mir letzte Woche die Schwarmintelligenz dieses Forums (aber vor allem Markus) geholfen, herauszubekommen, was ich mir vorletzten Freitag in Schwerin in einem Antiquitätengeschäft gekauft habe.
Es handelt sich dabei ohne jeden Zweifel um das Modell einer Dau (oder Dhow) des Typs, der wohl ausschließlich auf der Insel Lamu vor Kenia gebaut und benutzt wird. Besondere Kennzeichen sind der gerade Steven, die Reling aus Matten oder Textil, der Schmuck am Bug und insbesondere das Fehlen von Decksplanken, um mehr Ladung verstauen zu können.
Es ist recht interessant, sich Fotos der Originale anzusehen, weil man damit eine gewisse Ahnung davon bekommt, wie improvisiert Holzschiffe in der Vergangenheit gebaut worden sind. Was sicher nicht nur für Afrika gilt.
Wahrscheinlich wird sich nicht klären lassen, wie das Modell aus Kenia nach Schwerin gekommen ist. Es spricht aber einiges dafür, dass dies schon zu DDR-Zeiten geschah, möglicherweise als Gastgeschenk einer politischen Delegation. Andere Fotos solcher Modelle im Netz zeigen, dass die Takelage für Transportzwecke demontierbar war – und vielfach von den Besitzern nicht korrekt wiederaufgebaut wurde.
Ich hatte anfangs vorgehabt, das Modell ein wenig aufzurüsten und unter anderem ein Lateinersegel zu setzen. Das habe ich verworfen und nicht mehr getan, als Beschädigungen zu reparieren, das Modell zu entstauben und die Takelage wieder zu richten. Alles kein besonderes Problem; das Funktionieren eines Lateinersegel ist ja keine höhere Wissenschaft. Einzig unklar ist mir noch, welche Funktion das Tau mit dem Block hat, dass oben am Mast befestigt ist und nach vorne weist. Als ich das Modell erhielt, war der Läufer um die Rah gewickelt, genau wie auf dem ersten Bild zu erkennen. Das ergibt freilich keinen Sinn. Vielleicht ist es ein Vorstag?
Im folgenden noch ein paar Detailaufnahmen. Die Plattform achten mit dem kleinen Steuerrad wirkt ein wenig unwahrscheinlich, ich habe sie allerdings auch an anderen Modellen wiedergefunden.
Im Netz ist unter anderem ein Foto zu finden, dass ein Geschäft für diese Modelle auf Lamu zeigt. Massenware für Touristen können sie nicht gewesen sein, schon wegen der Größe. Ich bezweifle nun allerdings, dass es dieses Handwerk und diesen Geschäftszweig noch gibt. Die Länder an der ostafrikanischen Küste erleben seit Jahrzehnten durch Krieg, Bürgerkrieg und Hunger einen gewaltigen ökonomischen Niedergang. Ob heutzutage der Tourismus auf Lamu ausreicht, die Schiffsmodellbauer zu ernähren? Ich fürchte, nein.
Ich habe für mein Modell, das immerhin 120 an 80 cm misst, einen Platz im Badezimmer gefunden. Das ist nicht ganz üblich so, aber ich denke, genau dieses Modell wird mit der Luftfeuchtigkeit und mit der Sonne durch das Südfenster gut zurecht kommen. Sein Anblick stimmt teils heiter, teils traurig. Einerseits ist es meiner Meinung nach ein sehr schönes Dokument eines etwas anderen, doch auch sehr zu respektierenden, traditionellen Modellbaus. Andererseits erinnert es an eine Region dieser Welt, des nun wahrlich nicht gut geht.
Schmidt