Sie sind nicht angemeldet.

Lieber Besucher, herzlich willkommen bei: Das Wettringer Modellbauforum. Falls dies Ihr erster Besuch auf dieser Seite ist, lesen Sie sich bitte die Hilfe durch. Dort wird Ihnen die Bedienung dieser Seite näher erläutert. Darüber hinaus sollten Sie sich registrieren, um alle Funktionen dieser Seite nutzen zu können. Benutzen Sie das Registrierungsformular, um sich zu registrieren oder informieren Sie sich ausführlich über den Registrierungsvorgang. Falls Sie sich bereits zu einem früheren Zeitpunkt registriert haben, können Sie sich hier anmelden.

  • »jo-loom« ist der Autor dieses Themas

Beiträge: 2 494

Realname: Johannes

Wohnort: Gastarbeiter im Bajuwarischen Königsreich

  • Nachricht senden

1

Sonntag, 30. Januar 2011, 15:48

"Antennen" beim Formel 1 Fahrzeug

Hallo zusammen,

für die, die es womöglich interessieren mag, ein wenig Hintergrunderläuterung zu dem, was in verschiedenen Bauberichten pauschal als "Antennenwald" beim F1-Fahrzeug verstanden wird. Dies soll denen unter Euch helfen, die extremen Wert auf Vorbildtreue legen und zudem vielleicht noch ein bisschen verstehen möchten, wofür das Ganze gut ist:

1) Pitot Rohr
Das auf dem Kopf stehende L-förmige Gebilde ist ein sogenanntes Pitot-Rohr (im Englischen Pitot tube) oder auch Prandtl-Rohr. Das ist exakt gleich zu allen Fliegern ein Staudruckmesser.
Dieses Rohr wird am häufigsten mit 5 mm Außendurchmesser eingesetzt. Es ist meist eine hartgelötete Konstruktion aus mehreren Bauteilen. Am Ende befindet sich eine Halbkugel mit zentraler Öffnung von etwa 1 mm Durchmesser. Wenig dahinter am Außenrohr sitzen üblicherweise weitere 4 Löcher. Die Luftströme des zentralen Lochs und der gemeinsamen 4 Außenlöcher gelangen durch das Rohr und werden am unteren Ende an zwei Anschlüssen zur verfügung gestellt. Dort wird über zwei kleine Schläuchee ein sogenannter Differenzdruckmesser angeschlossen, der die wenigen Millibar Druckdifferenz erfasst.
Über eine übliche Aerodynamik-Formel kann man nun mit Berücksiichtigung von Umgebungstemperatur und anderen Kompensationsgrößen die Luftgeschwindigkeit errechnen. Zum Schluss kommt noch ein Korrekturfaktor aus dem Windkanal drauf, da durch die gebogene Form der Frontnase der Luftstrom deutlich flotter ist, als bei rein horizontaler Anströmung.
Dies braucht man für genaue Berechnungen aller Aerogrößen wie Front / Rear Downforce. Der Aero Speed ist durchaus nicht identisch zu dem Fahrzeug-Speed (Vehicle velocity), welcher über die 4 Raddrehzahlen errechnet oder über einen sogenannten Correcitsensor gemessen wird.
Die Pitot-Rohre werden nach ihrer Fertigung im Windkanal kalibriert. Sie kosten etwa 1.200 Euro pro Stück.
Logischerweise steht das Pitot-Rohr immer vor möglichen weiteren Antennen. Und selbstredend ist das Pitot-Rohr ein Sensor und nicht etwa eine Antenne.

2) Realtime telemetry antenna
Die Realtime Telemetrie ist eine kontinuierliche Funk-Datenübertragung in unterschiedlichen Frequenzbereichen, beispielsweise im Bereich von 430 MHz. Sie dient dazu unentwegt mit relativ geringer Bandbreite, grobe Daten zu übermitteln.
Die hohe Kunst dabei ist eine Rennstrecke optimal abzudecken, so dass es möglichst wenig Funklöcher gibt. Bei topfebene Strecken wie Magny Cours erreicht man >98% Coverage, in Monza sind es mitunter <70% und die Nordschleife führt zu grauesten Haaren...
Die Realtime telemetry Antenne ist ein dünner Stahldraht von max. 1 mm Durchmesser und etwa 15 cm Länge. Zum Schutz sitzt oben drauf eine kleine Kunststoffkappe.

3) Audio antenna
Beim Sprechfunk kommen unterschiedlichste Systeme zum Einsatz. Am weitesten verbreitet ist ganz normaler Sprechfunk im 433 MHz Band mit gängigen, leicht modifizierten Geräten von Motorola etc.
Die Antennen sind häufig Wendelantennen, eingehüllt in gänzendem schwarzen Schrumpfschlauch. Der Durchmesser beträgt etwa 10 mm, die Länge ca. 9 cm. Am oberen Ende sitzt eine Kappe, am unteren befindet sich oftmals ein BNC-Stecker, den man allerdings unter die Oberfläche des Body-Panels steckt.

4) Burst telemetry antenna
In Ergänzung zu der Realtime Telemtrie gibt es mitunter eine sogenannte Burst Telemtrie. Diese basiert auf dem Prinzip, dass der Wagen auf der Start-/Zielgeraden bei Sichtkontakt einen ca. 2 bis 3 Sekunden Datenstrom mit höchster Bandbreite zur Boxenmauer funkt. In diesen wenigen Sekunden kommen also Berge von daten zu der jeweils letzten Runde. Somit kann nach Abschluss einer Runde viel exakter die Performance analysiert werden. Bei gut funktionierender Burst Telemetrie erspart man sich praktisch das Herunterladen der aufgezeichneten Daten über eine Kabelverbindung nach Rückkehr in die Box.
Die Antennen für die Burst Telemetry haben unterschiedlichste Formen und Größen. Sie können beispielsweise in den Spiegelln sitzen, deren Schalen in diesem Fall aus Kevlar statt aus Carbon bestehen müssen. Eine alternative Anbringung ist der Einsatz von Haifischflossen auf dem Vorbau des Wagens.

5) Zeitmessung
Transponder für das offizielle Timing sitzen am Fahrzeugboden und sind nicht von außen einsehbar. Die geräte werden von der FIA gestellt.

Aero-Einfluss:
Auch wenn die Antennen mächtig klein ausschauen, so haben sie doch einen katastrophalen Einfluss auf die Aerodynamik. Sie beeinträchtigen massiv die gewünschte laminare Strömung. Daher ist prinzipiell jede Antenne verhasst.
Aus gleichem Grund bringt man sie möglichst weit vorne an. Zur Vermeidung hochfrequenter Interferenzen muss man allerings Mindestabstände zwischen den Antennen einhalten.

Viel Spaß beim Bauen und Gruß,
Johannes

Beiträge: 571

Realname: Thomas Handrick

Wohnort: Kamenz

  • Nachricht senden

2

Freitag, 4. Februar 2011, 14:05

Hallo Johannes
wieder etwas gelernt. Alles wusste ich noch nicht. Danke für deine Erläuterungen.
MfgHannibanni

Werbung