Hallo, liebe Raumfahrtfans,
ich habe mal wieder ein Modell fertiggestellt, das ich Euch hiermit vorstellen möchte. Es handelt sich um die sowjetische "Proton"-Rakete in der "Sond"-Konfiguration, wie sie zwischen 1967 und 1975 im Einsatz war und unter den Bezeichnungen "Proton 8K82K/11S824", "Proton K/D", "Proton K Block D Sond", "UR-500K L1" sowie Kombinationen aus diesen Bezeichnungen bekannt wurde.
Hier ist ein kompakter Artikel zu dem Muster zu finden. Meinem Beitrag voranstellen möchte ich aber einen kleinen geschichtlichen und technischen Abriss; wen's nicht so interessiert - einfach zu den Bildern herunterscrollen.
Anfang der 1960er Jahre gab es in der Sowjetunion 3 konkurrierende Projekte, die eine bemannte Mondlandung als Ziel hatten und von den 3 führenden sowjetischen Raketenexperten vorangetrieben wurden. Die entsprechenden Super-Trägerraketen waren die
N-1 von Sergei P. Koroljow, die
UR-700 von Wladimir N. Tschelomej und die
R-56 von Michail K. Jangel. Da sich kein Land der Welt 3 parallele Projekte dieser Größenordnung leisten kann, wurde zunehmend klarer, dass der Rotstift angesetzt werden muss. Letztlich setzte sich Koroljow mit seiner N-1, deren Modell ich Euch
hier schon mal vorgestellt habe, durch. Doch er war auch klug genug, seine Konkurrenten nicht völlig aus dem Geschehen zu drängen, sondern sie in das Programm zu integrieren. So bekam Jangels OKB-586 den Auftrag, das Antriebssystem des Blocks E der N-1 zu entwickeln und Tschelomejs OKB-52 eine Rakete zu bauen, die eine bemannte Mondumkreisung ermöglichen sollte, die spätere „Proton“. Anders als die Amerikaner mit ihrer
Saturn V setzten die Sowjets somit auf zwei mehr oder weniger eigenständige Entwicklungen von bemannten Mondraketen, um in Falle des Scheiterns einer der beiden Modelle wenigstens die andere noch in der Hinterhand zu haben. Dass beide nicht gerade vom Erfolg verwöhnt wurden, das hatte wohl niemand auf der Rechnung.
Maßgeblich von Koroljow beeinflusst gab es 1963 nach Absetzung der UR-700 und R-56 insgesamt 5 Teilprogramme in der Raumfahrt, die sich mit dem Thema Mond ("Luna") befassten:
L1: Bemannte Mondumrundung. Dafür entwickelte Tschelomej das „
LK-1“-Raumschiff und passte die UR-500 als Träger an. Mit Wirkung vom 25.12.1965 wurde „LK-1“ durch das "Sond"-Raumschiff "7K-L1" als abgespeckte "Sojus"-Variante ersetzt. Die UR-500 wurde an die neue Nutzlast adaptiert.
L2: Unbemanntes "Mondauto". Kann man als Urahn der späteren "Lunochod"-Fahrzeuge betrachten.
L3: Bemannte Mondlandung. Hierfür entstanden das "Sojus"-Raumschiff
"7K-LOK", der Mondlander
"LK" und die "N-1"-Rakete.
L4: Mondorbiter mit 2 bis 3 Mann Besatzung für umfangreiche Monduntersuchungen und insbesondere -kartierungen. Verlief offenbar im Sande.
L5: Bemanntes "Mondauto". Schicksal wie L4.
Die "UR-500"-Rakete selbst war ursprünglich als Träger eines überschweren militärischen Sprengkopfes gedacht. U.a. aus dieser Zweckbestimmung wurde die hypergole, hoch toxische, aber lagerfähige Treibstoffkombination unsymmetrisches Dimethylhydrazin (UDMH) und Distickstofftetroxid (N2O4) gewählt und auch nach der Umfunktionierung zum Raumfahrtträger beibehalten. Weitere interessante Details an der Rakete war die elegante Konstruktion der "Nabelschnur", die die Rakete vor dem Start mit der Bodeneinrichtung verband und das bis dahin übliche Kabelgewirr ersetzte, sowie die Auslegung der Erststufe. Grundforderung war dabei, dass die einzelnen Stufen per Bahn zum Endmontageort transportiert werden sollten. Das begrenzte den maximalen Durchmesser auf 4,15m, um nicht in Tunneln oder unter Brücken hängenzubleiben. Mit dieser Randbedingung und der üblichen Treibstoffanordnung (also übereinander) wäre die erste Stufe unverhältnismäßig lang geworden und die Rakete hätte mit enormen Windlasten zu kämpfen gehabt. Stattdessen entschied man, den zentralen Zylinder als Oxidatortank auszubilden und um ihn herum 6 bleistiftartige Brennstofftanks anzuordnen, auch wenn diese Polyblock-Variante Leistungseinbußen bedeutete. Diese "Bleistifte" sind also keine Booster, auch wenn man das in Zusammenhang mit der "Proton" manchmal fälschlicherweise liest.
Schließlich will ich noch eine Besonderheit erwähnen, die die Flugkontrolle betrifft. Und zwar sind die 6 Erststufenmotoren nicht schwenkbar, sondern es wird der Schub selektiv gesteuert. Das ist möglich, weil sich die Triebwerke relativ weit von der Symmetrieachse der Rakete befinden. Diese Technik hat aber auch zur Folge, dass die Treibstofftanks zum Brennschluss nicht immer ganz leer sind und nach dem Aufschlagen auf der Erde Probleme in ökologischer Hinsicht auftreten. Mal abgesehen davon, dass manche Exemplare bereits Sekunden nach dem Start, quasi noch vollgetankt, schon
aufgeschlagen sind...
Der erste Teststart der „UR-500“, noch lediglich 2-stufig, erfolgte am 16.07.1965, dabei gelangte der mit 8,3t für damalige Verhältnisse außerordentlich schwere Satellit "Proton 1" in eine Umlaufbahn. Der sowjetischen Tradition folgend erhielt die Trägerrakete den Namen ihrer ersten Nutzlast.
Für das L1-Programm wurde die Rakete zur 4-Stufen-Version ausgebaut. Lediglich die 4. Stufe (Block D, der das Raumschiff zum Mond befördern sollte) und die Nutzlast (das
Sond-Raumschiff) kamen aus dem L3-Programm, das Koroljow, nach seinem Tode Mischin, federführend betreute. Der erste Test der "Proton L1" erfolgte am 10.03.1967 und war erfolgreich. Wie trügerisch das sich einstellende Glücksgefühl bei den Verantwortlichen gewesen sein muss, lässt sich an der Erfolgsstatistik ablesen: Unter 39 (nach anderen Quellen 40) Startversuchen, von denen allerdings etliche andere Ziele als den Mond hatten, gab es 15 Fehlversuche. Zu 60% versagte die Rakete, zu je 20% Block D und das "Sond"-Raumschiff, und wenn es erst gegen Ende der Mission, dem Wiedereintritt in die Erdatmosphäre, war. Dieser war nämlich besonders
elegant und sah vor, dass die Raumkapsel zunächst an der Erdatmosphäre abprallen sollte, dabei an Geschwindigkeit verlor und erst danach, wie sonst üblich, ballistisch landen sollte. Das setzt selbstverständlich eine enorm hohe Bahngenauigkeit voraus, denn ist der Winkel zu flach, prallt die Kapsel ab auf nimmer Wiedersehen, ist er zu steil, gibt's einen rein ballistischen Wiedereintritt mit extrem hohen Bremsbeschleunigungen und eine Landung weit „vor“ dem geplanten Landegebiet.
Lange Rede, kurzer Sinn: von "Sond 4" bis "Sond 8" war lediglich "Sond 7" rundum ein Erfolg. Fünf weitere Startversuche im „Sond“-Programm schlugen fehl, ohne dass die Raumflugkörper offiziell den Namen „Sond“ erhalten hätten. Die Überlebenswahrscheinlichkeit für einen Kosmonauten hätte bei gerade einmal 9 (in Worten: neun) Prozent gelegen... Übrigens habe ich mal gelesen, dass die „Proton“-Rakete, neben ihrer ausbaufähigen Zuverlässigkeit, auch deshalb nicht für bemannte Einsätze zugelassen wurde, weil die akustische Belastung für einen Kosmonauten zu hoch gewesen wäre; sie war schlicht „zu laut“.
So wurde der Raumflug eines Kosmonauten um den Mond abgeblasen, teils, weil die eigene Technik nicht in den Griff zu bekommen war, teils aber auch, weil die Amerikaner mit Apollo 8 und 11 einfach schneller waren.
So, nach dem etwas textlastigen ersten Teil wird es gleich mit dem Modell weitergehen. Bis dann…