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Sonntag, 4. Oktober 2015, 13:37

Proton K / Block D / L1 "Sond" (8K82K/11S824) in 1/144 von RealSpace Models



Hallo, liebe Raumfahrtfans,

ich habe mal wieder ein Modell fertiggestellt, das ich Euch hiermit vorstellen möchte. Es handelt sich um die sowjetische "Proton"-Rakete in der "Sond"-Konfiguration, wie sie zwischen 1967 und 1975 im Einsatz war und unter den Bezeichnungen "Proton 8K82K/11S824", "Proton K/D", "Proton K Block D Sond", "UR-500K L1" sowie Kombinationen aus diesen Bezeichnungen bekannt wurde. Hier ist ein kompakter Artikel zu dem Muster zu finden. Meinem Beitrag voranstellen möchte ich aber einen kleinen geschichtlichen und technischen Abriss; wen's nicht so interessiert - einfach zu den Bildern herunterscrollen. ;)

Anfang der 1960er Jahre gab es in der Sowjetunion 3 konkurrierende Projekte, die eine bemannte Mondlandung als Ziel hatten und von den 3 führenden sowjetischen Raketenexperten vorangetrieben wurden. Die entsprechenden Super-Trägerraketen waren die N-1 von Sergei P. Koroljow, die UR-700 von Wladimir N. Tschelomej und die R-56 von Michail K. Jangel. Da sich kein Land der Welt 3 parallele Projekte dieser Größenordnung leisten kann, wurde zunehmend klarer, dass der Rotstift angesetzt werden muss. Letztlich setzte sich Koroljow mit seiner N-1, deren Modell ich Euch hier schon mal vorgestellt habe, durch. Doch er war auch klug genug, seine Konkurrenten nicht völlig aus dem Geschehen zu drängen, sondern sie in das Programm zu integrieren. So bekam Jangels OKB-586 den Auftrag, das Antriebssystem des Blocks E der N-1 zu entwickeln und Tschelomejs OKB-52 eine Rakete zu bauen, die eine bemannte Mondumkreisung ermöglichen sollte, die spätere „Proton“. Anders als die Amerikaner mit ihrer Saturn V setzten die Sowjets somit auf zwei mehr oder weniger eigenständige Entwicklungen von bemannten Mondraketen, um in Falle des Scheiterns einer der beiden Modelle wenigstens die andere noch in der Hinterhand zu haben. Dass beide nicht gerade vom Erfolg verwöhnt wurden, das hatte wohl niemand auf der Rechnung.

Maßgeblich von Koroljow beeinflusst gab es 1963 nach Absetzung der UR-700 und R-56 insgesamt 5 Teilprogramme in der Raumfahrt, die sich mit dem Thema Mond ("Luna") befassten:

L1: Bemannte Mondumrundung. Dafür entwickelte Tschelomej das „LK-1“-Raumschiff und passte die UR-500 als Träger an. Mit Wirkung vom 25.12.1965 wurde „LK-1“ durch das "Sond"-Raumschiff "7K-L1" als abgespeckte "Sojus"-Variante ersetzt. Die UR-500 wurde an die neue Nutzlast adaptiert.
L2: Unbemanntes "Mondauto". Kann man als Urahn der späteren "Lunochod"-Fahrzeuge betrachten.
L3: Bemannte Mondlandung. Hierfür entstanden das "Sojus"-Raumschiff "7K-LOK", der Mondlander "LK" und die "N-1"-Rakete.
L4: Mondorbiter mit 2 bis 3 Mann Besatzung für umfangreiche Monduntersuchungen und insbesondere -kartierungen. Verlief offenbar im Sande.
L5: Bemanntes "Mondauto". Schicksal wie L4.

Die "UR-500"-Rakete selbst war ursprünglich als Träger eines überschweren militärischen Sprengkopfes gedacht. U.a. aus dieser Zweckbestimmung wurde die hypergole, hoch toxische, aber lagerfähige Treibstoffkombination unsymmetrisches Dimethylhydrazin (UDMH) und Distickstofftetroxid (N2O4) gewählt und auch nach der Umfunktionierung zum Raumfahrtträger beibehalten. Weitere interessante Details an der Rakete war die elegante Konstruktion der "Nabelschnur", die die Rakete vor dem Start mit der Bodeneinrichtung verband und das bis dahin übliche Kabelgewirr ersetzte, sowie die Auslegung der Erststufe. Grundforderung war dabei, dass die einzelnen Stufen per Bahn zum Endmontageort transportiert werden sollten. Das begrenzte den maximalen Durchmesser auf 4,15m, um nicht in Tunneln oder unter Brücken hängenzubleiben. Mit dieser Randbedingung und der üblichen Treibstoffanordnung (also übereinander) wäre die erste Stufe unverhältnismäßig lang geworden und die Rakete hätte mit enormen Windlasten zu kämpfen gehabt. Stattdessen entschied man, den zentralen Zylinder als Oxidatortank auszubilden und um ihn herum 6 bleistiftartige Brennstofftanks anzuordnen, auch wenn diese Polyblock-Variante Leistungseinbußen bedeutete. Diese "Bleistifte" sind also keine Booster, auch wenn man das in Zusammenhang mit der "Proton" manchmal fälschlicherweise liest.

Schließlich will ich noch eine Besonderheit erwähnen, die die Flugkontrolle betrifft. Und zwar sind die 6 Erststufenmotoren nicht schwenkbar, sondern es wird der Schub selektiv gesteuert. Das ist möglich, weil sich die Triebwerke relativ weit von der Symmetrieachse der Rakete befinden. Diese Technik hat aber auch zur Folge, dass die Treibstofftanks zum Brennschluss nicht immer ganz leer sind und nach dem Aufschlagen auf der Erde Probleme in ökologischer Hinsicht auftreten. Mal abgesehen davon, dass manche Exemplare bereits Sekunden nach dem Start, quasi noch vollgetankt, schon aufgeschlagen sind...

Der erste Teststart der „UR-500“, noch lediglich 2-stufig, erfolgte am 16.07.1965, dabei gelangte der mit 8,3t für damalige Verhältnisse außerordentlich schwere Satellit "Proton 1" in eine Umlaufbahn. Der sowjetischen Tradition folgend erhielt die Trägerrakete den Namen ihrer ersten Nutzlast.

Für das L1-Programm wurde die Rakete zur 4-Stufen-Version ausgebaut. Lediglich die 4. Stufe (Block D, der das Raumschiff zum Mond befördern sollte) und die Nutzlast (das Sond-Raumschiff) kamen aus dem L3-Programm, das Koroljow, nach seinem Tode Mischin, federführend betreute. Der erste Test der "Proton L1" erfolgte am 10.03.1967 und war erfolgreich. Wie trügerisch das sich einstellende Glücksgefühl bei den Verantwortlichen gewesen sein muss, lässt sich an der Erfolgsstatistik ablesen: Unter 39 (nach anderen Quellen 40) Startversuchen, von denen allerdings etliche andere Ziele als den Mond hatten, gab es 15 Fehlversuche. Zu 60% versagte die Rakete, zu je 20% Block D und das "Sond"-Raumschiff, und wenn es erst gegen Ende der Mission, dem Wiedereintritt in die Erdatmosphäre, war. Dieser war nämlich besonders elegant und sah vor, dass die Raumkapsel zunächst an der Erdatmosphäre abprallen sollte, dabei an Geschwindigkeit verlor und erst danach, wie sonst üblich, ballistisch landen sollte. Das setzt selbstverständlich eine enorm hohe Bahngenauigkeit voraus, denn ist der Winkel zu flach, prallt die Kapsel ab auf nimmer Wiedersehen, ist er zu steil, gibt's einen rein ballistischen Wiedereintritt mit extrem hohen Bremsbeschleunigungen und eine Landung weit „vor“ dem geplanten Landegebiet.

Lange Rede, kurzer Sinn: von "Sond 4" bis "Sond 8" war lediglich "Sond 7" rundum ein Erfolg. Fünf weitere Startversuche im „Sond“-Programm schlugen fehl, ohne dass die Raumflugkörper offiziell den Namen „Sond“ erhalten hätten. Die Überlebenswahrscheinlichkeit für einen Kosmonauten hätte bei gerade einmal 9 (in Worten: neun) Prozent gelegen... Übrigens habe ich mal gelesen, dass die „Proton“-Rakete, neben ihrer ausbaufähigen Zuverlässigkeit, auch deshalb nicht für bemannte Einsätze zugelassen wurde, weil die akustische Belastung für einen Kosmonauten zu hoch gewesen wäre; sie war schlicht „zu laut“.

So wurde der Raumflug eines Kosmonauten um den Mond abgeblasen, teils, weil die eigene Technik nicht in den Griff zu bekommen war, teils aber auch, weil die Amerikaner mit Apollo 8 und 11 einfach schneller waren.

So, nach dem etwas textlastigen ersten Teil wird es gleich mit dem Modell weitergehen. Bis dann…
Liebe Grüße von nochsonBastler.

"Das erinnert mich an den Mann, der sich splitternackt auszog und in einen Kaktus sprang."
"Warum hat er das getan?"
"Er hielt das damals für eine blendende Idee!"

("Die glorreichen Sieben", Mirisch/Alpha, 1960)

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Sonntag, 4. Oktober 2015, 16:08

Weiter geht's...

Nun aber endlich zum Modell. Es handelt sich wieder um einen Bausatz aus dem Hause RealSpace Models. Hinsichtlich Originaltreue und Qualität der Bauteile schließt sich die „Proton Sond“ direkt an den Bausatz der „N-1“ an. Eigentlich hatte ich vor, streng ooB zu bauen, aber irgendwie habe ich es nicht über’s Herz gebracht und wenigstens die gröbsten „Klöpse“ korrigiert. Ich finde es faszinierend, wie viel Zeit man beim Zusammenbauen von den paar Bauteilen



investieren muss. Löcher verspachteln, Details ändern oder überhaupt erst hinzufügen etc. …

Aber die Bauanleitung ist schön übersichtlich



Der zentrale Block der ersten Stufe besteht aus 2 Teilen, einem großen Ober- und einem kleinen Unterteil, die auf dem folgenden Bild schon zusammengesetzt sind. Mit dem Klebeband habe ich die Positionen markiert, wo später die die externen Brennstofftanks („Bleistifte“) hingehören.



Im nächsten Schritt habe ich die Kontaktstellen abgeklebt,



damit später der Kleber nicht nur die Farbschichten, sondern das Resin verklebt.
Nach dem üblichen Spachteln, Verschleifen, Sandstrahlen und Grundieren sahen die Brennstofftanks so aus



Bei diesem Anblick fiel mir der alte Ausspruch Nikita Chruschtschows ein, dass in der Sowjetunion Raketen wie Würstchen gestanzt würden. Hier sind’s offensichtlich Weißwürschtl…

Das nächste Foto zeigt den Boden der ersten Stufe mit den 6 bereits montierten „Bleistiften“ bzw. „Weißwürschtln“.



Das Bodenteil der Erststufe, das sechseckige Teil, das in der Mitte zu sehen ist, gibt die Position der „Bleistifte“ vor und muss natürlich bezüglich des großen Zylinderteils der ersten Stufe genau ausgerichtet werden. Dazu hat das Bodenteil 3 kleine Markierungen. Natürlich habe ich mich danach gerichtet, hinterher stellte sich aber heraus, dass das ein Fehler war. Das Bodenteil ist leicht verdreht, so dass die auf dem großen Zylinderteil angebrachten Leitungsverkleidungen nicht mittig zwischen den „Bleistiften“ liegen. Ich habe versucht, das zu korrigieren, daher sehen die Anschlussstellen Bodenteil – „Bleistifte“ nicht exakt aus. Aber das ist nach dem Spachteln und Verschleifen nicht mal mehr zu erahnen. Viel schlimmer finde ich die Lieblosigkeit, mit der der Bausatz im Bodenbereich zwischen den „Bleistiften“ daher kommt. Da sollen einfach Lücken bleiben, obwohl im Original die zylindrische Form des Zentraltanks zwischen den „Bleistiften“ bis zur Bodenebene fortgeführt wird. Ich habe die Bereiche einfach durch kleine Plastiksheet-Plättchen verschlossen und die Hohlräume mit so einer 2K-Knetmasse aufgefüllt und zum Schluss verschliffen. Das ist der Bauzustand im vorigen Bild.

Für die „Proton“-Rakete ist auch charakteristisch, dass zwischen den Erststufentriebwerken mehr oder weniger dreieckige Bleche angeordnet sind, ich nehme an, um die Triebwerke aerodynamisch zu schützen. Selbstverständlich fehlen die im Bausatz. War aber nicht weiter tragisch, die habe ich mir aus 0,25mm-Plastiksheet selbst gezimmert



und angeklebt



So wird ein Schuh draus.

Die oberen Stufen sind mehr oder weniger Zylinder, die man lediglich gerade zusammenkleben muss. Hört sich einfach an, kann aber tückisch sein, weil ich kein Werkzeug habe, die zu verklebenden Stirnflächen der Stufen exakt rechtwinklig zur Längsachse zu schleifen. Und ein Knick würde, glaube ich, extrem bescheuert aussehen. Also habe ich die Klebestellen mit Acrylit (der ist ein paar Minuten korrigierbar) bestrichen, die zylindrischen Stufen zusammengesetzt und auf ein Alu-Winkelstück gelegt.



Den Rest der Ausrichtung hat dann die Schwerkraft für mich erledigt. Hat prima funktioniert.

Zum Abschluss dann das übliche Lackieren und die Endmontage, nichts Besonderes, daher auch keine Bilder dazu. Nur die Bodenplatte der ersten Stufe habe ich noch mit einem Aufkleber (Mitte) und ein paar Strukturträgerimitationen, für die ich Linien mit einer Dicke von ca. 0,3mm mittels Reißfeder aufgebracht habe, aufgepeppt.



Das war der Bau im Schnelldurchlauf. Es folgen noch ein paar Fotos vom fertigen Objekt.
Liebe Grüße von nochsonBastler.

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Sonntag, 4. Oktober 2015, 22:21

Zunächst das Schätzchen mit seinen 313g purer Eleganz:



Dann in der Abendsonne



und von oben gesehen



Hier die Nutzlastspitze mit dem Rettungssystem in groß



Der Gitteradapter am Übergang 1. und 2 Stufe mit den 4 Triebwerken RD-0120 mit insgesamt 2.328kN Schub



Die erste Stufe von unten mit den 6 Triebwerken RD-253 mit insgesamt 8.847kN Schub auf Meereshöhe und 9.810kN im Vakuum



Kurz nach dem „Start“



und mitten im „Flug“



Zum Abschluss noch ein Vergleich der Modelle „N-1“, „Proton K L1“ und „R-7 Wostok“, alle im gleichen Maßstab 1/144. Ich finde, das vermittelt einen besseren Eindruck über die Größenverhältnisse als eine Zeichnung es jemals könnte.



So, das war's von meiner Seite. Ich hoffe, es hat Euch gefallen. :wink:
Liebe Grüße von nochsonBastler.

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Montag, 5. Oktober 2015, 16:13

8o :sabber: :sabber: :sabber: NA KLAR HAT'S GEFALLEN!!!!! :thumbsup: :hand:
mfG :wink:
Roland :thumbup:
ALLE Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren

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Dies Möge die Stunde sein da wir gemeinsam Schwerter ziehen, Grimmetaten erwachet auf zu Zorn, auf zu Verderben und blutig Morden

„Selbst das wildeste Tier kennt doch des Mitleids Regung“ - „Ich kenne keins und bin deshalb kein Tier“

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Montag, 5. Oktober 2015, 17:56

Hallo Roland,

danke für Deinen Kommentar, Du treue Seele... :wink:
Liebe Grüße von nochsonBastler.

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Montag, 5. Oktober 2015, 19:47

Ehre wem Ehre gebührt ;) :ok: :hand:
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Donnerstag, 8. Oktober 2015, 10:48

Sehr cool. Sieht sehr schön aus.





hulle6


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Auch aus Steinen, die dir in den Weg gelegt werden, kannst du etwas Schönes bauen.

Verwendete Tags

1:144, Proton, RealSpace Models, Sond

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