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Guten Abend allerseits, (bei mir ist es hier immer Abend, gleich bei welcher Tageszeit
)
tja, man kann sich das Leben schwer oder einfach machen.
Will heißen, dass ich nach gefühlten einigen hundert Jahren am Vorschiff nun langsam aber sicher mal beim Bugspriet zum Ende kommen muss.
Und um sich das Leben etwas leichter zu gestalten schafft es Frohsinn, noch vor dem Endeinbau des Spriets möglichst alle Blöcke oder Ringbolzen
anzubringen, um die später noch ohnehin ausreichend notwendige Fummelei einigermaßen in Grenzen zu halten.
Der Fockstagblock ist am Spriet inzwischen ja dran (Hallo Chris, den Block könnte ich noch aus dem Auge nehmen, aber vermutlich werde ich wenn
überhaupt die Keeps nur an den ganz großen Blöcken bei der Hauptmaststage ausbilden), aber was kommt direkt oberhalb des gestroppten Blocks ?
Nun, eventuell der nächste Block für ein Wasserstag, wenn man denn eines vorsehen will. Aber gab es damals schon ein solches Stag ? und wenn ja,
wie sah es aus ?
Seufz…. Also wieder einmal Fragen über Fragen, darum ce soir:
Kapitel I Bugspriet, Titel I Takelung Pos 2. Anbindung des großen Wasserstags
Der Sinn eines Wasserstags besteht ja darin, den nach oben gerichteten Zugkräften, die aus dem Fockstag und dem laufenden Gut auf dem
Bugspriet wirken, mit einer nach unten gerichteten Kraft entgegen zu arbeiten. Daher wird eine Kopplung zwischen dem Scheg und dem Bugspriet
hergestellt, die in allerlei Varianten vorkommen können.
Zunächst einmal gilt es zu klären, ob zu der Zeit der Soleil Royal überhaupt ein Wasserstag ausgeführt wurde. Anderson zeigt sich hier skeptisch und
vermutet, dass vor 1675 (Schreibfehler in seinem Buch, dort steht 1685, er bezieht sich aber auf das letzte Viertel des 17. Jahrhunderts) wohl kein
Wasserstag existierte, stellt das aber auch selbst wiederum (zu Recht) in Frage. Marquardt bezieht sich ja eher auf das 18. Jahrhundert und führt
zudem keine weiteren Quellen oder zeitliche Zusammenhänge auf. So kommt man also nicht weiter.
Das Wasserstag hat nach Meinung einiger Experten zunächst auf französischen Schiffen Einzug gehalten. Der früheste mir bekannte Hinweis auf ein
Wasserstag ist auf dem nachfolgenden Stich „Vaisseau dessiné par Puget“ aus dem Jahre 1650 zu finden.
Hinzu kommt, dass auch im Album von Colbert Plan Nr. 50 ein Wasserstag zu sehen ist.
Auf dem Modell der Royal Quinze von 1728 die das Schiff von 1692 zeigt, ist ebenfalls ein Wasserstag zu sehen.
Bei Edmond Paris, der sich an dem vorigen Modell orientiert, wird folgerichtig auch ein großes und sogar noch ein kleines Wasserstag erwähnt und
auch teils zeichnerisch dargestellt.
Fazit:
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wurde bei der SR damals ein Wasserstag eingezogen, Hauptquelle dabei Colbert, da zeitlich am
dichtesten dran.
So weit so gut, aber welche Variante ?
Variante I: Verbindung zweier Blöcke bzw. Jungfern durch ein Taljereep, das unmittelbar am Scheg endet, wie zuvor bei Colbert dargestellt
Variante II: Ausführung wie vor, jedoch genau anders herum. Das lange Ende wird am Scheg befestigt und das Taljereep mit den Blöcken/Jungfern
direkt unterhalb des Bugspriets platziert.
Variante III: Wie bei Puget dargestellt, Block am Scheg, Block am Bugspriet und das ziehende Tau läuft durch die Blöcke am Bugspriet entlang und
wird dort mittels Klampen befestigt. Eine meines Erachtens statisch schöne stimmige Lösung.
Variante IV: Wie bei Puget dargestellt, Block am Scheg, Block am Bugspriet und das ziehende Tau läuft durch die Blöcke in Richtung Frontschott
und endet dort in einer zwei oder dreischeibigen Talje. So beschreibt es z.B. Edmond Paris auch auf seiner nachfolgenden Zeichnung:
Aber irgendetwas ist Faul im Staate Dänemark…
Schaut man sich die Zeichnung von E. Paris einmal ganz genau an, dann kann diese Darstellung unmöglich stimmen. Hier läuft der holende Part in
den oberen Block und von dort aus in den unteren Block…. Und von dort aus wieder als Endlosschleife in den oberen Block….
Das kann nur funktionieren, wenn der Läufer am gestroppten Schegblock beginnt, hoch läuft, wieder herunter, wieder hoch und sich dann in
Richtung Hauptschiff spannt, aber davon ist nichts zu sehen…
Dann spricht die Literatur, (Marquardt, Paris, Anderson) nur von jeweils EINEM oberen und unteren Block, damit wäre bei dieser Variante
zwangsläufig der in einer Talje endende Befestigungspunkt entweder links oder rechts des Bugspriets, also nicht symmetrisch.
Und was sagt das Modell der Royal Quinze dazu ?
Oben und unten jeweils ein Block, soweit klar, dort läuft das Tau durch, aber dann „verzweigt“ sich das Ganze und endet in zwei Taljen links
und rechts des Bugspriets..
EIN Tau, aber ZWEI verzweigte Abgänge…
Es hat eine Weile gedauert, bis ich dahinter kam. Das Tau dieses Wasserstags „startet“ bei einer Talje, z.B. rechts des Spriets, läuft dem Bugspriet
entlang (wahrscheinlich in einem Augbolzen geführt, der im Bugspriet eingelassen war )durch den Doppelblock, hinunter zum Einfachblock, zurück,
damit zum zweiten Mal durch den Doppelblock und endet dann in einer zweiten Talje nun aber links des Spriets. Symmetrische Anordnung, bei nur
einer Stage, clever…. und so werde ich es auch ausführen.
Aber es folgt prompt die nächste Klippe. Wo biiteschön wäre denn der Halteblock für Talje am Schiff als Fixpunkt zu befestigen. Na ganz einfach,
wie bei der Royal Quinze. Könnte sein..oder auch nicht... Auf alle Fälle müssen die Zugkräfte in die horizontale Tragkonstruktion des Schiffes
eingeleitet werden, vorzugsweise wie im Modell von 1728 möglichst weit außen am Frontschott, dort durchgebunden zur Einleitung in das Barkholz
oder Ähnliches.
Erkenntnis des heutigen Tages:
Für das notwendige Wasserstag musste unmittelbar oberhalb des Fockstageblocks ein Zweischeibenblock mittels Doppelstropp angebracht werden,
nicht zu vergessen zwei Augbolzen links und rechts des Bugspriets, um das Stagtau am Spriet entlang führen zu können. Aber wo genau verlässt das
Stag den Spriet um an das Frontschott anzubinden ? Und führt das evtl. zu Kollisionen mit anderer Takelage ?
Seufzz.... es nutzt nichts, das muss komplett am Schiff mit Dummies durchgespielt werden, als dann:
Zunächst einmal in bewährter Weise einen 5 mm Doppelblock in einen Doppelstropp eingebunden, von vorne:
und von der Seite:
Dann zur Abwechslung mal eine Totale mit der Einbindung eines feinen Garns, ob die Geometrie überhaupt in etwa passen könnte.
Dann wie zuvor beschrieben das Tau vom Frontschott kommend zunächst in den Doppelblock geführt...
nach unten provisorisch durch's Scheg geführt und retour...
Danach den möglichen Haltepunkt für den Block der Talje am Frontschott in etwa ausfindig gemacht und dann den möglichen Punkt
bestimmt, wo das Stag den Bugspriet in Richtung Frontschott verlässt....
Direkt unterhalb der ersten Blöcke für das laufende Gut muss der Augbolzen platziert werden, um das Stag dann abzuführen.
Die Stagführung auf der rechten Seite ist maßgebend, links habe ich das Tau nur zum Fixieren durch die Pforte geführt.
Fazit: Das wird in oben genannter Weise funktionieren, auch wenn man nur knapp an den Toiletten vorbeikommt um durch das Frontschott
hindurch in das Barkholz einleiten zu können.
Übrigens, da ist noch nichts fest eingebaut, nur grob eingelegt um eventuelle Hindernisse ausfindig machen zu können. Z.B. sitzt das Gräting
nicht genau auf Höhe der Galionsregel etc., darauf kam es mir jetzt nicht an, das Ding ist nur prov. eingelegt etc.
Abschließend In eigener Sache:
Ich entschuldige mich für die teils sehr langatmigen Erklärungen, aber ich habe den Ehrgeiz, in meinem BB auch die historische Ableitung zu
beschreiben. Ich kann mir vorstellen, dass dort draußen in der Diaspora der „stillen“ SR Modellbauer dies auch für den ein oder anderen interessant
sein könnte. Es ist nun mal nicht einfach, für diese französischen Schiffe eine absolut sichere Quelle zu finden, aber man kann es versuchen, soweit
wie möglich eine historische Ableitung aufzuzeigen.
In diesem Sinne, beste Grüße und bis demnächst
Bernd