Du verfügst ja offensichtlich über ein beachtenswertes, fundiertes Wissen. Daher gehe ich einmal fest davon aus, dass Du mir auch beantworten kannst warum mein Vorbild ein Rechtslenker war?!
Das ist relativ einfach: weil man den, wenn ich das richtig überblicke, ausschließlich so gebaut hat.
Warum hat man den so gebaut? Das hat traditionelle Gründe. Und war damals nicht unüblich.
Der Sechsradwagen von Büssing (nur der LKW, das Niederrahmenfahrgestell ist eine ganz andere Hausnummer) wurde 1924 eingeführt, das heißt, in den frühen 20er Jahren entwickelt. Und das Konstruktionsprinzip ist über die gesamte Bauzeit im Prinzip nicht verändert worden.
In der Frühzeit des Automobils, respektive der Lastwagen, war Linkslenkung nicht üblich. Man orientierte sich für dieses neue Verkehrsmittel an schon vorhandenen Verkehrsmitteln. Und dort war der Fahrerplatz dort angebracht, wo er in der Regel zweckmäßig war. Begegnungsverkehr, der Grund warum wir heute beim Rechtsverkehr Linkslenkung haben, war damals kaum ein Thema, der Verkehr war außer in Großstädten, sehr gering.
So ist beim Schiff Steuerbord die rechte Seite, sehr zweckmäßig beim treideln von Schleppkähnen auf Flüssen und Kanälen, denn dort wurde Strom aufwärts von rechts gezogen.
Bei der Eisenbahn saß der Lokführer auf der rechten Seite, denn er musste am Kessel vorbei auf die Strecke sehen können. Da er nur eine Seite einsehen konnte, musste er dort sitzen, wo die Signale standen. Das gilt aber nur in Deutschland, denn im Rest von Europa fahren die Züge im Linksverkehr, somit sitzt der Lokführer links.
Bei Fuhrwerken saß der Kutscher rechts. Grund dafür ist, dass die meisten Leute Rechtshänder sind, deren rechter Arm meist deutlich mehr Kraft aufwenden kann. Und die brauchte man auch, denn die Kutsche wurde gebremst über einen Handbremshebel, der direkt auf die Räder wirkte. Und diese Bremse war rechts außen am Wagenkasten angebracht. Wegen der besseren Sicht wurde ein Fuhrwerk aber dann links gefahren. Angehalten aber wurde rechts. So konnte der Kutscher direkt von seinem Sitzplatz auf den besseren Teil der Straße absteigen.
Denn die Straßen waren damals nicht asphaltiert. Wo noch mittelalterliches Kopfsteinpflaster vorhanden war, war dieses meist zur Straßenmitte hin entwässert, wo bereits eine moderne Pflasterung vorhanden war, war diese zum Fahrbahnrand hin entwässert bei Hinzuziehung eines Bordsteins und eines Gehweges. Sprich, der Fahrbahnrand war immer wesentlich trockener und sauberer.
Dort wo kein Kopfsteinpflaster war, sah es noch schlimmer aus. Die Zustände von Naturstraßen brauche ich hoffentlich nicht erklären. Alleen erhielten Ihre Festigkeit durch die Seitenbepflanzung. Je dichter man an die Bäume herankam, desto fester war der Fahrgrund. Die Mitte der Fahrbahn war eine Schlammwüste. Wer mal Reiseberichte von Motorradfahrern aus der Zeit der damaligen Jahrhundertwende liest, kann das nachvollziehen. Die sind im Zickzack um die Bäume herum gefahren. Auch Chausseen waren nicht besser. Zwar hatten die bereits einen den heutigen Maßstäben entsprechenden Unterbau, doch es fehlte die feste Deckschicht. Das hörte mit einer festgewalzten Schlackeschicht auf. Die war garnicht mehr so fest, wenn denn die ersten Pferdehufe darüber gegangen sind. Erst spät hat man angefangen, Versuche mit festeren Deckschichten zu machen. Der 1927 eröffnete Nürburgring war z.B. gleichzeitig Versuchsstrecke für alle möglichen unterschiedlichen Fahrbahndecken.
Reiter steigen von links auf Ihr Pferd. Fuhrwerke, die vom Fuhrmann durch nebenher laufen gesteuert wurden, wurden von links gesteuert (schau euch mal Leute an, die ihr Fahrrad oder Motorrad schieben, machen fast alle von links, das scheint eine Art natürliches Bedürfnis zu sein). Beide benutzten die linke Fahrbahn.
Fuhrwerke, bei denen der Fuhrmann auf einem der Zugpferde saß (meist Militärgespanne), wobei der Fuhrmann auf dem hintersten linken Pferd saß damit er seine Peitsche schwingen konnte
(bei Rechtshändern), wurden dagegen rechts gefahren.
Abschließend kann man daher sagen, traditionell wurde bei Steuerung von einem Fahrzeug aus rechts gesessen und links gefahren.
Warum dann Rechtsverkehr? Wohl eine Laune der Geschichte. Der heutige Rechtsverkehr wurde in Frankreich mit der Französischen Revolution verbindlich eingeführt (vermutlich wegen der
großen Menge an Militärgespannen) und kam später mit Napoleon in die von ihm „beglückten“ Länder. Wer nicht von Napoleon bekehrt wurde, bei dem sorgte dann der extrem rechtslastige Hitler für den nötigen Schub. Andere Länder in Europa stellten dann erst später um. Nur England blieb beim traditionellen rechts sitzen und links fahren.
Obwohl praktisch ab ca. 1806 Rechtsverkehr in Deutschland vorgeschrieben war, das Lenkrad auf die linke Seite verlegt wurde erst, als das wegen des vermehrten Begegnungsverkehrs beim Rechtsverkehr zweckmäßiger war. Und dort, wo es nicht zweckmäßig war, blieb es auch lange auf der rechten Seite. Ich erinnere nur an die Car Alpin - die Schweizer Postbusse auf Gebirgsstrecken.
Das Niederrahmenfahrgestell dagegen gab es, nach grober Recherche, wohl nur als Linkslenker. Auch das hat traditionelle Gründe. Kraftomnibusse waren zunächst reine Linienomnibusse auf Lastwagenfahrgestellen, touristische Fahrten kamen erst viel später. Nachdem die Brüder Fageol für den Bau von Omnibussen die Abkehr vom LKW-Fahrgestell hin zum Spezialfahrwerk zum Standard gemacht hatten, war man auch nicht mehr an die Sitzposition des LKW gebunden. Aus Gründen der maximalen Sitzplatzausnutzung und des zweckmäßigen Einstiegs wurde der Fahrerplatz (bei Rechtseinstieg) nach links verlegt. Nur in Außnahmefällen (siehe Car Alpin) blieb es bei der Rechtslenkung.
Alle Fragen beantwortet?
Martin