Ein Tag im Jahr 1974 in einer deutschen Hafenstadt:
Jörn Pedersen hat sein altes Fahrrad geschnappt und ist hinunter zum Fischereihafen geradelt - Hat er doch am Morgen in der Lokalzeitung gelesen, dass demnächst die letzten deutschen Seitentrawler außer Dienst gestellt und verschrottet werden sollen…
Kaum angekommen hat er auch schon zwei dieser Kähne entdeckt, die auf ihre letzte Reise warten.
Noch einmal schwelgt Jörn Pedersen in Erinnerungen an seine Fahrenszeit auf den Seitentrawlern. Rund 4 Tage hatten sie damals gebraucht, um zu den Fanggründen um Island zu gelangen, 5 Tage bis nach Spitzbergen, 6 Tage bis zur Südspitze Grönlands. War das Fanggebiet erreicht, begann die harte Arbeit: Das Netz mit den daran befestigten schweren Eisenkugeln zur Grundschleppnetzfischerei wurde über die Steuerbordseite des Trawlers ins Wasser gelassen und nach dem Fischen wieder eingeholt, was diese Seite des Schiffskörpers noch schneller rostig und unansehnlich machte, als den Rest des Schiffes - Der Steert, der hinterste Teil des Netzes, in dem sich der Fisch gesammelt hatte, musste dabei überwiegend von Hand über die Bordwand gehievt werden. Anschließend wurde der Fang auf das mit Holzbrettern in mehrere Abteilungen unterteilte Arbeitsdeck entleert, wobei diese „Fischhocken“ bei rauer See ein Umherrutschen des Fangs verhindern sollte.
Dann wurde es Zeit, den Fang zu sortieren und die Fische zu schlachten - Eine ebenfalls harte und, je nach Fangglück des Kapitäns sehr langwierige Arbeit. Das Schlafen kam in diesen Tagen der Reise viel zu kurz, alle waren übermüdet. Waren die Laderäume nach elf bis vierzehn harten Tagen dann endlich voll, ging es zurück Richtung Heimathafen. Jeder, der konnte, nutzte diese Zeit, um so viel Schlaf wie möglich nachzuholen. Endlich am Ziel angekommen warteten zwei Tage Urlaub auf die Besatzung - Dann ging es auf die nächste Fangreise. Zeit zur äußeren Pflege der Schiffe blieb bei diesem Rhythmus
so gut wie nie, und wenn doch tat das oft raue Wetter in den Fanggebieten sein Übriges, um den Kahn schnell wieder optisch um Jahre altern zu lassen...
Pedersen begibt sich auf einen kleinen Rundgang um die verlassen daliegenden Schiffe…
Die Maschinenanlage des einen Trawlers hat man offensichtlich schon ausgeschlachtet - Da kann er nur noch den Kopf schütteln. Das Maschinenoberlicht ist nur mit einer Plane abgedeckt, herausgetrennte Leitungen liegen an Deck. Dieser Kahn wird den Hafen nicht mehr aus eigener Kraft verlassen…
Nun muss sich Jörn Pedersen aber beeilen, schnell wieder nach Hause zu kommen, denn ein Gewitter zieht auf. So endet sein Besuch im Hafen schneller als gewollt…
Bei den beiden hier gezeigten Modellen habe ich versucht, Seitentrawler der letzten gebauten Generation darzustellen. Während neugebaute Seitentrawler auch noch lange Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg von einer kohlegefeuerten Dampfmaschine angetrieben wurden, zeichneten sich die Schiffe der letzten Seitentrawlergeneration durch den Einbau von Dieselmotoren aus. Der dadurch gewonnene Platz konnte anderweitig genutzt werden. Dennoch waren diese Schiffe letztlich den parallel aufkommenden Hecktrawlern unterlegen und auch für die neuen Bedingungen des Hochseefischfangs (z.B. verursacht durch die
Kabeljaukriege) schlecht geeignet.
Der vorne liegende Trawler
könnte mit seinen gedrungenen Aufbauten ein Schiff der Seebeckwerft darstellen, die für dieses äußere Erscheinungsbild ihrer Seitenfänger bekannt war, während der am Kai liegende Seitenfänger einen Bau der Rickmerswerft darstellen
könnte, die auf hoch aufragende Aufbauten setzte.
Lediglich ein einziger deutscher Motorseitenfänger, die ostdeutsche „
Gera“, konnte vor der Verschrottung bewahrt werden. Von den dampfbetriebenen deutschen Seitenfängern existiert heute kein einziger mehr… Das ist traurig, wenn man bedenkt, dass es über 1200 Arbeitsschiffe dieser Art unter deutscher Flagge gab.
Zum Schluss noch ein paar Sätze zum Diorama und den Schiffsmodellen: Die beiden (fiktiven) Kähne entstanden als Scratchbauten im Maßstab 1:200 auf Basis von Kartonmodellbögen. Der direkt am Kai liegende Trawler „J. W. Kinau“ war mein erster Versuch dieser Art und entstand bereits 2013.
Hier geht’s zur Bildergalerie. Der zweite Trawler, die „Hohe Lieth“ entstand mit großen Pausen und parallel zu einigen anderen Projekten zwischen 2013 und 2015. Dazu gibt es hier im Forum einen
Baubericht und eine
Galerie . Peter (omega3) hat als ehemaliger Fischdampfermatrose in der Galerie auch
dankenswerterweise auf ein paar Unstimmigkeiten beim Modell hingewiesen. Sein Beitrag ist sehr lesenswert!
Nach dem Bau des ersten Trawlers entstand die Idee für das Hafendiorama mit den platzsparenden Maßen 34x16cm, das ebenfalls mit größeren Unterbrechungen gewachsen ist. Seit es dann vor ein paar Monaten fertig geworden ist (dann aber erstmal meine Kamera den Geist aufgegeben hat, so dass ich keine Fotos machen konnte), freue ich mich, nach der langen Bauzeit nun endlich das fertige Gesamtwerk anschauen und andere Projekte angehen zu können… Über Kommentare jeglicher Art freue ich mich natürlich!
Falls sich jemand für die Geschichte der Seitenfänger interessieren sollte, kann ich ihm nur das Buch „Deutsche Fischdampfer“ von Wolfgang Walter empfehlen. Die historischen Fakten und (falls vorhanden) Zahlen in diesem Beitrag stammen aus diesem tollen Buch.
Beste Grüße,
Alex