Hallo Ray,
vom Ausschuss kannst Du gerne was abhaben …
Fortsetzung: Schlagen von Tauen
Übrigens, wie bereits geschrieben, habe ich mir Nähgarn von Gütermann aus echter Seide besorgt. Beim Weihnachtsbummel mit meiner Frau bin ich zufällig im Kaufhof in Ingolstadt darauf gestoßen.
Die ersten Versuche sind vielversprechend. Es handelt sich hier um ein Nähgarn aus 100 % Seide (Schappeseide). Bisher hatte ich dieses Material für die Tauherstellung nicht in Erwägung gezogen, weil unser Forumskollege Thomas Quint @archnav einmal geschrieben hat, dass Seide nicht sehr haltbar ist:
„Hochwertiges Leinengarn ist heute eher zu bekommen als noch vor 200 Jahren. Trotzdem gibt es noch zeitgenössische Modelle aus dem 18. Jahrhundert, die mit Leinengarn getakelt sind. Die meisten Modelle (besonders aus dem 17. Jhdt), sofern sie denn überhaupt getakelt waren (HMS Loyal London 1666 z.B.), wurden mit Tauwerk aus Seide gefertigt. Dies war in sehr dünnen Abmessungen vorhanden und konnte problemarm "geschlagen" und eingefärbt werden.
Leider ist Seide ein tierischer Faserstoff und damit durch Umwelteinflüsse angreif- und zersetzbar. Genau das ist mit den meisten Takelungen aus dieser Zeit
passiert.... sie haben sich aufgelöst, sind abgefallen, ja wahrscheinlich sogar zerbröselt, denn damals verwendete man sehr gerne Schusterpech zur Farbgestaltung und Konservierung. Das wurde auch beim Leinengarn gerne verwendet und dort verhielt es sich auch besser, aber bei Seide umschloss es das Material nur, drang aber nicht hinein.“
Daher hatte ich für mich Seide als Ausgangsmaterial zur Tauherstellung zu verwenden nicht im Programm, ohne näher zu wissen, wie gut sich dieses Material eigentlich verarbeiten lässt. Wie es der Zufall so will, befasse ich mich nun doch mit diesem Material, um zumindest zu sehen, wie daraus geschlagene Taue aussehen.
Die letzten Tage habe ich nun Versuche mit dem Seidengarn durchgeführt. Nach den ersten Ergebnissen ist festzustellen, dass das Seidengarn sehr gute, um nicht zu sagen ideale Eigenschaften für die Tauherstellung besitzt, besser noch wie Polyestergarn.
Seide ist sehr zugfest und der Faden besitzt eine sehr gleichmäßig ausgebildete Struktur. Taue können aus Seidenfäden somit sehr gleichmäßig und bei dünnen Stärken auch noch sehr fest geschlagen werden. Allein der optische Eindruck ist für mich schon überzeugend. Die exakte Ausbildung der Kardeele mit den Keepen kommt m. E. einer maßstäblichen Verkleinerung eines Originaltaues sehr nahe. Von allen bisher selbst hergestellten Tauen, sehen die aus Seide geschlagenen mit Abstand am besten aus.
Die Fasern der Seide bestehen fast ausschließlich aus Proteinen. Daher scheint ein großer Nachteil von Seide in der geringen Haltbarkeit zu liegen. Seide reagiert auch sehr empfindlich auf UV-Licht und sonstige Umwelteinflüsse.
Deshalb ist es offensichtlich so, dass viele Museen ihre Schiffmodelle mit einer Takelage aus Leinengarn ausstatten. Wie ich auch gelesen habe, verwendet Ab Hoving, der Chefrestaurator im Rijksmuseum, bei seinen Restaurationsarbeiten an den Takelagen der Modellschiffe auch Leinengarn.
Andererseits schrieb Greg Herbert im MSW, dass es im Museum von Annapolis noch mehrere Navy Board Modelle mit originaler Seidentakelage gibt.
Einerseits wäre Seide ein Option für die Tauherstellung, andererseits spricht die geringe Haltbarkeit erheblich dagegen.
Insofern drängen sich mir in diesem Zusammenhang eine Reihe von Fragen auf:
Warum wird Seide für Taue im historischen Schiffsmodellbau wenig bis überhaupt nicht eingesetzt?
Ist die Haltbarkeit von Seide wesentlich schlechter als die der üblichen Materialien (Leinen, Baumwolle, Polyester) zur Tauherstellung?
Wie schnell sind Veränderungen an der Takelage aus Seide durch UV-Strahlen erkennbar?
Abschließend eine philosophische Frage: Wieviel Generationen soll so ein Modell überdauern?
Fortsetzung folgt …